Was zu tun ist: Diese Optionen haben Unternehmen in der Hinterhand

Gastbeitrag von Dr. Alexandra Schluck-Amend und Dr. Daniel Ludwig

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Mit mehr als 840.000 direkt Beschäftigten gehört der Automobilsektor zu den wichtigsten deutschen Industriezweigen und ist ein wichtiger Indikator für Konjunkturentwicklungen. Gerade für Automobilzulieferer werden immer dünnere Auftragsbücher zurzeit nicht nur kritisch, sondern teils existenzgefährdend – und das nicht nur vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession. Während mancherorts bereits Restrukturierungspläne greifen oder sogar erste Insolvenzen gemeldet werden, bleiben anderen Unternehmen noch rechtliche Chancen, sich der allgemeinen Tendenz entgegenzu­stellen.

Stürmische Zeiten für den Automobilsektor
Die Automobilindustrie hat – anders als die übrigen Wirtschaftszweige – nicht nur mit den allgemeinen konjunkturellen Schwankungen zu kämpfen, sondern ist daneben noch den weiteren Herausforderungen ausgesetzt, die das wachsende Umweltbewusstsein, die Entwicklung der E-Mobilität und nicht zuletzt auch der Dieselskandal mit sich gebracht haben und mit sich bringen. In diesen stürmischen Zeiten gilt es umso mehr, die Insolvenz des eigenen Unternehmens zur verhindern und ein langfristig profitables und funktionierendes Unternehmen durch die wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu manövrieren.

Die Insolvenz verhindern
Das deutsche Insolvenzrecht kennt noch immer zwei Insolvenzgründe – Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung –, die es zu verhindern gilt. Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) liegt vor, wenn das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, mindestens 90 Prozent aller fälligen Verbindlichkeiten und innerhalb der nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten zu erfüllen. Überschuldung (§ 19 InsO) hingegen ist immer dann gegeben, wenn das Unternehmen rechnerisch überschuldet ist und mittelfristig keine positive Fortführungsprognose besteht. Beide Insolvenzgründe lösen in der Regel die Antragspflicht (§ 15a InsO) beim zuständigen Insolvenzgericht und zugleich zahlreiche zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiken für Gesellschafter und Organe aus. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, die finanzielle Lage der Gesellschaft jederzeit genau im Blick zu haben, um im Ernstfall vorbereitet zu sein und schnell reagieren zu können.

Die Besonderheiten der Automobilbranche und ihre Risiken
Die Besonderheit der Automobilindustrie liegt darin, dass bei der Belieferung der großen Automobilhersteller zahlreiche Lieferanten in einer engen Lieferkette Teile für die Produktion von Werkzeugen oder Fahrzeugen liefern. Die einzelnen Lieferanten sind dabei stark aufeinander angewiesen und beliefern häufig zum Großteil nur den Folgelieferanten in der Lieferkette. Dies führt in wirtschaftlich stürmischen Zeiten unweigerlich zu dem Risiko eines Dominoeffekts, sollte ein Lieferant in die Krise geraten. Dann gilt es, schnell zu reagieren, um das eigene Unternehmen zu schützen und vor allem auch am Ende der Lieferkette einen Bandstillstand zu verhindern, der dann unter Umständen noch viel weitreichendere Folgen hätte.

Der eigenen Krise vorbeugen
Um eine Krise des eigenen Unternehmens zu verhindern, ist ein entscheidender Schritt die Analyse der sich verändernden Marktverhältnisse sowie ihrer Auswirkungen auf das eigene Unternehmen. Aus diesem Grund sollte insbesondere die finanzielle Lage des eigenen Unternehmens stetig überwacht werden. Erste Anzeichen einer Krise können so frühzeitig erkannt, Haftungsrisiken für Geschäftsleiter gebannt und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Krise ergriffen werden.
Zeigen sich beispielsweise Probleme in einem Teilbereich des Unternehmens, so kann der Carve-out eines schlecht laufenden Geschäftsteils ein erster Schritt sein. Dies schafft Raum für die Fokussierung auf das Kerngeschäft und für den Ausbau neuer Technologieentwicklungen oder die Anpassung des Produktportfolios, was wiederum die Möglichkeit schafft, sich besser an die neuen Marktentwicklungen im Bereich Automotive anzupassen und dem Bedürfnis nach neuen Technologien gerecht zu werden. Ein solcher Prozess erfordert allerdings gute Vorbereitung, um Folgeprobleme zu vermeiden. Nicht nur gesellschafts- und steuerrechtliche Themen müssen dann berücksichtigt werden, sondern insbesondere auch arbeits- und vertragsrechtliche Themen sind zu klären. Herausforderungen bilden hier die Prüfung von Vertragsportfolios sowie die Gestaltung des Betriebsübergangs.
In wirtschaftlich stürmischen Zeiten muss die Finanzierung des eigenen Unternehmens gesichert werden. Insbesondere bei Konzernstrukturen bietet sich eine unternehmensinterne Finanzierung beispielsweise über einen Cashpool oder einen Ergebnisabführungsvertrag an. Dies ermöglicht die Verteilung vorhandener Liquidität über die gesamte Gruppe, ohne dafür einen Fremdkapitalgeber einzuschalten. Auch Patronatserklärungen sowie Rangrücktrittsvereinbarungen bieten die Option, ein mögliches Liquiditätsgefälle innerhalb der Gruppe auszugleichen und die Liquidität ideal zu verteilen. Bei allen Maßnahmen sollten jedoch stets der Schutz der Konzernspitze und die Einhaltung von Kapitalschutzvorschriften gewährleistet werden.
Auch an die Möglichkeiten der Refinanzierung oder der Umschuldung sollte gedacht werden. Frühzeitige Verhandlungen mit Banken und Finanzinvestoren können dazu beitragen, die zur Vermeidung einer Krise benötigte Liquidität zu generieren. Dabei gilt es, sämtliche Risiken für die Unternehmensgruppe zu beachten und geeignete Sicherheiten für mögliche Finanzierungsverträge zu bestellen. Der Ausfall eines Kreditnehmers darf nicht zu einem Dominoeffekt innerhalb der Gruppe ­führen.

Absicherung gegen die Krise des Vertragspartners
Um sich auf die mögliche Krise eines Vertragspartners entsprechend vorzubereiten, bedarf es ebenfalls geeigneter Maßnahmen.
Hier sollten in erster Linie Zahlungen eines in die Krise geratenen Lieferanten gegen das Risiko der Anfechtung durch einen späteren Insolvenzverwalter abgesichert werden (§§ 129 ff. InsO). Andernfalls ist der Lieferant gegebenenfalls verpflichtet, empfangene Zahlungen zurückzugewähren, was zu einem sofortigen und meist hohen Liquiditätsabfluss führt. Die bereits gelieferten Waren erhält er allerdings nicht zurück.
Das Risiko der Anfechtung kann insbesondere dadurch verringert werden, dass im Rahmen der Liefer­kette die Anforderungen an das Bargeschäftsprivileg (§ 142 InsO) eingehalten werden. Ein Insolvenzverwalter kann eine Zahlung dann nicht anfechten, wenn für die Leistung eine unmittelbare und gleichwertige Gegenleistung innerhalb eines engen zeitlichen Rahmens zugeflossen ist. Das bedeutet mit anderen Worten, dass die Ware zu einem marktgerechten Preis innerhalb eines engen Zeitraums geliefert und bezahlt werden muss. Die Rechtsprechung nimmt hier derzeit einen Zeitraum von 30 Tagen an. In der Praxis bedeutet dies, dass bei den ersten Anzeichen einer Krise eines Vertragspartners die Zahlungsbedingungen auf eine Vorkasseregelung oder auf eine Zug-um-Zug-Lieferung umgestellt werden sollten.
Sofern sich die Krise oder gar die Insolvenz des eigenen Unternehmens nicht verhindern ließ, gilt es, eine sozialverträgliche Lösung zu finden, die ein Überleben oder einen Weiterverkauf des Unternehmens ermöglicht.

Arbeitsrechtliche Lösungen in der Krise
Auch arbeitsrechtlich gibt es Handlungsspielräume. Neben einem klassischen Personalabbau sind bei tarifgebundenen Unternehmen Verhandlungen mit der Gewerkschaft über einen Sanierungstarifvertrag denkbar, um zumindest vorübergehend Personalkostenreduzierungen zu erreichen. Erfahrungsgemäß sind derartige Bemühungen allerdings nur dann von Erfolg gekennzeichnet, wenn sich ein Unternehmen nachvollziehbar bereits in der Krise befindet. Leichter umsetzbar ist demgegenüber eine detaillierte Analyse von Leistungen, die auf der Basis von Betriebsvereinbarungen gewährt werden. Bei freiwilligen Leistungen könnte sogar eine einseitige Lossagung in Betracht kommen. Ein denkbarer Carve-out könnte wiederum Anknüpfungspunkt dafür sein, bestehende Betriebsvereinbarungen einvernehmlich mit dem Betriebsrat anzupassen und hierdurch Kosten zu reduzieren. Ein Betriebsübergang könnte ein mögliches Gestaltungsmittel sein, um bestehende Tarifverträge durch günstigere Tarife abzulösen. Gibt es weder eine Gewerkschaft noch einen Betriebsrat, könnte versucht werden, auf freiwilliger Basis mit den Mitarbeitern Regelungen zu treffen. Denkbar wären hier zum Beispiel der Verzicht auf Jahreszahlungen oder Arbeitszeitreduzierungen. Bei einem vorübergehenden Arbeitsausfall kann schließlich auf das Instrument der Kurzarbeit zurückgegriffen werden. Die arbeitsrechtlichen Gestaltungsmittel sind also vielschichtig, bedürfen aber einer sorgfältigen Vorbereitung, bevor an die Sozialpartner und Mitarbeiter herangetreten wird.

alexandra.schluck-amend@cms-hs.com

daniel.ludwig@cms-hs.com

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