Die Covid-19-Pandemie stellt Unternehmen und Privatpersonen vor besondere Herausforderungen. Aber auch Schiedsrichter, Anwälte und die Justiz mussten sich auf die neuen Anforderungen einstellen, die Reisebeschränkungen, Quarantäne und Kontaktbeschränkungen mit sich bringen. Während viele Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Home-Office schickten, Besprechungen als Telefon- oder Videokonferenz abgehalten wurden und auch im privaten Bereich noch mehr als sonst auf digitale Kommunikationsmittel zurückgegriffen wurde, versuchten staatliche Gerichte und Schiedsgerichte, ihren Betrieb bestmöglich aufrechtzuerhalten. Gerade in Situationen wie dieser kann die Schiedsgerichtsbarkeit dabei gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit durch die höhere Flexibilität punkten.
Während für Verfahren vor staatlichen Gerichten in Deutschland strenge Regelungen beispielsweise zur Einleitung und zum Ablauf des Verfahrens, für die Zustellung von Schriftstücken während des Verfahrens sowie für die Kommunikation der Parteien mit dem Gericht sowie der Parteien untereinander gelten, beschränken sich die Vorgaben im Schiedsverfahren auf einige wesentliche Grundsätze wie unter anderem das rechtliche Gehör, die Gleichbehandlung der Parteien sowie die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsgerichts.
Bereits vor der Pandemie flexible Verfahrensführung möglich und üblich
Bereits vor der Pandemie war es in Schiedsverfahren üblich, dass sich die Parteien auf digitale Kommunikation verständigten. Dies beinhaltete zumeist auch die Vereinbarung ausschließlich elektronischer Kommunikation zur Einreichung von Schriftsätzen über entsprechende Plattformen oder verschlüsselte E-Mail-Korrespondenz. Das Schiedsgericht hat darüber hinaus grundsätzlich die Möglichkeit, die Durchführung einer Videokonferenz festzusetzen.
In Verfahren vor staatlichen Gerichten gibt es seit Einführung des § 128a ZPO im Jahr 2013 die Möglichkeit, mündliche Verhandlungen im Wege der Videokonferenz abzuhalten. Von dieser Möglichkeit wurde in der Vergangenheit jedoch nur sehr selten Gebrauch gemacht. Dies liegt zum einen daran, dass nicht flächendeckend die erforderliche technische Ausstattung bei den Gerichten vorhanden ist, um mündliche Verhandlungen als Videokonferenz abzuhalten. Zum anderen dürfte bei vielen Richtern die Skepsis gegenüber einer Videoverhandlung recht groß sein. Sofern es sich um Rechtsstreitigkeiten unter ausschließlicher Beteiligung ortsansässiger Parteien und Rechtsanwälte handelt, dürfte der Aufwand, den die Vorbereitung einer Videokonferenz verursacht, auch in keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen, die aktuelle Ausnahmesituation einmal ausgenommen.
Ganz anders sieht es in nationalen und vor allem internationalen Schiedsverfahren aus. Hier war die Bereitschaft, auch digitale Kommunikationsmittel heranzuziehen, bereits vor der Pandemie deutlich größer. Virtual Hearings bieten die Möglichkeit, lange Reisezeiten zu vermeiden.
Die gesamte mündliche Verhandlung als Videokonferenz abzuhalten war jedoch selbst in Schiedsverfahren bisher nicht gängige Praxis. Vielmehr wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung für einzelne Zeugenbefragungen oder Befragungen von Sachverständigen auf Videotechnik zurückgegriffen. So war es möglich, lange Anreisen von Zeugen und Sachverständigen und damit verbundene Reisezeiten und -kosten zu vermeiden.
Dies könnte sich jedoch durch die aktuelle Situation ändern. Da mündliche Verhandlungen in Anwesenheit aller Beteiligten aufgrund geltender Reisebeschränkungen und Abstandsgebote gerade bei internationalen Verfahren und vielen Beteiligten kaum zu realisieren sein dürften, bieten Virtual Hearings eine sehr gute, wenn nicht sogar die einzige Alternative, will man die Verhandlung nicht weitreichend verschieben.
Die Entscheidung, ob in einem Verfahren von der Möglichkeit eines Virtual Hearings Gebrauch gemacht werden soll, sollte dennoch gut überlegt werden, da nicht jedes Verfahren dafür gleich gut geeignet ist. Es gibt viele Faktoren, die bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollten. Dies können neben dem Zeit- und Kostenaspekt vor allem die Anzahl der Teilnehmer, die zu erwartende Dauer der mündlichen Verhandlung oder aber auch der Umfang einer möglichen Beweisaufnahme sein, um nur einige wenige zu nennen. Die technischen Anforderungen sollten natürlich ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, wobei die meisten beteiligten Unternehmen, Kanzleien und Schiedsrichter ohnehin über die entsprechende Ausstattung verfügen dürften.
Zustimmung beider Parteien erforderlich?
Kontrovers diskutiert wird, ob mündliche Verhandlungen nur dann im Wege der Videokonferenz abgehalten werden können, wenn alle Parteien dem zustimmen, oder ob das Schiedsgericht die Durchführung einer Videokonferenz auch gegen den Willen einer oder mehrerer Parteien anordnen kann.
Die Durchführung von mündlichen Verhandlungen im Wege der Videokonferenz ist unproblematisch möglich, wenn alle Beteiligten dem zustimmen. Schwieriger wird die Situation, wenn die Parteien (eventuell auch nur eine) nicht damit einverstanden sind, die mündliche Verhandlung im Weg der Videokonferenz durchzuführen. Schiedsrichter werden daher vermutlich auf Nummer Sicher gehen und Videokonferenzen für die mündliche Verhandlung nur anordnen, wenn alle Parteien damit ausdrücklich einverstanden sind oder sich wenigstens nicht dagegen sperren.
Gute Vorbereitung ist unverzichtbar
Die Durchführung eines Virtual Hearings erfordert eine sehr gute und gründliche Vorbereitung. Bereits in einem sehr frühen Stadium sollte festgelegt werden, mit welchen technischen Grundlagen gearbeitet werden soll.
Es muss sichergestellt sein, dass alle Verfahrensbeteiligten zu jeder Zeit Zugang zu der mündlichen Verhandlung haben. Sobald die Verbindung eines der Beteiligten unterbrochen wird, muss das Verfahren unterbrochen werden.
Um Störungen der Verhandlung bestmöglich zu vermeiden, ist es zwingend erforderlich, dass sich alle Beteiligten mit der eingesetzten Technik vertraut machen und dass im Vorfeld des Hearings mindestens ein Testlauf durchgeführt wird. Dieser sollte mit ausreichend zeitlichem Vorlauf vor dem eigentlichen Virtual Hearing durchgeführt werden, um noch genügend Zeit zu haben, möglicherweise auftretende technische Probleme beheben zu können. Während der Vorbereitung, aber auch während des Hearings, sollte sichergestellt sein, dass im Bedarfsfall technischer Support, vor Ort oder virtuell, hinzugezogen werden kann. Besondere Herausforderungen bestehen bei der Vernehmung von Zeugen, auf die hier aber nicht eingegangen werden soll.
Effizienzsteigerung und Kostenersparnis
Bei guter Vorbereitung und entsprechender technischer Ausstattung steht ein Virtual Hearing einer mündlichen Verhandlung in nichts nach. Es bringt jedoch erhebliche Vorteile hinsichtlich Zeit- und Kosteneffizienz. So bieten Virtual Hearings die Möglichkeit, lange Reisezeiten einzusparen. Dadurch kann zum einen deutlich flexibler und mit weniger Zeitaufwand geplant werden. Zum anderen werden oft erhebliche Reisekosten und Saalmieten für Verhandlungsräume vermieden.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob die Beteiligten in Schiedsverfahren nach dem Ende der Covid-19-Pandemie wieder dahin zurückkehren, mündliche Verhandlungen offline durchzuführen, oder ob die Pandemie insoweit eine langfristige Veränderung mit sich bringt. Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass die Entscheidung, eine mündliche Verhandlung im Schiedsverfahren als Virtual Hearing durchzuführen, gut überlegt sein sollte. Viele Faktoren sind dabei zu berücksichtigen. Denn nicht jedes Verfahren ist gleich gut geeignet für die Durchführung eines Virtual Hearings.
In jedem Fall ist eine gute Vorbereitung unverzichtbar. Insbesondere müssen im Vorfeld die erforderlichen technischen Voraussetzungen geschaffen und ausreichend getestet werden, um eine Störung der Verhandlung zu vermeiden Bei guter Planung und Vorbereitung können Virtual Hearings jedoch eine sehr gute Alternative zu einer Präsenzverhandlung sein.