KPMG Law beobachtet seit 2005 die Trends und Entwicklungen der internationalen Rechtsabteilungen der Top 150 der deutschen Unternehmen. Die vergangenen 15 Jahre waren von vier Trends geprägt: Stärkung der zentralen Governance, strategisches Insourcing und strategisches Kanzleimanagement – beides mit dem vorrangigen Ziel, externe Ausgaben zu senken – sowie Digitalisierung der Supportprozesse. Heute wachsen die Rechtsabteilungen kaum noch, dafür bestimmen ein hoher Grad an Standardisierung, strategisches Sourcing und Legal-Tech für die Kernprozesse der rechtlichen Beratung das Bild.
Die Effizienzsteigerungen der vergangenen 15 Jahre
Zentrale Governance
Die Zahl der Rechtsabteilungen, die ihre weltweiten Abteilungen zentral steuern, ist in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich gewachsen. Diese Zentralisierung umfasst alle Bereiche einschließlich personalbezogener Entscheidungen und zahlt sich auch finanziell aus: Im Vergleich mit anderen Unternehmen derselben Branche mit dezentralem Modell bietet diese Aufstellung eine verbesserte Transparenz und Risikostruktur sowie Einsparungen von 9%–15% der Gesamtkosten, gemessen am Umsatz. Die Führung betrifft freilich nur die Organisation der internationalen Zusammenarbeit in einer global aufgestellten Rechtsabteilung – der lokale Rechtsrat verbleibt in der Verantwortung der Einheiten vor Ort.
Strategisches Insourcing
In den vergangenen 15 Jahren herrschte eine Schwarzweißsicht auf das Thema Outsourcing vor. Outsourcing wurde als teuer wahrgenommen (schwarz), Insourcing dagegen als günstig (weiß). Viele Unternehmen setzten Insourcingstrategien um und stellten vermehrt Unternehmensjuristen ein – die Teams wuchsen im Durchschnitt um 92%, gemessen am Umsatz des Unternehmens. 2019 schließlich war ein Plateau erreicht – die Unternehmensführung stoppte das Wachstum der Rechtsabteilung, um (Fix-)Kosten zu sparen. Nicht Wachstum gilt mehr als Faktor für die Effizienz, sondern Verbesserungen an Struktur und laufendem Betrieb.
Die Grafik zeigt, wie sich die Teams in den Rechtsabteilungen seit 2005 im Verhältnis zum Umsatz entwickelt haben. Die Anzahl der Rechtsanwälte hängt stark von der Branche ab: Automotive und klassische Industrie liegen deutlich unter dem Durchschnitt, Chemie und vor allem auch Pharma liegen zum Teil über dem Doppelten des Durchschnitts. Gleichzeitig sank der Assistenzschlüssel. 2005 teilten sich 1,2 Anwälte eine Supportkraft, 2019 waren es 4,5 Anwälte. Dieses Verhältnis zieht sich durch alle Branchen, variiert allerdings nach dem Grad der Spezialisierung innerhalb der Rechtsabteilung. Je spezialisierter und (in den meisten Fällen) je größer die Rechtsabteilung ist, desto weniger Supportbedarf hat sie. Je generalistischer eine Rechtsabteilung arbeitet, desto höher ist der Bedarf.
Strategisches Kanzleimanagement
Seit 2005 haben die Unternehmen die Anzahl der externen Anwaltskanzleien, mit denen sie zusammenarbeiten, stark zurückgefahren. 2019 verließen sich mehr als 60% der Top 150 in Deutschland auf maximal 30 Partner weltweit, typischerweise auf Basis eines Providermanagements. Vorteile sind eine verbesserte Auswahl und Steuerung der beauftragten Kanzleien, eine zuverlässigere Qualitäts- und Rechnungskontrolle sowie eine belastbare Bewertung der einzelnen Kanzlei am Ende eines Projekts. In der Folge konnten die Gesamtkosten für externe Rechtsberatung kontinuierlich gesenkt werden – ausgenommen natürlich die Kosten für Bereiche wie Rechtsstreitigkeiten oder M&A-Deals.
Digitalisierung
Technologie spielt eine immer wichtigere Rolle in der Rechtsabteilung. In einer ersten Welle der Digitalisierung führten Rechtsabteilungen bis vor wenigen Jahren in erster Linie IT-Tools ein, die auf eine Verbesserung von Supportprozessen wie Archivierung, Ausgabenkontrolle oder Sachbearbeitung abzielten. Diese Neuerungen verbesserten zwar das interne Management, wurden aber von den internen Mandanten weder wahrgenommen noch selbst angewandt, blieben also ohne Einfluss auf die interne Zusammenarbeit. Inzwischen wird Legal-Tech im Unternehmen zunehmend für die Beschleunigung der eigentlichen Dienstleistung von Rechtsabteilungen eingesetzt.
Die Rechtsabteilung der Zukunft
Auf dem Weg zur Rechtsabteilung der Zukunft sind zwei Punkte zentral: Legal-Operations und Legal-Tech. Die juristische Basisarbeit, Evaluation und Standardisierung werden in Zukunft weitgehend auf technologischer Basis erfolgen. Der Markt für Legal-Services entwickelt sich, und strategisches Sourcing wird erfolgsentscheidend.
Standardisierung und strategisches Sourcing
Auf dem Weg zu mehr Effizienz und besseren Strukturen braucht man nicht das Rad neu zu erfinden. Es reicht aus, interne Prozesse und Dokumente zu standardisieren, so dass Mandanten und Anwälte sie in der täglichen Arbeit mit wenig Aufwand nutzen können. Prozesse wie das globale Vertragsmanagement oder die Anpassung von Dokumenten lassen sich so deutlich schneller erledigen.
Die erwähnte Schwarzweißperspektive macht inzwischen einer differenzierten Sichtweise Platz. Viele Legal-Services-Anbieter ebenso wie klassische Kanzleien bieten inzwischen Managed Services an. Standardisierte Prozesse können zu geringeren Kosten ausgelagert werden, als Inhouse-Teams sie umsetzen könnten. Rechtsleiter müssen heute sorgfältig abwägen, welche Aufgaben sie intern umsetzen, auslagern oder über Legal-Tech-Lösungen abbilden. Zunehmend gewinnt die richtige Mischung innerhalb des Dienstleistungsportfolios an Bedeutung, um Kosten zu senken und gleichzeitig in ständig volatileren Geschäftszyklen Ressourcenflexibilität zu gewährleisten – eine Aufgabe, die durch Covid-19 nicht gerade einfacher wird.
„Purposeful Legal-Tech“ und Evaluation
In der zweiten Reifephase der Digitalisierung wird Legal-Tech zunehmend zielgerichtet eingesetzt. Technologie unterstützt heute die internen Mandanten, indem sie die juristische Kernarbeit und die Funktionalität verbessert, um die Rechtsabteilung weniger stark in repetitive und typischerweise risikoarme Prozesse einzubinden.
Sie ermöglicht auch eine automatisierte und präzise Evaluation der Rechtsabteilung. Rechtsleiter werden sich auch auf die Überwachung von Effizienz und Effektivität, aber auch auf Risiko-Key-Performance-Indikatoren konzentrieren müssen.
Ausblick
Wir bewegen uns auf ein vollintegriertes Dienstleistungsmodell zu, das interne und externe Ressourcen sowie automatisierte technische Dienstleistungen auf einer einheitlichen rechtlichen Plattform optimal kombiniert und zuweist. Diese Plattform, eine „One-Stop-Shop“-Rechtsabteilung, wird alle derzeit noch bestehenden (Tech-)Silos in den Rechtsabteilungen mit einbeziehen. Sie wird sowohl Unternehmensjuristen als auch interne Mandanten in die Lage versetzen, Dokumente selbst zu erstellen und rechtliche Aufgaben zu lösen, entweder unter Verwendung von Chatbots und künstlicher Intelligenz oder im Rahmen einer persönlichen Rechtsberatung, wenn das System sie im Einzelfall an den passenden, spezialisierten Rechtsanwalt verweist. Der „One-Stop-Shop“ gibt den Anwälten einen permanenten und umfassenden Zugriff auf alle Prozesse und Inhalte, von Chatbots über Legal-Monitoring und Legal-Spend-Management bis zur Vertragsautomatisierung – im Bild oben beispielhaft in einer einzigen, zentralen Benutzeroberfläche zusammengeführt.