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Einleitung
Seit einiger Zeit sieht man auch im deutschen Rechtsmarkt wettbewerblich ausgerichtete Ausschreibungen von Unternehmen für definierte Einzelmandate, bei denen verschiedene Kanzleien um konkurrierende Angebote gebeten werden. Verschiedentlich hat sich hier die Frage gestellt, ob bestehende Law-Firm-Panels und derartige Ausschreibungen einander ausschließen. Es kommt darauf an – auf die entsprechenden Formulierungen im Panel-Agreement mit den Kanzleien. Jedes strategisch klug handelnde Unternehmen wird mit Rücksicht auf sein Rechtsbudget bereits vor der Neuaufstellung seines Panels sicherstellen und energisch verteidigen, dass im Master-Panel-Agreement keinesfalls ein Ausschluss von wettbewerblichen Auktionen unter Teilnahme von Panelkanzleien verabredet wird.

Legal-Panels: Begrenzte Effizienzsteigerung und Nachteile aus Unternehmenssicht

Die bloße Schaffung eines Rechtspanels hat erfahrungsgemäß häufig nicht die erhoffte Wirkung nachhaltiger Kostenersparnis für die beauftragenden Unternehmen. Zwar bringen Law-Firm-Panels aus Sicht von Unternehmen bestimmte Vorteile mit sich, denn für das beauftragende Unternehmen

(i) vertiefen sich in qualitativer Hinsicht regelmäßig die Arbeitsbeziehungen zu den ausgewählten Kanzleien,
(ii) ist die Zustimmung zu seiner Outside-Counsel-Policy einschließlich der Einhaltung von Billing-Guidelines leichter zu erlangen und
(iii) verringert sich der organisatorische Aufwand, eine Vielzahl von Kanzleien in verschiedenen Rechtsgebieten und Jurisdiktionen zu beschäftigen und zu koordinieren.

Zugleich ergibt sich aus Law-Firm-Panels jedoch auch eine Reihe von Nachteilen. Die Hypothese, allein die Schaffung von Panels werde für sich bereits zu Einspareffekten führen, ist zumindest fraglich. Dies liegt daran, dass

(i) Panel-Agreements, die oft für einen Zeitraum von zwei Jahren oder länger abgeschlossen werden, überproportionale Erhöhungen der Stundensätze vorsehen können, die nicht zwingend der Marktentwicklung entsprechen (was nach Marktinformationen kein rein theoretisches Problem ist);
(ii) Nachlässe auf Stundensätze in der Praxis dadurch aufgehoben werden können, dass einem niedrigeren vereinbarten Stundensatz eine höhere Anzahl abgerechneter Stunden gegenübersteht, und
(iii) die Billable Hour als Einheit der Zusammenarbeit aus Sicht eines Unternehmens „die falschen Anreize setzt“ (Leo Staub, JuVe 07/2020, S. 7): Zum einen hält die Vereinbarung bloßer Stundensätze die Kanzleien nicht dazu an, einen Auftrag in kürzestmöglicher Zeit zu erledigen. Zum anderen besteht das Interesse des Unternehmens darin sicherzustellen, dass die anwaltliche Arbeit von einem Mitarbeiter erbracht wird, der für die konkrete Aufgabe qualifiziert ist und zugleich mit dem niedrigsten Stundensatz abgerechnet wird. Jedenfalls aus ökonomischer Sicht müssen Kanzleien demgegenüber daran interessiert sein, einen Mitarbeiter einzusetzen, für den ein höherer Stundensatz vereinbart wurde.

„Reverse Auctions“ als zweite Stufe des Legal-Procurements im US-Markt
US-Unternehmen haben deswegen schon vor Jahren damit begonnen, ihre Panels nur als „erste Stufe“ ihrer strukturierten Zusammenarbeit mit externen Law-Firms zu begreifen. Dies entspricht auch der Logik des typischen Beschaffungsprozesses: Danach stellt das im Markt heute so bezeichnete „Legal-Procurement“ lediglich einen Teilprozess der Beschaffung dar (weitergehend nämlich bestehend aus den Teilprozessen Sourcing, Procurement, Supplier-Management, Supplier-Development und Collaboration). Das in Deutschland gegenwärtig allein in den Blick genommene Legal-Procurement unterfällt nach dieser Systematik den Unterkategorien „Einrichtung von Legal-Panels“ (= Strategic Procurement) sowie „Beschaffung von externem Rechtsrat für ein konkretes Mandant“ (= Operative Procurement).
Professionell handelnde US-Rechtsabteilungen haben ihr bisheriges Panelmodell schon seit längerem um ein Standardverfahren für das Operative Procurement ergänzt: die Ausschreibung von Einzelmandaten im Wege einer „Reverse Auction“. Unter einer „Reverse Auction“ versteht man ein Ausschreibungsverfahren, bei dem

(i) das Unternehmen seinen Bedarf spezifiziert und ihn anschließend – unter mehreren konkurrierenden Kanzleien (nach unten, daher: „reverse“) „versteigert“;
(ii) die teilnehmenden Kanzleien einander unterbieten können, bis die Ausschreibung endet, und
(iii) das Unternehmen danach aus den Angeboten das aus seiner Sicht beste Angebot (Kombination aus Qualitätsmerkmalen und Preis) auswählt, wobei das Unternehmen in seiner Entscheidung vollständig frei bleibt, die auch darin bestehen kann, keines der Angebote anzunehmen.

Grundzüge des Ablaufs des kompetitiven Verfahrens
Die Entwicklung im Rechtsmarkt seit Beginn dieser Praxis hat gezeigt, dass erst diese „zweite Stufe“ den Unternehmen optimale Einsparungen sichert, bestmögliche Leistungen der mandatierten Kanzleien sicherstellt, zugleich aber auch ein marktangemessenes Umsatzniveau für die Kanzleien gewährt. Die zuvor beschriebenen Nachteile eines reinen Panelansatzes werden bei Einsatz dieser zweiten Stufe vermieden.
Im Rahmen dieser zweiten Stufe laden Unternehmen Kanzleien – ggf. unter Einschluss von Kanzleien, die nicht dem Panel angehören – zur Teilnahme an einem wettbewerblich ausgestalteten Prozess ein. Die Unternehmen erläutern die auszuführende Aufgabe und erbitten von den teilnehmenden Kanzleien ihren Vorschlag zur inhaltlichen Bearbeitung sowie ein erstes Honorarangebot. Unternehmen fragen insofern verschiedene Elemente an: vereinbarte Stundensätze (Billable Hours), aber auch Alternative-Fee-Arrangements, also Festpreisarrangements für bestimmte, klar von vorneherein per Festpreis vergütete Elemente (bspw. Due Diligence, Kartellanmeldung, AGB-Aktualisierung von Bündeln von kommerziellen Verträgen) sowie Kostendeckel (Caps) für bestimmte, in ihrem zu erwartenden Arbeitsaufwand einschätzbare Teilaspekte eines Auftrags (bspw. Verhandlungsführung mit einer bestimmten Anzahl von Verhandlungsrunden).
Diese Anfragen hängen stark von den Eigenheiten des Mandats ab; einzelne Arbeitsschritte mögen von den Kosten her gedeckelt sein oder sogar an (weitere) externe Dritte vergeben werden, die Teilprozesse günstiger anbieten können; die Billable Hour kommt dann nur noch für denjenigen Teil eines Mandats zur Anwendung, der eine maßgeschneiderte Behandlung erfordert.
Dieser Ansatz vermeidet regelmäßig Überraschungen für das beauftragende Unternehmen; und er führt regelmäßig zu erheblichen Kosteneinsparungen im Vergleich zu dem vorgestellten reinen Panelansatz: Marktvergleiche zeigen für das kompetitive Verfahren Einsparungen von ca. 15–35% pro einzelnes Mandat. Diese Ergebnisse überschreiten signifikant die üblichen Verhandlungsergebnisse, die in Panelgesprächen mit vorausgewählten Kanzleien erzielt werden.
Obwohl also insgesamt Legal-Panels durchaus einen Mehrwert liefern, ermöglichen sie – aus Sicht der beauftragenden Unternehmen – noch keine ausreichende Kostenkontrolle. Amerikanische Legal-Inhouse-Teams und zunehmend auch deutsche Unternehmen führen deshalb wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren, bezogen auf das Einzelmandat, also als zweite Ebene zusätzlich zur Ebene des Panelprogramms, durch.
Auf diese Weise können Mandanten mit ihren üblichen Panelfirmen weiterarbeiten, ohne ihre bestehenden Verträge zu verletzen: Denn die Einigung auf bestimme Stundensätze hindert Mandanten natürlich nicht daran, anschließend reduzierte Fixpreise, bezogen auf bestimmte Arbeitspakete in einem Mandat, zu verabreden. Bei jeder Verlängerung einer bestehenden Zusammenarbeit mit einer Kanzlei sollten Unternehmen mithin sicherstellen, dass ihr Muster-Panel-Agreement ihnen diese Wahlfreiheit lässt.

Auswirkung auf die Zusammenarbeit mit Kanzleien
Abschließend eine Bemerkung zu einem sehr wichtigen Aspekt: Der Übergang zu einer auf die Einzelausschreibung bezogenen Betrachtung beeinträchtigt, bei angemessener Kommunikation, auch nicht die Beziehungen zu den Panelkanzleien. Denn alle Beteiligten müssen sich den Bedingungen des Marktes stellen. Die Kanzleien werden weiterhin bestrebt sein, Ausschreibungen interessanter Mandate für sich zu entscheiden.

Aus Sicht von Unternehmen liegen die Vorteile des ausschreibungsbasierten Ansatzes darin, dass
(i) sich signifikante Einsparungen in erheblicher Höhe erzielen lassen,
(ii) die strukturierte Ausschreibung des einzelnen Mandats die Qualität der geleisteten Arbeit erhöht und
(iii) die langfristige Zusammenarbeit mit präferierten Kanzleien gestärkt wird.
Umgekehrt bieten diese Verfahren auch aus Sicht von Kanzleien Vorteile: So müssen sich Kanzleien natürlich gerade um reputationsträchtige Mandate ernsthaft bewerben und gegenüber ähnlich qualifizierten Mitbewerbern durchsetzen. Für Kanzleien entsteht so einerseits auch ein nicht unerheblicher Margendruck. Andererseits enthält dieses Verfahren auch hohes Potential dafür, den Mehrwert aus der Zusammenarbeit mit dem Mandanten zu stärken und sich tatsächlich als Trusted Advisor beim Mandanten zu positionieren.

Ausblick
Es steht zu erwarten, dass sich kompetitiv ausgestaltete Ausschreibungsprozesse im Rechtsmarkt – parallel zur Praxis in den USA – auch hierzulande weiter durchsetzen werden. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass diese Entwicklung zügig voranschreitet.

j.kellerhoff@lintum.com

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