Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) am 01.08.2022 (BGBl. I Nr. 52, S. 3338) wird die Digitalisierung des deutschen Rechtssystems weiter vorangetrieben. Dies führt dazu, dass rechtliche Prozesse für die Wirtschaft vereinfacht werden. Im Mittelpunkt stehen insbesondere die Möglichkeit der Onlinegründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie die Schaffung eines Onlineverfahrens für die Einreichung und Eintragung damit im Zusammenhang stehender Urkunden und Informationen zum Handelsregister.
Das DiRUG dient der Umsetzung der europäischen Digitalisierungsrichtlinie. Es ergänzt die bereits in das deutsche Recht umgesetzte Richtlinie (EU) 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts [zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/2121]. Veränderungen werden insbesondere im GmbHG, BeurkG und der BNotO vorgenommen.
Welche Möglichkeiten sich durch das DiRUG zukünftig für die GmbH-Gründung und Handelsregistereintragung ergeben, aber auch welche Einschränkungen zu beachten sind, haben wir im Folgenden für Sie zusammengestellt:
Die Onlinegründung
Bislang war für die Gründung einer GmbH zwingend das physische Erscheinen der Gesellschafter oder deren Bevollmächtigung vor dem Notar erforderlich. Gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag einer GmbH der notariellen Beurkundung.
Dieser ist von allen Gründungsgesellschaftern oder von deren Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Im Anschluss ist nach Leistung der Einlagen die Gründung der GmbH zum Handelsregister anzumelden.
Gemäß § 13 BeurkG muss dabei die Niederschrift in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden. Erst danach ist die Beurkundung wirksam.
Neben diesem bekannten Gründungsverfahren gibt es mit Inkrafttreten des DiRUG eine neue Alternative: das Verfahren der Onlinegründung.
Die Rechtslage nach Inkrafttreten des DiRUG
Gemäß § 2 Abs. 3 GmbHG n.F. können der Gesellschaftsvertrag sowie weitere, im Rahmen der Gründung der Gesellschaft gefasste Beschlüsse auch mittels Videokommunikation nach §§ 16a–16e BeurkG n.F. wirksam geschlossen werden. Für die Unterzeichnung ist dann die qualifizierte elektronische Unterschrift der per Videokommunikation zugeschalteten Gesellschafter ausreichend.
Die technischen Voraussetzungen der Onlinegründung, wie die Erstellung der elektronischen Signatur oder das Verfahren der Identitätsfeststellung, werden durch das Bundesnotaramt bereitgestellt. Insbesondere wird es für Gesellschaftsgründer nicht nötig sein, Software zur Videotelefonie vorzuhalten, da das nötige Videokommunikationssystem von der Bundesnotarkammer zu betreiben ist (§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 BNotO n.F.)
Weiterhin ist die Onlinegründung auch im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a GmbHG und unter Verwendung von Musterprotokollen (neue Anlage 2) vorgesehen.
Anwendungsbereich
Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, ausschließlich Gründungen mit Bareinlage in das Verfahren der Onlinegründung einzuschließen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F.). Das Onlineverfahren ist bei einer Gesellschaftsgründung mit Sacheinlagen nicht möglich (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F.).
Im Umfang beschränkt sich die notarielle Beglaubigung bei Onlinegründung nicht allein auf den Gesellschaftsvertrag. Auch weitere Beschlüsse im Rahmen der Gründung der Gesellschaft können mittels Videokommunikation beurkundet werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F.). Ausweislich des Regierungsentwurfs zum DiRUG (RegE-DiRUG S. 161) und des Wortlauts des § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. fallen hierunter auch solche Beschlüsse, die mit der Gründung der Gesellschaft in engem Zusammenhang stehen oder für diese erforderlich sind. Umfasst sein sollen neben dem Gesellschaftsvertrag auch die Beschlüsse, welche in der Praxis bereits zuvor gemeinsam gefasst wurden. Exemplarisch werden Beschlüsse, betreffend die Bestellung von Geschäftsführern und die Festlegung von Vertretungsbefugnissen, genannt (RegE-DiRUG, S. 161). Hierunter sollte weiterhin auch die Versicherung des Geschäftsführers über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen im Sinne des § 8 Abs. 3 GmbHG fallen.
Auch wenn die Gründung der GmbH online ermöglicht wird, sieht das DiRUG keine freie Wahl des Notars vor. In örtlicher Hinsicht wird die Beurkundungstätigkeit der Notare mittels Videokommunikation in § 10a Abs. 3 BNotO n.F. beschränkt. Die Onlinegründung kann nur bei Notaren vorgenommen werden, in deren Amtsbezirk sich der Sitz der zu gründenden deutschen Gesellschaft, die Zweigniederlassung der ausländischen Gesellschaft oder der Wohnsitz oder Sitz eines betroffenen Gesellschafters befindet (§ 11 Abs. 3 BNotO n.F.)
Eine weitere Beschränkung besteht für den Fall, dass der Notar ausnahmsweise die Erfüllung seiner Amtspflichten durch das Verfahren der Onlinegründung nicht gewährleisten kann. Daran ist insbesondere zu denken, wenn er keine Gewissheit über eine der am Verfahren beteiligten Personen erlangen kann oder Zweifel an der erforderlichen Rechts- oder Geschäftsfähigkeit der Person hat. Dann soll der Notar die Beurkundung mittels Videokommunikation ablehnen (§ 16a Abs. 2 BeurkG n.F.)
Gemischte Beurkundung
Einen Sonderfall stellt die gemischte Beurkundung dar. Bei dieser ist nur ein Teil der Beteiligten physisch anwesend, während der andere Teil per Videokommunikation teilnimmt. Eine Beurkundung in dieser Konstellation wird durch § 16e BeurkG n.F. ermöglicht. Neben der elektronischen Niederschrift ist dann auch eine Niederschrift nach §§ 8 BeurkG, 16e Abs. 1 Satz 1 BeurkG n.F. zu erstellen und zu verlesen.
Änderungen für Eintragungen und Einreichungen zum Handelsregister
Neben der Ermöglichung der Onlinegründung wird mit Inkrafttreten des DiRUG die öffentliche Beglaubigung durch eine qualifizierte elektronische Signatur des Notars möglich (§ 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F.). Eine solche Signatur kann mit einem Notar in dessen Gegenwart, aber insbesondere auch mittels des Videokommunikationssystems des Bundesnotaramts erstellt werden. Diese Art der Beglaubigung wird auch für die Anmeldung zum Handelsregister bzw. Genossenschaftsregister gestattet (§§ 12 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F., 40a BeurkG n.F.). Hiervon erfasst sind Anmeldungen von Einzelkaufleuten, Anmeldungen für die GmbH, AG, KGaA und Genossenschaft sowie die Zweigniederlassungen der genannten Rechtsformen oder von Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats der EU oder eines Vertragsstaats des EWR unterliegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 HGB n.F.).
Für die GmbH ergibt sich aus dem DiRUG der Vorteil, dass die beim Handelsregister einzureichende Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) nicht mehr eigenhändig unterschrieben werden muss, sondern stattdessen auch mittels qualifizierter elektronischer Signatur versehen werden kann (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG n.F.). Die Geschäftsführerversicherung nach § 8 Abs. 3 GmbHG kann mit Hilfe dieser Signatur gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F. öffentlich beglaubigt werden.
Speziell ausländische Gesellschaften mit Sitz in der EU werden von dem DiRUG profitieren. So war bis zuletzt auch bei der Gründung einer deutschen Zweigniederlassung das Formerfordernis der notariellen Beurkundung z.B. für die Versicherung des Geschäftsführers nach § 8 Abs. 3 GmbHG zwingend erforderlich. Durch die Etablierung eines grenzüberschreitenden Informationsaustauschs über Zweigniederlassungen (§§ 9b Abs. 2 Nrn. 5 und 6, 13a HGB n.F.) und über Bestellungshindernisse für Geschäftsführer (§ 9c HGB n.F.) wird die Gründung von Zweigniederlassungen erleichtert. Insbesondere ist für die Anmeldung einer Zweigniederlassung die Abgabe der Geschäftsführerversicherung über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen nicht länger erforderlich, da die entsprechenden Anforderungen aus § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG und § 76 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG in Bezug auf Zweigniederlassungen nicht länger anwendbar sind (RegE-DiRUG, S. 63).
Fazit
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie hat der Gesetzgeber eine erste Hürde in Richtung der Digitalisierung des Rechtssystems genommen. Hier-aus entstehen für die Beteiligten Erleichterungen bei der Gesellschaftsgründung sowie bei der Eintragung von grenzüberschreitenden Zweigniederlassungen, wodurch der Kosten- und Zeitaufwand reduziert wird. An den aufgezeigten Schranken wird allerdings erkennbar, dass der Anwendungsbereich noch deutlich erweitert werden kann.
Ein nächster großer Schritt wäre die Ausdehnung des Onlineverfahrens auf weitere Gesellschafterbeschlüsse auch außerhalb des Gründungsprozesses der GmbH. Beispielsweise für Änderungen des Gesellschaftsvertrags bestehender GmbHs bleibt die notarielle Beurkundung mit dem damit verbundenen Aufwand weiterhin die einzige Option. Gleiches gilt bei der Sachgründung einer GmbH nach § 4 Abs. 4 GmbHG. Es ist zu hoffen, dass nach der Etablierung der neuen Technologien, wie dem Videokommunikationssystem, der deutsche Gesetzgeber den eingeschlagenen Weg der Digitalisierung konsequent weiterverfolgt und den Anwendungsbereich der Onlineverfahren erweitert.
Bis es so weit ist, ist aufgrund der Einschränkungen des Gesetzgebers Vorsicht geboten, um eine Unwirksamkeit aufgrund Formmangels des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts zu vermeiden.
Hinweis der Redaktion: Mit dem DiRUG hat sich – aus einem anderen Blickwinkel – auch Dr. Matthias Birkholz beschäftigt. (Siehe dazu Deutscher AnwaltSpiegel, Ausgabe 16/2021, S. 7, hier.)