Eine passgenaue Dienstleistung ist gefordert

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Outsourcing von juristischen Routineaufgaben wird im deutschen Rechtsmarkt schon seit Jahren diskutiert. Bereits 2011 führte das Beratungsunternehmen Schoen + Company hierzu eine Studie (siehe hier) durch und beleuchtete dabei einen zwar nachgefragten, aber noch nicht entwickelten Outsourcingmarkt.
Seitdem ist viel passiert – nicht zuletzt aufgrund des Aufkommens von Konzepten wie Legal-Tech, Legal-­Operations und einer generellen Innovationsstimmung in Rechtsabteilungen und Kanzleien. Allerdings zeigen die letzten Entwicklungen auf dem Markt (wie beispielsweise der Rückzug des Anbieters alternativer Rechtsdienstleistungen Axiom aus Deutschland), dass es nicht immer einfach ist, langjährig gewachsene Strukturen der rechtlichen Betreuung von Unternehmen durch Outsourcing im Rechtsbereich zu unterstützen. Grund genug, einmal genauer zu betrachten,

  • was Outsourcing im Rechtsbereich eigentlich ist,
  • welche Hürden es dabei gibt und
  • wie sinnvolles Outsourcing nicht nur das akute rechtliche Problem lösen, sondern zur Weiterentwicklung der gesamten Rechtsfunktion im Unternehmen beitragen kann.

Outsourcing – grundsätzlich von Sekundärfunktionen
Klassischerweise versteht man unter Outsourcing die Auslagerung von Sekundärfunktionen eines Unternehmens auf externe Ressourcen. Der Begriff der Sekundärfunktion ist hierbei ernst zu nehmen. Es geht nicht um die Externalisierung von strategischen Kernfunktionen oder Einzelfällen. Outsourcing behandelt den Routinefall, der dennoch eine tiefe fachliche Expertise und sorgfältige Bearbeitung erfordert – und macht so interne Ressourcen für den Sonderfall frei.

Hiervon verspricht man sich die bekannten Vorteile:

  • Zeitersparnis der internen Ressourcen und Konzentration aufs Kerngeschäft
  • Kostenersparnisse, wenn das Outsourcing einmal läuft, da der Einarbeitungsaufwand minimiert wird
  • Kontinuität und konstante Qualität durch spezialisierte Beratung und Unternehmenskenntnis
  • Flexibilität und schnelle Reaktionsmöglichkeit bei Auslastungsspitzen
  • Unternehmen nutzen aus diesen Gründen in anderen Bereichen schon lange Outsourcinglösungen, z.B. für IT-Infrastruktur, Kundenservice, Buchhaltung, Logistik und viele andere geschäftsunterstützende Prozesse.

Ebenfalls bekannt und durch langjährige Erfahrung erarbeitet sind die Erfolgsfaktoren für dauerhaft sinnvolles Outsourcing:

  • klare Definition der Bereiche und Funktionen, die ausgelagert werden sollen, und Abgrenzung der Kompetenzen
  • positive Kostenrechnung im Vergleich zur internen Erledigung oder durch „normale“ (also kostenintensivere) externe Beratung
  • Vermeidung fehlender Einbindung in interne Prozesse und mangelnder Abstimmung mit Stakeholdern

Beachtet man diese Erfolgsfaktoren, kann Outsourcing von Sekundärfunktionen einen äußerst positiven Effekt auf die Kostenstrukturen einer Abteilung haben und in der Tat die Konzentration auf deren Kerngeschäft stärken. Damit ist dem ganzen Unternehmen gedient.

Besonderheiten des Legal(-Process)-Outsourcings
Es wäre allerdings verfehlt, die Erfahrungen und Grundsätze klassischen Prozessoutsourcings unverändert auf das Outsourcing rechtlicher oder rechtlich relevanter Unternehmensfunktionen zu übertragen. In dem sich stetig weiterentwickelnden Umfeld interner Rechtsabteilungen muss man zwischen der Übernahme von vornehmlich juristisch beratender Tätigkeit und der Übertragung einer gesamten rechtlich relevanten Funktion auf einen externen Dienstleister unterscheiden.
Der erste Fall stellt die inhaltliche juristische Tätigkeit in den Vordergrund und kann als „Legal-Outsourcing“ ­typisiert werden. Die in dieser Konstellation vor allem vom Dienstleister erbrachte rechtliche Beratung zeichnet sich – anders als die klassische Rechtsberatung – durch einen hohen Standardisierungsgrad, die Orientierung an den Grundsatzvorgaben des Unternehmens, den Einsatz technischer Komponenten und die Einbindung in die Arbeitsstrukturen der Rechtsabteilung und der einbezogenen Geschäftsbereiche aus.
Im zweiten Fall ist neben rechtlicher Kompetenz die Verknüpfung mit Expertise in Prozessgestaltung und technischer Umsetzung von zentraler Bedeutung. Hier ist von „Legal-Process-Outsourcing” die Rede. Häufig geschieht Legal-Process-Outsourcing ganz ohne rechtliche Beratung im Einzelfall (wie es etwa bei der rein organisatorischen Bearbeitung von Massenverfahren oder beim Beteiligungsmanagement der Fall sein kann). In solchen Fällen wird jedoch nichtsdestotrotz vorausgesetzt, dass rechtliche Kompetenz in die Gestaltung der Outsourcingpro­zesse einfließt und dadurch nachhaltige, rechtssichere Strukturen geschaffen werden. Ein nichtjuristischer Outsourcinganbieter stößt hier zwangsläufig schnell an seine Grenzen.
Selbstverständlich kann der Übergang zwischen den beiden Ausprägungen juristischen Outsourcings fließend sein, etwa wenn ein Vertragsmanagementprozess technisch und in standardisierten Abläufen ausgelagert wird, der Outsourcinganbieter aber ebenfalls rechtliche Einzelfallprüfungen innerhalb des Vertragszyklus vornehmen soll.

Hürden des Legal(-Process)-Outsourcings
Blickt man auf den deutschen Markt für Legal(-Process)-Outsourcing, gewinnt man den Eindruck, dass ein Großteil der Outsourcinganbieter – überspitzt formuliert – eigentlich Bodyleasing betreiben. Wirkliches Legal-­Process-Outsourcing findet man selten. Fehlt es an Kapazitäten, werden vielmehr externe Juristen eingespannt, um die anfallende Mehrarbeit zu erledigen.
Damit ist dem Unternehmen bzw. dessen Rechtsabteilung zwar kurzfristig geholfen – die oben beschriebenen Vorteile werden so jedoch nicht erreicht. Begreift man juristisches Outsourcing aber als echtes Outsourcing einer rechtlichen Unternehmensfunktion und will die oben dargestellten Vorteile (Kosten- und Zeitersparnis, Qualitätssicherung und Flexibilität) realisieren, greift diese ­Praxis zu kurz.
Legal(-Process)-Outsourcing erfordert vielmehr die abschließende und dauerhafte Übernahme einer juristischen Routinefunktion (z.B. Datenschutz- oder Compliance-funktionen) durch einen spezialisierten Anbieter, der selbst über entsprechend vielseitige Kompetenzen verfügt und damit effizient und transparent die Rechtsabteilung bzw. das Unternehmen selbst entlastet.
Doch warum hat sich Legal(-Process)-Outsourcing noch nicht im breiten Markt etabliert? Ohne eine vollständige Kenntnis der Umstände in sämtlichen Rechtsabteilungen beanspruchen zu wollen, lassen bisherige Beobachtungen in diesem Bereich folgende Schlussfolgerungen zu:

  • Standardisierungs- und Digitalkompetenz: Rechtsberatende Kanzleien bauen nur zögerlich Kompetenzen und Kapazitäten auf, die einen strukturierten Aufbau standardisierter und automatisierter Prozesse erlauben. Gerade Legal-Outsourcing erfordert meist die abschließende Bewertung eines Einzelfalls durch Volljuristen. Doch in Kanzleien fehlt es für strukturiertes Outsourcing häufig an Personal und Infrastruktur, während es Unternehmen mit Outsourcingerfahrung regelmäßig an rechtlicher Kompetenz mangelt.
  • Unklare Kostenstrukturen: Sofern kein strukturiertes Legal-Spend-Management besteht, ist eine belastbare Kostenrechnung aufwendig und ggf. gar nicht möglich. Sie wird zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass Anbieter von Rechtsdienstleistungen eine bindende Kostenkalkulation aus bekannten Gründen weitgehend scheuen.
    Prozessreife: Eine klare Definition von Bereichen und Funktionen für die Auslagerung fällt Rechtsabteilungen nicht immer leicht. Hierzu gehört auch, kritische Erfolgsparameter und Übergabepunkte zu definieren.
  • Prozessintegration: Während sich Unternehmensjuristen in den vergangenen Jahren immer mehr als Teil der Geschäftsbereiche des Unternehmens begreifen und ihre rechtliche Expertise eng mit diesen verzahnen, fällt es externen Kanzleien nach wie vor schwer, über die rechtliche Expertise hinaus die Geschäftsprozesse als führend und damit maßgeblich für die Beratung anzusehen. Dies führt zu einem Outsourcing in der juristischen Blase und verhindert nachhaltige Effizienzvorteile für das Unternehmen. Anders ausgedrückt: Wenn nicht die Geschäftsprozesse im Vordergrund stehen, löst man nur das juristische Problem, nicht jedoch die Probleme der Geschäftsbereiche.

Kein Outsourcing ohne Innovation?
Wem die vorstehenden Aspekte bekannt vorkommen, der sollte sich nicht wundern: Automation, juristische Prozessgestaltung, transparentes Pricing und Integration in Geschäftsprozesse werden seit Jahren auf Legal-Innovation-Veranstaltungen als maßgebliche Innovationsziele diskutiert und auch bereits umgesetzt.
Dieser Umstand ist ein Appell an den Outsourcinganbieter, selbst beim reinen Legal-Outsourcing nicht nur die outzusourcenden Rechtsfragen im Blick zu haben, sondern dem Mandanten auch unterstützende technische und prozessuale Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht Aufgabe des Outsourcingkunden, diese Infrastruktur bereitzustellen. Vielmehr ist es an den Outsourcinganbietern, ihren Kunden und Mandanten eine umfassende, innovative und effiziente Dienstleistung anzubieten.

Aber ist das nicht Inhouse-Sache?
„Moment mal“, hört man die ersten Kollegen rufen. „Ist es nicht originäre Aufgabe einer Rechtsabteilung, eigene Prozesse und technische Mittel aufzubauen, mit denen die eigenen Aufgaben abgearbeitet werden können?“ Darüber kann man trefflich streiten, und viele juristische ­Outsourcingprojekte erfolgen auch tatsächlich im Rahmen der Infrastruktur des Mandanten. Unbestritten ist jedoch, dass interne Innovationen oder Legal-Tech-Projekte einiger Voraussetzungen bedürfen: Budget, IT-Infrastruktur, Umsetzungskompetenzen, Abstimmung auf die Bedürfnisse verschiedener Stakeholder, Verhandlungen mit dem IT-Einkauf und so manches Weitere. Es ist kein Geheimnis, dass diese Grundlagenarbeit häufig an fehlenden Ressourcen oder knappen Budgets scheitert. So manches Unternehmen wäre nicht böse, wenn man diese Infrastruktur in der richtigen Art und Güte zur Verfügung stellte.
Auch gehört Innovationsarbeit nun einmal nicht zu den Kernaufgaben von Rechtsabteilungen – diese liegen in der rechtlichen Begleitung, Kontrolle und Verteidigung ihres Unternehmens (was in der Diskussion manchmal vergessen wird). Da der Fokus von Digitalisierungs- bzw. Automationsprojekten in Rechtsabteilungen häufig auf der Bewältigung von Routineaufgaben liegt, ist hiermit den Kernaufgaben nur mittelbar geholfen – im Falle eines erfolgreichen Digitalisierungsprojekts eben durch das Freiwerden von Kapazitäten.
Was wäre also, wenn man dieses Ergebnis einfacher und schneller erreichen und ganze Funktionen auslagern könnte, die dann auf dem stets aktuellen Stand von Technik und Prozessreife erledigt werden?

„Legal-Function as a Service“
Um dies zu bewerkstelligen, bedarf es der nächsten Outsourcinggeneration, die sich nicht nur der klassischen Outsourcingansätze bedient, sondern diese auch um das inzwischen als digitales Geschäftsmodell über Branchen hinweg erprobte und erfolgreiche „As a Service“-Modell ergänzt. Die obengenannten Vorzüge von Outsourcing werden damit wie folgt ergänzt:

  • nahtlose Schnittstelle zu maßgeblichen Prozessen und verschiedenen Nutzergruppen im Unternehmen
  • Bereitstellung von passenden Softwarelösungen
  • Skalierbarkeit der externen Unterstützung

Die Anforderungen an Legal(-Process)-Outsourcing im Sinne einer Legal-Function as a Service lassen sich insofern wie folgt definieren:

  • abschließende Übernahme einer Rechtsfunktion mit verbindlicher Rechtsberatung und „schlüsselfertiger“ Übergabe an das Inhouse-Team oder die Geschäftsbereiche
  • belastbare, transparente Preise sowie Weitergabe von Kostenvorteilen durch Effizienz, Automation und Standardisierung
  • Bereitstellung erprobter Abläufe und Unterstützung bei Optimierung bestehender interner Prozesse mit eigener Kompetenz
  • Zusammenarbeit mit variierenden Nutzergruppen – nicht nur aus der Rechts-, sondern auch aus Fachabteilungen
  • Nutzung und Kompetenz für IT-Lösungen für Automation und Datenmanagement sowie fortlaufende Ver­besserung der eigenen Infrastruktur
  • flexible Kostenstruktur und Softwarenutzung sowie skalierbare Ressourcen im administrativen, technischen und juristischen Bereich

Je nach Anwendungsfall verschiebt sich beim Legal-Outsourcing der Schwerpunkt in den Bereich der Rechtsberatung, während beim Legal-Process-Outsourcing mehr die strukturelle Unterstützung im Fokus steht. Bietet man dies alles bei der externen Übernahme von Rechtsfunktionen an, kommen das Unternehmen und damit auch die Rechtsabteilung in den Genuss nicht nur der klassischen Outsourcingvorteile. Vielmehr ergeben sich dadurch nachhaltige Prozessverbesserungen sowie gezielte Innovationen in rechtlichen und unternehmerischen Funktionen, und zwar stets anhand konkreter und für den Mandanten relevanter Fragestellungen. Legal-Tech oder andere technische Innovationen werden so nicht als Selbstzweck, sondern stets funktionsbezogen eingeführt.

Beispiele für Legal-Functions as a Service:

  • Datenschutzmanagement und Datenschutzbeauftragter
  • Gestaltung von Standardverträgen und Vertragsmanagement as a Service
  • Corporate Housekeeping
  • einzelne Compliancefunktionen
  • HR und Arbeitsrecht
  • Management von Gerichts- und behördlichen Verfahren

Georg.Berger@clarius.legal

Tamay.Schimang@clarius.legal

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