Im Blickpunkt: Steuerberater

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Die Bundesregierung hat am 02.09.2020 beschlossen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht teilweise fortzusetzen. Ausgesetzt wird weiterhin – und zwar bis zum 31.12.2020 – die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit ist also seit dem 01.10.2020 zurück.

Steuerberater sind in der Coronakrise häufig die ersten Ansprechpartner für ihre Mandanten. Während der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit vom 01.03. bis 30.09.2020 können die Unternehmen sich (noch) auf die Liquiditätsbeschaffung, insbesondere durch KfW-Darlehen, konzentrieren. Gleichwohl ist vermutlich eine Vielzahl von Unternehmen inzwischen materiell insolvenzreif, insbesondere zahlungsunfähig. Schon nach der bisherigen Aussetzungsregel des § 1 Satz 2 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) gilt, dass die Antragspflicht weiterhin besteht, wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Die Besserungsaussicht wird allerdings vermutet.

Zum 01.10.2020 wurden diese Verschonungs- und Vermutungsregeln für den Antragsgrund der Zahlungsunfähigkeit wieder abgeschafft. Daher rücken die Hinweispflichten für Steuerberater wieder verstärkt in den Fokus.

Steuerberaterhaftung für mangelhafte Jahresabschlüsse und fehlende Hinweise
Der BGH hat in seinem Urteil vom 26.01.2017 die Haftung von Steuerberatern für die Erstellung von fehlerhaften Bilanzen erheblich verschärft (BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14, DStR 2017, 942). Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht.

Doch auch dann, wenn der Jahresabschluss mangelfrei ist, kann ein Steuerberater wegen Verletzung seiner Hinweis- und Warnpflicht haften. Eine solche Pflichtverletzung kommt dann in Betracht, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder ein solcher Grund für ihn offenkundig ist und er annehmen muss, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist (BGH, a.a.O.). Ein Fall der Offenkundigkeit liegt vor, wenn die Jahresabschlüsse in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen oder die bilanziell überschuldete Gesellschaft nicht über stille Reserven verfügt. Diese Prüfung wird sich aber ohnehin wohl mit der Prüfung der Fortführungsvermutung decken. Sofern Zweifel an der Vermutung der Fortführung bestehen, hat er den Mandanten konkret auf die problematischen Punkte und auf seine insolvenzrechtlichen Pflichten hinzuweisen (Meixner/Schröder, DStR 2017, 956). Der Hinweis des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten muss konkret sein und darf sich nicht darauf beschränken, dass es Anzeichen für eine Insolvenzantragspflicht gibt.

Insolvenzgrund Zahlungsunfähigkeit
Wer zahlungsunfähig ist, muss seit dem 01.10.2020 nach § 15a Abs. 1 InsO wieder spätestens drei Wochen seit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen. Unternehmen, die trotz staatlicher Hilfen in Liquiditätsschwierigkeiten sind, sollten daher umgehend prüfen, ob für sie eine Insolvenzantragspflicht besteht. Antragspflichtig sind grundsätzlich nur Geschäftsführer oder Vorstände von Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) und von kapitalistischen Personengesellschaften (insbesondere GmbH & Co. KG). Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Der BGH nimmt Zahlungsunfähigkeit darüber hinaus an, wenn der Schuldner eine Liquiditätslücke von 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten hat und er diese nicht innerhalb von drei Wochen ausgleichen kann. Die Ermittlung erfordert einen Liquiditätsstatus und eine Liquiditätsplanung. Hierbei ist in der Regel professionelle Begleitung erforderlich, um die Besonderheiten des Insolvenzrechts zu berücksichtigen.

Haftung auch für mangelhafte Beratung bei Zahlungsunfähigkeit
In dem Fall, der der Entscheidung des BGH vom 26.01.2017 zugrunde lag, ergab sich die Haftung aus Fehlern des Steuerberaters im Zusammenhang mit der Überschuldung.

„Unternehmen, die trotz staatlicher Hilfen in Liquiditätsschwierigkeiten sind, sollten umgehend prüfen, ob für sie eine Insolvenzantragspflicht besteht.“

Sofern jedoch der Steuerberater eine Beratungsleistung im Zusammenhang mit der Liquiditätslage des Mandanten übernimmt, erstreckt sich die Haftung für mangelhafte Hinweise auf eine mögliche Insolvenzantragspflicht, wenn der Steuerberater eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit nicht erkennt oder nicht hinreichend konkret thematisiert.

Außergerichtliche oder gerichtliche Restrukturierung?
Vielfach wird der Steuerberater des Mandanten der Erste sein, den der Mandant um die Begleitung bei einer Restrukturierung bittet. Sofern der Steuerberater nicht selbst über hinreichend eigene Expertise verfügt, wird er einen erfahrenen Sanierungsberater hinzuziehen. Bei einer erfolgreichen Sanierung kann das Mandat bestehen bleiben.

Zu klären ist vordringlich die Frage, ob das Unternehmen akut insolvenzreif ist und ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Liegt noch keine Zahlungsunfähigkeit vor, sondern nur drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, kommt in geeigneten Fällen eine gerichtlich begleitete Sanierung in Eigenverwaltung in Betracht. In der Eigenverwaltung gibt es keinen Insolvenzverwalter. Das Schuldnerunternehmen behält die Kontrolle und wird lediglich durch einen Sachwalter überwacht. Es nimmt selbst eine Vielzahl von Aufgaben wahr, die im Regelverfahren durch einen Insolvenzverwalter erledigt werden. Der Sachwalter ist für die Führung der Insolvenztabelle und Insolvenzanfechtungen zuständig. Im Insolvenzplan kann das Sanierungskonzept durch den Insolvenzschuldner maßgeschneidert werden. Hierbei ist die Unterstützung durch erfahrene Sanierungsberater erforderlich, die entweder unmittelbar zu Sanierungsgeschäftsführern oder Generalbevollmächtigten bestellt werden. Das Planverfahren dient insbesondere dazu, den Unternehmensträger selbst zu restrukturieren und einen Schuldenschnitt durchzuführen, unrentable Vertragsverhältnisse und bestehende Dauerschuldverhältnisse (etwa Mietverträge) vorzeitig zu beenden und Personal mit gesetzlich gedeckelten Kosten abzubauen.

Eine außergerichtliche Restrukturierung kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Krisenursachen beim Schuldner liegen und durch eigene Kraftanstrengung oder gezielte Hilfe Dritter (etwa einen Investor) beseitigt werden können. Das setzt oftmals voraus, dass noch genügend Liquidität vorhanden ist, um die Restrukturierungskosten zu decken. Neben den betriebswirtschaftlichen müssen hier auch zahlreiche rechtliche Fragen beantwortet werden, was eine qualifizierte Begleitung erfordert.

Fazit und Ausblick
Die außergerichtliche oder gerichtliche Sanierung bietet oftmals gute Chancen, das Mandatsverhältnis zu behalten und im Erfolgsfall zu stärken. Dabei bedarf es eines wachen Blicks für die insolvenzrechtlichen Risiken und Fragestellungen. Die Mitwirkung von erfahrenen Restrukturierungsexperten ist erforderlich.

wilken.beckering@bblaw.com

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