Man redet nicht gerne darüber, aber es kommt sozusagen in den besten Familien vor: Ein Mandant nimmt zwar die Rechtsberatung einer Anwaltssozietät in Anspruch, rügt auch keine Beratungs- oder sonstigen Fehler, zahlt dann aber die Honorarrechnung nicht. Die Gründe hierfür können fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ein mangelndes Verständnis der Schwierigkeit oder Komplexität der Angelegenheit, der Unmut über die so nicht erwartete Höhe der Rechnung oder eine sonstige Unzufriedenheit mit der Beratung oder dem konkreten Berater sein. Die betreffende Sozietät steht dann vor der Entscheidung, ob sie sich den Aufwand einer gerichtlichen Geltendmachung zumuten oder die Forderung wegen der voraussichtlichen Uneinbringlichkeit oder im Hinblick auf eventuelle Folgemandate oder Empfehlungen schlicht ausbuchen soll. Als eine Art „Maßnahme dazwischen“ bietet sich die Beantragung eines Mahnbescheids an. Das verursacht zum einen noch relativ wenig Zeit- und Kostenaufwand, und zum anderen zeigt es dem Mandanten, dass man die Sache eben nicht auf sich beruhen lassen will. Schlussendlich eröffnet ein Mahnbescheid die Möglichkeit, sehr schnell und unkompliziert einen Vollstreckungstitel zu erhalten – nämlich den Vollstreckungsbescheid. Diese Möglichkeit ist insbesondere dann durchaus realistisch, wenn der Mandant gegen die Beratung und die Rechnung eigentlich keine Einwände erhebt, sondern nur schlicht nicht zahlen kann oder will, was sich zukünftig aber ändern könnte. Last, but not least, ist die Beantragung eines Mahnbescheids das einfachste Mittel, um die Hemmung einer drohenden Verjährung eintreten zu lassen (§ 204 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alt. BGB) – vorausgesetzt natürlich, dass der Mahnbescheid „demnächst“ zugestellt werden wird (§ 167 ZPO). Das bedeutet, dass man gerade in dem Fall einer drohenden Verjährung keine Fehler machen sollte, die die Zustellung verzögern könnten.
Das zuständige Mahngericht: Hessen …
Nun ist die Bewältigung des Formulars eines Mahnbescheids sicherlich kein Hexenwerk und wird auch Anwaltsbüros,die keine eigene Mahn- oder Prozessabteilung unterhalten, nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen. Die möglicherweise einzige Überlegung, die man mitunter vernachlässigen könnte, ist die Klärung der Zuständigkeit des Gerichts, an das der Mahnantrag zu richten ist. Das scheint deshalb nicht schwierig zu sein, weil gemäß § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausschließlich das Amtsgericht zuständig ist, bei dem der Gläubiger seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Hat der Gläubiger seinen Sitz beispielsweise in Frankfurt am Main, ist das Amtsgericht Hünfeld als das in Hessen zentrale Mahngericht zuständig, und es ist naheliegend, dass auch die – in der Regel nicht gerade kleinen – Frankfurter Büros US-amerikanischer Sozietäten dieses Gericht mit der Beantragung eines Mahnbescheids gegen einen säumigen (Ex-)Mandanten anrufen. Genau dies war in dem hier zu berichtenden Fall im Juli 2019 geschehen, und zwar glücklicherweise ohne eine Verjährungsproblematik. Das Ergebnis war eine Monierung des AG Hünfeld als Mahngericht, weil die antragstellende Sozietät – logischerweise – eine Anschrift im Inland angegeben hatte (Frankfurt am Main), aber – ebenso logischerweise – eine ausländische Rechtsform (typischerweise die LLP). Das Amtsgericht Hünfeld forderte daher dazu auf, seine Zuständigkeit zu begründen oder Nachweise vorzutragen, aus der sich der „Sitz des Unternehmens im Ausland ergibt“. Habe der Antragsteller im Inland nämlich keinen allgemeinen Gerichtsstand, sei für das Mahnverfahren ausschließlich das Amtsgericht Wedding in Berlin zuständig (§ 689 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Für die betroffene Anwaltssozietät war das ein etwas abstruser Gedanke. Der Hauptsitz von US-Anwaltssozietäten ist zwar sicherlich nicht in Frankfurt am Main verortet, gleichwohl unterhält ein dortiges Büro – insbesondere, wenn es über eine entsprechende Größe verfügt – eine eigene Verwaltung, kann jedenfalls gemäß § 21 ZPO dort verklagt werden und dort auch Klage gegen säumige Mandanten erheben, wenn es sich bei dem Mandanten um einen EU-Ausländer handelt [Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO] oder mit prorogationsfähigen Mandanten eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde. Die Forderung gegen den säumigen Mandanten wurde außerdem in dem Inlandsbüro der US-Sozietät begründet, und möglicherweise handelte es sich bei dem säumigen Mandanten auch um eine inländische Gesellschaft oder eine natürliche Person mit Sitz im Inland. Kurz: Ein Auslandsbezug war nicht erkennbar. Außerdem sind die Berufsträger des Büros als in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte Teil der hiesigen Rechtspflege und unterstehen der Aufsicht der entsprechenden Rechtsanwaltskammern in Land und Bund. Damit lag eine Vergleichbarkeit zu Banken und Versicherungen vor. Diese unterstehen ebenfalls naturgemäß staatlicher Aufsicht, weshalb für ausländische Versicherungen und Banken, die im Inland eine selbständige Niederlassung unterhalten – und gerade kein Büro in eigener, nationaler Rechtsform –, anerkannt ist, dass deren Gerichtsstand i.S.v. § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO am Ort des Sitzes der Niederlassung belegen ist (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. [2020], § 689 ZPO Rn. 3 m.w.N.). Das waren reichlich gute Gründe, die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hünfeld für den vom Frankfurter Büro der US-Sozietät beantragten Mahnbescheid zu begründen – und zwar auch, um insoweit Klarheit zu schaffen, für alle in Frankfurt am Main ansässigen Rechtanwaltsbüros, die nicht in einer heimischen Rechtsform organisiert sind und hier keinen Hauptsitz haben.
… oder Berlin?
So wurde dann auch verfahren, bedauerlicherweise mit dem Ergebnis eines Beschlusses des Amtsgerichts Hünfeld – da war es schon September –, dass das Mahnverfahren an das Amtsgericht Wedding abgegeben werde (der entsprechende Verweisungsantrag wurde sicherheitshalber hilfsweise gestellt). Das war indes nicht das Ende vom Lied, sondern es ging dann eigentlich erst richtig los. Das Amtsgericht Wedding forderte den Antragsteller – also das Frankfurter Büro der US-Sozietät – nämlich auf, „zur Begründung der hiesigen Zuständigkeit“ die ausländische Anschrift mitzuteilen. Damit befand sich das Büro in einem gewissen Dilemma: Zunächst einmal sind viele US-Sozietäten zwar in der einheitlich erscheinenden Rechtsform der LLP organisiert, die LLP kann aber in unterschiedlichen US-Bundesstaaten errichtet worden und dort jeweils registriert sein. Bekannt und bewährt ist insoweit der US-Bundesstaat Delaware, wo aber faktisch kein Büro und erst recht keine Verwaltung der Sozietät unterhalten werden. Des Weiteren hat eine US-Sozietät keine einheitliche „Anschrift“, sondern unterhält in den USA oft mehrere Standorte, auf die dann auch Organisation und Verwaltung verteilt sein können; es gibt also in der Regel keinen spezifischen „Hauptsitz“. Damit blieb abseits jeder Bockigkeit gegenüber dem Amtsgericht Wedding nur die Flucht nach vorn, nämlich die Darlegung der Unzuständigkeit dieses Mahngerichts und der tatsächlich gegebenen Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen Amtsgerichts Hünfeld – auch motiviert durch das Bestreben, die Feststellung eines einheitlichen Mahngerichts für alle Frankfurter Büros von US-Anwaltssozietäten zu ermöglichen.
Vom AG Wedding über das AG Hünfeld an das OLG Frankfurt am Main
Nur: Das Amtsgericht Hünfeld hatte sich ja mit Beschluss für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Wedding abgegeben, und dieser Beschluss konnte als Verweisungsbeschluss gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbar sein. Die Frage war also: Wie findet man den Weg zu einer Überprüfung der Zuständigkeit zurück? Hier half und hilft eine ausführlich begründete Entscheidung des 1. Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23.04.2002 (Az. 1Z AR 38/02; DB 2002, 1545 = BB 2002 1437/1438 = RPfleger 2002, 528/529), die Folgendes beinhaltet:
• Wenn bei einem Amtsgericht ein Mahnantrag eingeht, das Amtsgericht sich gemäß § 689 Abs. 2 ZPO für nicht zuständig hält, der Antragsteller dann – wie üblich – hilfsweise beantragt, das Mahnverfahren an das (vermeintlich) zuständige Amtsgericht abzugeben und das zuvor angerufene Amtsgericht dem entspricht, handelt es sich um eine formlose Abgabe. Es handelt sich dabei nicht um eine Verweisung i.S.v. § 281 ZPO, die erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit möglich wäre; auf die Bezeichnung oder die Art der Entscheidung über die Abgabe des Mahnverfahrens („Beschluss“, „Verweisungsbeschluss“, „Verfügung“ etc.) kommt es dabei nicht an. Das hat zunächst zur Folge, dass § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht anwendbar ist und demzufolge auch das Rechtsmittel der Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG nicht einschlägig ist.
• Die Bestimmung der Zuständigkeit erfolgt dann in einem Verfahren analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Rahmen eines Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens. Zuständig ist analog § 36 Abs. 2 ZPO in diesem Fall das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main als da Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das zuerst angerufene Gericht (= Amtsgericht Hünfeld) gehört.
Das musste man nun dem Amtsgericht Wedding erklären, das sich schließlich – mittlerweile Mitte Oktober – mit Beschluss für örtlich unzuständig erklärte, die Angelegenheit aber nicht an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ab-, sondern an das Amtsgericht Hünfeld zurückgab („gegebenenfalls wäre von dort die Vorlage an das OLG Frankfurt zur Bestimmung der Zuständigkeit zu veranlassen“). Es dauerte dann noch einen weiteren Monat, bis das Amtsgericht Hünfeld die Absicht mitteilte, die Akte dem OLG Frankfurt am Main vorzulegen, was dann schließlich mit Beschluss von Anfang Dezember erfolgte. Die abschließende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erfolgte durch Beschluss des 14. Zivilsenats in (Hünfeld!) Kassel vom 23.01.2020 (Az. 14 SV 2/20, nicht veröffentlicht) und war zwar klarstellend, aber im Ergebnis etwas ernüchternd. Das OLG Frankfurt am Main bestätigte die Rechtsaufassung des Amtsgerichts Hünfeld, wonach der Antragsteller – also das Frankfurter Büro der US-Sozietät – im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand habe, und bestimmte das AmtsgerichtWedding als zuständiges Mahngericht. Das Frankfurter Büro der US-Sozietät möge zwar als selbständige Niederlassungzu qualifizieren sein, dies eröffne aber keinen allgemeinen Gerichtsstand i.S.v. § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die gegenteilige Auffassung, betreffend die Niederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmen, beruhe auf den besonderen Vorschriften der §§ 105 f. VAG, die rechtfertigen würden, eine rechtlich unselbständige Niederlassung im inländischen Rechtsverkehr wie eine selbständige Rechtspersönlichkeit zu behandeln (zu den inländischen Niederlassungen ausländischer Banken sagte das Oberlandesgericht nichts). Auf die eigenständige Organisation des Frankfurter Büros und eine unabhängige Mandatsbetreuung und -gewinnung komme es ebenso wenig an wie auf die Tatsache, dass die ortsansässigen Partner im Namen der Partnerschaft Mandate annehmen und Honorarvereinbarungen abschließen könnten. Das rechtfertige keine Gleichstellung mit einer selbständigen Rechtspersönlichkeit. Auch das besondere Zulassungsverfahren für deutsche Rechtsanwälte und die damit einhergehende Aufsicht durch die zuständigen Rechtsanwaltskammern könnten nicht dazu führen, einzelne Standorte wie eine selbständige Rechtspersönlichkeit zu behandeln; letztlich ginge es um personenbezogene Regelungen, die auch für angestellte Rechtsanwälte gölten.
Damit war die Zuständigkeit des Mahngerichts geklärt; gleichwohl gab es ein kleines Nachspiel. „Um das Verfahren weiterbetreiben zu können“, benötigte das Amtsgericht Wedding – dann schon im Februar 2020 – noch eine zustellungsfähige Anschrift im Ausland (um auch weiterhin Zustellungen im Inland zu ermöglichen, wurden dankenswerterweise die deutschen Anwälte der US-Sozietät in Frankfurt am Main als Prozessbevollmächtigte eingetragen). Um dem zu entsprechen, musste man nun über den eigenen Schatten springen und als Anschrift des Antragstellers eine Büroanschrift in den USA angeben, um den im Juli 2019 beantragten Mahnbescheid zu erhalten.
Fazit
Bei der Einziehung von Honorarforderungen (oder sonstigen Forderungen in eigener Sache) per Mahnbescheid haben sich inländische Standorte US-amerikanischer Rechtsanwaltssozietäten an das Amtsgericht Wedding in Berlin zu richten und in dem Mahnbescheid eine ihrer Anschriften im Ausland anzugeben; die im Inland tätigen Rechtsanwälte sind dann Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers. Begegnet man beim Amtsgericht Wedding Zuständigkeitsbedenken, kann man sich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23.01.2020, Az. 14 SV 2/20, berufen; gegebenenfalls ist schon im Antrag ein Hinweis auf diese Entscheidung sinnvoll.
Exkurs und Abgrenzung
Die dargestellte Entscheidung gilt nicht für Anwaltssozietäten, die in einer ausländischen Rechtsform organisiert sind – also beispielsweise einer LLP –, aber ihren einzigen Sitz oder zumindest Hauptsitz im Inland haben. Für diese ist die Zuständigkeit gemäß § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO unproblematisch gegeben (Amtsgericht Hünfeld vom 22.06.2007, Az. 06-1713139-19-N).