Im Blickpunkt: Was gilt arbeitsrechtlich?

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Im Zuge des vergangenen Jahrzehnts vollzog sich ein gesamtgesellschaftlicher Wertewandel, der „ESG“ (Environmental, Social and Governance) und damit das nachhaltige Wirtschaften von Unternehmen in den Mittelpunkt rückte. Einen wichtigen Bestandteil der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen stellt dabei der ressourcenschonende Umgang mit Energie dar. Nicht zuletzt mahnen auch die aktuelle Energiekrise und die gesamtpolitische Lage dazu, sich energieeffizient zu verhalten, Kosten zu senken und Einsparpotentiale zu heben. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Beitrag gegenwärtige Energiethemen und ordnet sie im Kontext von ESG und ihrer Bedeutung für das Arbeitsrecht ein.

ESG und das Arbeitsrecht

Übersetzt steht die Abkürzung ESG für Umweltschutz, Soziales und Unternehmensführung. Dieser Begriff hat sich in der Finanzbranche sowie der Unternehmenswelt insgesamt etabliert, wenn man über das Thema Nachhaltigkeit spricht. ESG und die damit verbundenen Werte und Ziele gehen jedoch über den ökologischen Aspekt hinaus und umfassen eine Vielzahl von weiteren ethischen und sozialen Kriterien. Der Begriff dürfte sich daher am ehesten als umfassende unternehmerische Sozialverantwortung verstehen lassen.

Das Arbeitsrecht präzisiert dabei die soziale Verantwortung von Unternehmen. Vielfältige Bezüge bestehen etwa hinsichtlich der Bereiche Gesundheitsschutz, Arbeitssicherung, Compliance, betrieblicher Umweltschutz oder auch betriebliche Mitbestimmung. So betrifft bereits eine einfache Energiesparmaßnahme – zum Beispiel das Herunterdrehen einer Heizung – mehrere ESG-Aspekte. Einerseits trägt ein geringerer Energieverbrauch zum betrieblichen Umweltschutz bei. Andererseits bestehen unter dem Stichwort „Soziales“ gesetzliche Mindestanforderungen an die Temperatur am Arbeitsplatz (§§ 12, 6 Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen, EnSikuMaV).

Arbeitsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Energiesparmaßnahmen

Technische Regeln für Arbeitsstätten und EnSikuMaV

Der Arbeitgeber kann die Heiztemperatur, orientiert an den neuen gesetzlichen Anforderungen, anpassen. Waren die Mindesttemperaturen für Bürotätigkeiten bislang im Rahmen der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (Ziff. 4.2 ASR A3.5 Raumtemperatur) festgelegt, normiert die zum 01.09.2022 in Kraft getretene EnSikuMaV abgesenkte Temperaturen. Für private Unternehmen in nichtöffentlichen Gebäuden gelten nunmehr befristet bis zum 28.02.2023 folgende Mindesttemperaturen (§§ 12, 6 EnSikuMaV):

  • 19 Grad Celsius für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit,
  • 18 Grad Celsius für körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen,
  • 18 Grad Celsius für mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit,
  • 16 Grad Celsius für mittelschwere Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen,
  • 12 Grad Celsius für körperlich schwere Tätigkeit.

Daneben sieht die Verordnung weitere Stellschrauben zum Energiesparen vor. So untersagt zum Beispiel § 11 EnSikuMaV grundsätzlich den Betrieb beleuchteter Werbeanlagen von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr des Folgetags. Gleichermaßen ist nach § 10 EnSikuMaV das dauerhafte Offenhalten von Ladentüren im Einzelhandel untersagt.

Des Weiteren könnte das Ausschalten von Warmwasser zum Händewaschen erwogen werden. Denn die entsprechenden Technischen Regeln erachten die Bereitstellung von kaltem Wasser zum Händewaschen grundsätzlich für ausreichend (Ziff. 5.4 Abs. 2 ASR A4.1 Sanitärräume).

Soweit der Arbeitgeber mit Blick auf den Arbeitsschutz den rechtlichen Anforderungen nicht entspricht, sind verschiedene Konsequenzen denkbar. Zunächst ließe sich auf individueller Ebene ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers erwägen, das keine Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch hätte. Ein solches Recht nimmt das BAG aber erst ab einer gewissen Schwere des Verstoßes gegen arbeitsschutzrechtliche Vorgaben oder bei einer mehr als unerheblichen Gesundheitsgefahr an, weshalb es jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt (BAG vom 28.06.2018 – 2 AZR 436/17; BAG vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14). Zudem können Verstöße gegen den Arbeitsschutz in bestimmten Konstellationen ordnungs- beziehungsweise strafrechtlich geahndet werden.

Weitere Möglichkeiten, um Energie zu sparen

Um direkt Energieeinsparungen zu erzielen, stehen dem Arbeitgeber auch arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Zunächst kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts energiesparendes Verhalten anordnen. Er kann zum Beispiel anweisen, die Beleuchtung zu reduzieren oder technische Geräte nicht im Standby-Modus zu lassen.

Darüber hinaus kann die Anordnung von Betriebsferien ein denkbares Mittel sein, um gerade in den kalten Jahresmonaten durch eine Herabregulierung der Betriebs-temperatur Energieeinsparungen zu erzielen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Frage, ob Betriebsferien eingerichtet werden, sowie ggf. die der Bestimmung von deren zeitlicher Lage und Dauer der betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG unterliegen. Weiterhin ist die Rechtsprechung des BAG zu beachten, wonach höchstens etwa 60% des gesamten Urlaubsanspruchs für die Betriebsferien verwendet werden dürfen (BAG vom 28.07.1981 – 1 ABR 79/79).

Auch durch die Vereinbarung von Homeoffice oder mobiler Arbeit lassen sich Einsparungen erzielen. Diese Möglichkeit führt dazu, dass weniger Mitarbeiter im Betrieb anwesend sind und infolgedessen weniger Räume beheizt werden müssen, wodurch der Energieverbrauch insgesamt zurückgeht. Allerdings steht dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht das Recht zu, ein „remotes“ Arbeiten einseitig anzuordnen (LAG Berlin-Brandenburg vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).

Schließlich ist denkbar, den Energieverbrauch durch den Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich zu reduzieren. Das BAG setzt jedoch für eine solche Anordnung voraus, dass eine entsprechende kollektiv- oder individualvertragliche Vereinbarung existiert, wonach Überstunden durch Freizeitausgleich abgegolten werden können (BAG vom 18.09.2001 – 9 AZR 307/00).

Darüber hinaus könnten „grüne“ Verhaltens- und Mobilitätsrichtlinien ausgearbeitet werden, die ganzheitlich zu einer ressourcenschonenderen Arbeitsweise beitragen. Es könnte etwa vereinbart werden, Termine nicht in Präsenz, sondern vorwiegend digital wahrzunehmen. Sofern dies nicht möglich ist, könnten Energie und Emissionen durch eine Umgestaltung der Reise- und Reisekostenrichtlinie eingespart werden. Darin könnte zum Beispiel geregelt werden, dass anstelle von Kurzstreckenflügen vorzugsweise die Bahn zu nutzen ist. Daneben könnten E-Bikes zur Verfügung gestellt und der Fuhrpark auf sparsame Elek-troautos umgestellt werden. Ebenso könnte eine nachhaltige Vergütungsstruktur eingeführt werden, der auch ökologische Zielvereinbarungen zugrunde liegen.

Mittel- und langfristig können zudem Umbaumaßnahmen für Unternehmen attraktiv sein. Zu denken ist etwa an effizientere und umweltfreundlichere Heizungssysteme, eine bessere Dämmung oder die Installation energiesparender Beleuchtung. Zudem versucht der Gesetzgeber, diese Entwicklung mit der zum 01.09.2022 in Kraft getretenen „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen“ (EnSimiMaV) weiter anzustoßen. Die Verordnung normiert Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Heizungsanlagen sowie zur Energieeinsparung in der Wirtschaft. Dazu sehen die Regelungen vor allem Überprüfungs- und Optimierungspflichten bezüglich Heizungsanlagen und -pumpen vor.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Im Zuge all dieser denkbaren Maßnahmen sind etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu berücksichtigen. Soweit sich durch die Maßnahmen etwa Temperatur- oder Lüftungsverhältnisse ändern, kann dem Betriebsrat zum Beispiel ein Unterrichtungsrecht aus § 90 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4 BetrVG zustehen. Ferner können Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats betroffen sein, wenn es etwa um das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter im Betrieb, technische Einrichtungen oder Gesundheitsschutz geht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6, Nr. 7 BetrVG).

Außerdem stehen dem Betriebsrat weitere spezifische Rechte zu. Ihm obliegt gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG die Aufgabe, die Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern und sich überdies nach § 89 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für deren Durchsetzung einzusetzen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber gemäß § 89 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stelle mitzuteilen.
Ungeachtet bestehender Beteiligungsrechte empfiehlt es sich, den Betriebsrat frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Dies dürfte nicht nur die vertrauensvolle Zusammenarbeit gebieten. Darüber hinaus werden dadurch die Transparenz im Unternehmen unterstrichen und zugleich die Akzeptanz der Maßnahme(n) in der Belegschaft gefördert. Gleichzeitig gibt ein gemeinsamer Prozess dem Betriebsrat die Gelegenheit, weitere sinnvolle Impulse zum Energiesparen einzubringen.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Arbeitgeber verfügt über eine Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten, um energieeffizient zu wirtschaften. Damit lassen sich in der Summe erhebliche Einsparungen erzielen. Gerade der ressourcenschonende Umgang mit Energie stellt dabei einen wichtigen Teilbereich im ESG-Kontext dar, der dazu beitragen kann, dass Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern und ihre Produkte und Prozesse umweltfreundlich zu gestalten. Für Arbeitgeber bietet das Engagement für ESG-Themen viele Vorteile: Ihre Reputation verbessert sich, sie positionieren sich als nachhaltig orientierter Arbeitgeber, sie verringern ihre Kosten und steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit, und sie sind schließlich attraktiver für nachhaltig orientierte Investoren, wodurch sich ihre Finanzierungsmöglichkeiten erweitern.

 

daniela.rindone@cms-hs.com

inka.knappertsbusch@cms-hs.com

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