In dieser Ausgabe des Deutschen AnwaltSpiegels setzen wir die Interviewreihe LegalChampions fort, in der die Redaktion dieses Onlinemagazins (Managing) Partnern in Sozietäten, Unternehmensjuristen und Kooperationspartnern die immer gleichen fünf Fragen zum Umgang mit und zu den Folgen der Coronakrise stellt. Wir möchten so Transparenz schaffen in Bezug auf die wichtigen und sich schon jetzt abzeichnenden nachhaltigen Veränderungen im Rechtsmarkt. Und wir möchten Trends aufzeigen in einer schwierigen Phase, in der gutes Management entscheidend ist für den erfolgreichen Weg durch unsichere Zeiten für Sozietäten, Mandanten und Dienstleister. Über die positive Resonanz aus dem Markt freuen wir uns sehr.
Fünf Fragen an: Helge Köhlbrandt,General Counsel Deutschland,Nestlé, Frankfurt am Main
Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist Nestlé bisher durch die Coronakrise gekommen?
Köhlbrandt: Alarmiert durch die Entwicklungen in China, war Nestlé eines der ersten Unternehmen weltweit, welches ein striktes Reiseverbot erlassen hat, um die Ausbreitung von Coronainfektionen zu verhindern.
Dies war eine von vielen einschneidenden und schnellen Maßnahmen, die die Unternehmensführung von Nestlé schon früh mit Hinblick auf die oberste Priorität, nämlich die Aufrechterhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter, getroffen hat. Ein strenges Hygienekonzept, die Bitte und Empfehlung an die Mitarbeiter, soweit wie möglich von zu Hause aus zu arbeiten, sowie ein klar strukturiertes Krisenmanagement haben es uns möglich gemacht, die Zahl der Infektionen und damit auch der krankheitsbedingten Ausfälle von Mitarbeitern sehr gering zu halten und damit unsere zweite Priorität, nämlich die Aufrechterhaltung der Produktion und Lieferkette zur Grundversorgung der Bevölkerung ebenfalls umzusetzen.
Dies ging einher mit dem Wunsch der Unternehmensführung, dafür zu sorgen, dass etwaige soziale Auswirkungen der Krise auf unsere Mitarbeiter abgefedert werden und Nestlé einen sozialen Beitrag zum Gemeinwohl erbringt. Hier sind unter anderem große finanzielle Unterstützungen des Roten Kreuzes durch Nestlé sowie durch Mitarbeiterspenden zu nennen. Besonders gefreut haben wir uns auch darüber, dass wir uns mit über 9.000 Paketen bei zahlreichen Pflegediensten und Bediensteten der Krankenhäuser für deren Hilfe bedanken konnten.
Wirtschaftlich gesehen, hat die Coronakrise weltweit für Nestlé natürlich ebenfalls gravierende Auswirkungen, und zwar zum Teil gegensätzlicher Art. Während die Absätze für Nahrungsmittel für die Grundversorgung nachvollziehbarerweise deutlich anstiegen, sind uns auf der anderen Seite ganze Vertriebskanäle wie die Gastronomie und der übrige Außer-Haus-Markt fast vollständig weggebrochen.
Insgesamt also ein sehr gemischtes Bild, bei dem Umsatzausfälle in einigen Kategorien durch massive Zuwächse weitgehend kompensiert oder überkompensiert wurden.
Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen als auch mit Blick auf den Markt?
Köhlbrandt: Nestlé ist ein krisenerprobtes Unternehmen, was uns jetzt einmal mehr zugutegekommen ist. Umfangreiche interne Prozesse und Vorgaben, über deren Komplexität wir uns bei Nestlé eigentlich sonst immer aufregen, haben sich im Krisenmodus nicht nur als hilfreich, sondern auch als sehr effizient und damit als Gold wert erwiesen. Das gesamte Räderwerk funktioniert derzeit mit einer Präzision und Schnelligkeit, auf die wir wirklich stolz sind.
Denn aufgrund der weltweit angeordneten Lockdowns etc. verbringen die Menschen den Großteil ihrer Zeit zu Hause und haben damit auch einen deutlich höheren Bedarf an Lebensmitteln, um daheim zu kochen.
Dies hat auch bei Nestlé zu einem immensen und natürlich unvorhersehbaren Anstieg des Absatzes in einigen Kategorien und Produktgruppen geführt, wie zum Beispiel bei Maggi und Thomy sowie bei Herta Wurstwaren und Wagner Pizza. Insgesamt standen wir vor der riesigen Herausforderung, von heute auf morgen über 30% mehr Volumen und Waren für den Handel zu produzieren und zu transportieren. Dank der hohen Motivation und Solidarität der Mitarbeiter, die ja zum Teil auch gleichzeitig ihre Kinder zu Hause betreuen mussten oder krankheitsbedingt ausfielen, konnten wir aber unsere hohe Lieferquote aufrechterhalten und fast alle Fabriken europaweit mit voller Auslastung produzieren lassen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheinen ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?
Köhlbrandt: Mangels Alternativen hat sich auch die Rechtsabteilung auf ein Arbeiten im Home-Office eingestellt und gewöhnt und bildet jetzt ein virtuelles Team.
Wie alles hat auch dieser Umstand positive wie negative Seiten. Positiv ist zu vermerken, dass ein Arbeiten als virtuelles Team sowohl im Ablauf wie auch hinsichtlich der technischen Voraussetzungen funktioniert. Der vielfach geäußerte Wunsch von Mitarbeitern nach mehr Flexibilität und Arbeiten von unterwegs und zu Hause ist nun für alle Realität geworden (und hat sich bei vielen schon in den gegenteiligen Wunsch verkehrt …)
Negativ ist zu erwähnen, dass der Teamzusammenhalt unter der derzeit erzwungenen oder doch erbetenen Isolation deutlich leidet. Auch wenn wir verstärkt auch Videocalls und Teammeetings per Skype & Co. auf die Agenda setzen, geht etwas verloren – nämlich der ungezwungene Austausch untereinander, das gemeinsame Lachen und Mittagessen, unter anderem die „Social Time“, die sonst miteinander verbracht wird.
Die Auswirkungen der Krise auf die Arbeitswelt sind bisher nur bruchstückhaft abzuschätzen. Da wir bei Nestlé einen sehr strikten Kurs in Sachen Mitarbeiterschutz weiterfahren und in diesem Zuge auch unser Dienstreiseverbot und damit auch das Verbot internationaler physischer Meetings erneut verlängert haben, rechnen wir damit, dass wir noch sehr lange und gegebenenfalls dauerhaft vermehrt im Home-Office arbeiten werden. Inwieweit dies aber bei der – bei uns tatsächlich akut laufenden – Neuplanung von Büroflächen zu einer Verringerung der benötigten Gesamtflächen führt, oder ob die nötigen Abstandsregelungen dauerhaft eher eine Erhöhung des Quadratmeter-pro-Kopf-Bedarfs zur Folge haben, ist schwer einzuschätzen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?
Köhlbrandt: Absolut. Die früheren Fragen über die Notwendigkeit der Digitalisierung in der Arbeitswelt haben sich mit Eintritt der Coronakrise von selbst beantwortet.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen gewaltigen Schub bei der Einführung digitaler Lösungen für die virtuelle Zusammenarbeit von Organisationen geben wird.
Das Gute am gegenwärtigen Arbeiten im Krisenmodus ist dabei, dass sich diejenigen digitalen Lösungen und Legal-Tech-Angebote durchsetzen werden, die man wirklich braucht, und nicht die, die Probleme zu lösen versprechen, die man in der Praxis gar nicht hat.
Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?
Köhlbrandt: Es wird ein Ausnahmejahr bleiben, bei dem der Wunsch nach Normalität wie vor Corona ein solcher bleiben wird, weil die neue Normalität leider anders aussehen wird.
Dementsprechend gilt es auch für Nestlé und andere Unternehmen jetzt schon den Blick auf das Morgen zu lenken, um sich selbst und das Produktportfolio auf neue Trends, Lebens-, Arbeits- und Essgewohnheiten der Menschen einzustellen und Lösungen dafür zu schaffen. So wird das Thema „Home“ in Zukunft eine ganz neue Verstärkung erfahren, was sich auf viele Bereiche wie Entertainment, Kommunikation, Koch- und Essgewohnheiten und anderes mehr erheblich auswirken wird.
Fünf Fragen an: Dr. Hubertus Kolster, Managing Partner, CMS, Berlin
Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist CMS bisher durch die Coronakrise gekommen?
Dr. Kolster: Unsere Sozietät ist bisher erstaunlich gut durch die Krise gekommen. Das Arbeiten von zu Hause hat sehr gut funktioniert, und Auslastung sowie Umsätze sind auf Budgetniveau.
Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen der Sozietät als auch mit Blick auf den Markt?
Dr. Kolster: Unsere dezentrale Aufstellung in Deutschland mit den acht Standorten ist im Hinblick auf die organisatorische und administrative Umsetzung der Coronamaßnahmen sehr hilfreich. Dadurch waren wir in der Lage, unterschiedlichen regionalen Anforderungen flexibel und angepasst Rechnung zu tragen. Die interne Aufstellung in kleineren Teams hat sich bei der Mandatsarbeit ebenfalls bewährt, da diese sich schnell auf Zuruf oder über Skype und Microsoft-Teams-Besprechungen abstimmen konnten. Im Hinblick auf den Markt hilft uns sehr unsere breite Aufstellung in unterschiedlichen Geschäftsbereichen. So können wir Rückgänge etwa bei M&A-Aktivitäten durch Bereiche wie Restrukturierung, Commercial, Arbeitsrecht und Dispute-Resolution zu großen Teilen auffangen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheinen ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?
Dr. Kolster: Eine Präsenz im Büro wird sicher zur Ausbildung, zur Abstimmung im Team, zum informellen Austausch mit Kollegen, aber auch zur Aufrechterhaltung eines positiven Spirits nach wie vor wichtig bleiben. Allerdings hat die Zeit im Home-Office gezeigt, dass das Arbeiten außerhalb des Büros mit all den technischen Möglichkeiten hervorragend funktioniert, so dass es darum gehen wird, hier die richtige Balance zwischen Präsenz im Büro und flexiblem Arbeiten von außerhalb zu finden. Dies kann sich dann auch auf die Planung von Büroflächen und deren Reduktion auswirken. Darüber hinaus haben wir alle festgestellt, dass nicht immer jede Dienstreise erforderlich ist, sondern sich Termine oder Meetings zum Teil auch mit mehreren Teilnehmern über Skype und Microsoft Teams genauso gut erledigen lassen, so dass ich von einer deutlich geringeren Reisetätigkeit ausgehe.
Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?
Dr. Kolster: Dass es einen Digitalisierungsschub geben wird, davon bin ich schon lange ausgegangen, und das wird durch die Coronakrise nur noch verstärkt. Alle haben erkannt, wie wichtig die Verfügbarkeit von Daten und der mobile Zugriff darauf sind. Und wenn es ein Gutes an der Krise gegeben hat, dann mag das in diesem Schub liegen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?
Dr. Kolster: Es ist aus meiner Sicht nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Geschäftstätigkeiten im zweiten Halbjahr noch auf deutlich reduziertem Niveau laufen werden, was auch Auswirkungen auf den Rechtsmarkt haben wird. Ich denke aber auch, dass die Geschäftsaktivitäten 2021 wieder deutlich an Fahrt aufnehmen werden.
Fünf Fragen an: Dr. Kim Manuel Künstner, Partner Kartellrecht & Head of Marketing, Schulte Riesenkampff, Frankfurt am Main
Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist Schulte Riesenkampff bisher durch die Coronakrise gekommen?
Dr. Künstner: Bislang sind wir als Kanzlei gut durch die Coronakrise gekommen. Wenn überhaupt, ist teilweise eine „Zeitkrise“ entstanden, weil für einige Mitarbeiter plötzlich die Kinderbetreuungsmöglichkeiten entfielen. Arbeit gab es und gibt es dagegen weiterhin, auch wenn man eine deutliche Verlagerung in der Schwerpunktsetzung bei den Mandanten gespürt hat, insbesondere in Richtung Arbeitsrecht.
Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen der Sozietät als auch mit Blick auf den Markt?
Dr. Künstner: Wir zeichnen uns dadurch aus, dass Mandanten in aller Regel sehr eng und treu mit uns zusammenarbeiten. Aufgrund dieses Vertrauens waren wir für viele Mandanten der erste Ansprechpartner in der Krise. Dies zeigt uns, dass unser Geschäftsmodell auch in schwierigen Zeiten funktioniert und wir auch in Zukunft immer die langfristige, umsichtige und für den Mandanten optimale Rechtsberatung höher gewichten sollten, als nur auf den kurzfristigen Umsatz des individuellen Partners zu schielen.
Hinsichtlich der internen Struktur hat sich die Flexibilität einer kleinen Einheit bewährt. Wir konnten als Gruppe sehr schnell auf alle notwendigen Änderungen wie Hygieneregeln, IT-Umstellungen, Fernbetreuung durch Assistentinnen reagieren, aber dabei auch die individuellen Bedürfnisse einzelner Mitarbeiter berücksichtigen. Umgekehrt haben alle Kollegen mitgezogen. Die flachen Hierarchien funktionieren also auch in der Krise sehr gut.
Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheinen ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?
Dr. Künstner: Es hat sich bestätigt, dass das Klischee vom faulenzenden Mitarbeiter im Home-Office eben nur ein solches ist. Umgekehrt haben viele Mitarbeiter selbst schnell gemerkt, dass ihnen der direkte Austausch mit den Kollegen fehlt und es auch psychologisch manchmal gar nicht so angenehm ist, Arbeit und Zuhause zu stark zu vermischen. Unser Eindruck ist daher, dass die Mitarbeiter selbst die Bürozeiten nicht einfach durch Home-Office ersetzen wollen, sondern Flexibilität schätzen. In diesem Sinn nutzten unsere Mitarbeiter das Home-Office bereits in der Vergangenheit, etwa bei Streiks im Nahverkehr oder aus anderen Anlässen, die eine Anwesenheit im Büro erschwerten.
Eine Reduktion bestimmter Dienstreisen nach der Krise ist vorstellbar. Umgekehrt sieht man auch hier, dass die bloße Videotelefonie gerade atmosphärisch keinen vollwertigen Ersatz bietet. Wenn man aber den Aufwand für die Anreise beispielsweise für überschaubare Gerichtstermine betrachtet, begrüßen wir die Option, solche Termine künftig per Videotelefonie wahrzunehmen.
Im Übrigen setzen wir trotz der Trenderscheinung „Großraumbüro“ bei manchen Kanzleien auch unter dem Eindruck der Coronakrise weiterhin auf Einzelbüros. Zumindest unserem Beratungsprofil entsprechend, besteht die Arbeit zu großen Teilen aus (telefonischen) Gesprächen mit Mandanten und konzentrierter rechtlicher Bewertung, die dann im Team abgestimmt und abgesichert wird. Auch in Zukunft sollen und werden unsere Anwälte daher ab dem ersten Tag einen eigenen Rückzugsort für ein vertrauensvolles und ruhiges Arbeitsumfeld zur Verfügung bekommen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?
Dr. Künstner: Unter „Digitalisierung“ werden im Rechtsmarkt sehr unterschiedliche Aspekte zusammengefasst. Einen deutlichen Schub sehen wir in der Kommunikation, also dem Ersatz persönlicher Treffen durch Videotelefonie. Auch die elektronische Akte ist ein wichtiger Bestandteil für das Arbeiten außerhalb des Büros, dürfte bei den meisten Wirtschaftskanzleien aber zuvor schon zum Standard gehört haben. Den größten Schub sehen wird derzeit bei Gerichtsverhandlungen im „Wege der Bild- und Tonübertragung“, wie es § 128a ZPO so schön formuliert. Hier könnte sich tatsächlich ein Paradigmenwechsel ergeben, wenn die Gerichte auch nach der Coronakrise diesen Weg weiter konsequent verfolgen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?
Dr. Künstner: Nüchtern aus Sicht einer Wirtschaftskanzlei betrachtet, ist klar, dass das Virus einen erheblichen und globalen wirtschaftlichen Flurschaden angerichtet hat. Wie schwerwiegend dieser ausfällt, hängt nicht zuletzt mit einer „zweiten Welle“ zusammen. Aber bereits jetzt ist klar, dass viele Unternehmen finanzielle Schwierigkeiten haben oder bekommen werden. Wir erwarten daher mehr Transaktionen, die aus der Not geboren werden. Trotz aller Anstrengungen ist leider auch mit Insolvenzen und Stellenabbau zu rechnen.
Fünf Fragen an: Dr. Volker Knoop, Vorstand, FORIS AG,Bonn/München
Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist FORIS bisher durch die Coronakrise gekommen?
Dr. Knoop: FORIS hat mit der Prozessfinanzierung, den Vorratsgesellschaften und der Betreuung englischer und irischer Limited-Gesellschaften drei Hauptgeschäftsbereiche. Die Prozessfinanzierung gilt als konjunkturunabhängig und krisenresistent: Gestritten wird immer. Dementsprechend sehen wir in der Prozessfinanzierung kein Abflauen des Neugeschäfts. Ganz im Gegenteil bestätigt sich unsere Vermutung, dass das Neugeschäft auf hohem Niveau bleibt und nach unseren Erwartungen weiter wachsen wird. Negativ werden sich über die kommenden Jahre vermutlich längere Bearbeitungszeiten bei den Gerichten bemerkbar machen, denn wenn die vorübergehenden, unmittelbaren Beschränkungen an vielen Gerichten überstanden sind, werden sich die Folgen ohnehin knapper Gerichtsressourcen noch deutlicher zeigen.
Die beiden anderen Geschäftsbereiche sind eher konjunkturabhängig; die Krise trifft sie durchaus. Wir sehen bei den Vorratsgesellschaften einen (erwarteten) Rückgang bei den Verkäufen. Da viele M&A- und Immobilientransaktionen ausgesetzt sind, überrascht eine vorübergehend verringerte Nachfrage nicht. Hier liegen wir also derzeit hinter unseren ambitionierten Planzahlen, allerdings noch immer beinahe auf dem Vorjahresniveau an Verkäufen – und das Vorjahr war immerhin ein Rekordjahr für die FORIS-Vorratsgesellschaften. Alles in allem: Wenig Grund zu klagen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen als auch mit Blick auf den Markt?
Dr. Knoop: Mit Blick auf die internen Strukturen haben sich mehrere Faktoren als günstig für FORIS erwiesen: Neben einer gewissen Resilienz unserer Mitarbeiter – ihre tägliche Aufgabe ist es, mit Risiken umzugehen und Lösungen zu suchen – arbeiten wir auf einer großzügigen Fläche, die für fast alle Mitarbeiter Einzelbüros ermöglicht. Auf diese Weise konnten wir von vornherein sicherstellen, dass die Gesundheitsgefahren bei der Arbeit gering bleiben. Auch eine 2018/2019 vorgenommene, umfassende Modernisierung unserer technischen Infrastruktur hat sich in der Gesundheitskrise ausgezahlt, weil wir von überall weiter erreichbar waren und wenige neue Anpassungen notwendig waren. Wenn die Coronakrise vor zwei Jahren stattgefunden hätte, hätte sie uns organisatorisch deutlich härter getroffen.
Mit Blick auf den Markt hat sich die Konzernstrategie einer Diversifizierung unserer Geschäftsbereiche positiv bemerkbar gemacht. Wir sind für spontan auftretende, unvorhergesehene Marktveränderungen von vornherein wenig anfällig gewesen. So schlimm die Krise die Liquidität unserer Kunden getroffen hat – und weiter treffen wird –, FORIS hat sich ein Geschäftsmodell gegeben, das unseren Kunden gerade in Zeiten schwieriger Liquidität helfen soll. Dieses Geschäftsmodell wollen wir mehr denn je für unsere (Neu-)Kunden nutzbar machen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheinen ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?
Dr. Knoop: FORIS hat schon vor der Krise den Ansatz gewählt, Mitarbeiter flexibel zu führen und eher nach Arbeitsergebnis als nach Anwesenheit zu bewerten. Je nach individueller Situation nehmen unsere Mitarbeiter regelmäßig Home-Office-Tage. Diese Möglichkeit haben einige unserer Mitarbeiter in den vergangenen Wochen vermehrt genutzt. Wir sind froh, dass sie es konnten. Nichtsdestotrotz hat sich gerade das Anwalts- und Assistenzteam in der Prozessfinanzierung recht schnell im Büro „wiedergefunden“. Trotz der technischen und betrieblich gewollten Möglichkeit zum Home-Office arbeiten wir im Team besonders gern im persönlichen Austausch. Daher war es interessant zu sehen, wie viele Kollegen sich trotz Freigabe für das Home-Office hier im Büro regelmäßig zusammenfanden (immer mit reichlich Abstand natürlich).
Mit externen Partnern haben wir mehr als vor der Krise auf Videokonferenzen zurückgegriffen. Wir gehen davon aus, dass wir uns auch nach der Aufhebung der Reise- und Kontaktbeschränkungen in Zukunft häufiger virtuell treffen werden. Unsere Dienstreisen sind in den vergangenen Wochen nahezu vollständig ausgefallen. Trotz aller Technik freuen wir uns darauf, unsere Kunden und Partner in Zukunft wieder persönlich zu treffen. Es wird einen neuen Mix aus virtuellen und persönlichen Treffen geben.
Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?
Dr. Knoop: Die Notwendigkeit, in der Krise verstärkt digital zu arbeiten – selbst wenn man sich eher als Traditionalist und analoger Dienstleister sieht –, wird sicher in vielen Unternehmen einen Digitalisierungsschub auslösen oder ihn verstärken. Diejenigen, die heute gute Erfahrungen etwa mit Videokonferenzen oder virtueller Arbeitsteilung machen, werden in Zukunft vermutlich auf die ein oder andere (stundenlange) Reise verzichten. Soweit die schlimmsten Ausläufer der Krise nicht mehr allzu lange andauern, wird es umgekehrt viele Unternehmen geben, die zum vorherigen Stand zurückkehren (wollen). Eine schwierige Prognose; vieles spricht für einen ordentlichen Digitalisierungsschub, wenig für eine Digitalrevolution. Bekanntlich passen sich Menschen nur (und nur so lange) an äußere Veränderungen an, wie sie es müssen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?
Dr. Knoop: Das Jahr 2020 wird für FORIS gerade in der Prozessfinanzierung viel Neugeschäft bringen, das sich branchenüblich und geschäftsmodellbedingt allerdings erst nach mehreren Jahren Rechtsstreit zu Umsätzen entwickeln wird. Kurzfristig ist mit länger dauernden Rechtsstreitigkeiten zu rechnen. Kurz: Der Vertrieb des Jahres 2020 wird gut, das Ergebnis möglicherweise dennoch leicht unter den ambitionierten Planerwartungen liegen. Bei den Vorratsgesellschaften gehen wir von Nachholeffekten im M&A-Geschäft aus, die sich erst bei einer länger anhaltenden Krise abschwächen würden. Wir sind im Ergebnis zuversichtlich für unser Geschäft und fühlen uns mit Blick auf die heute für uns vorhersehbaren Krisenauswirkungen gut vorbereitet.
Fünf Fragen an: Prof. Dr. Christoph Schalast, Managing Partner, Schalast, Frankfurt am Main
Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist Schalast bisher durch die Coronakrise gekommen?
Dr. Schalast: Die Sozietät Schalast wurde gerade 25 Jahre alt: Dies bedeutet, dass wir bereits zwei Krisen mit massiven Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell erlebt haben: das Platzen der Dot-Com-Blase 1999/2000 sowie die Finanz-/Bankenkrise 2007/2008. Neu war diesmal allerdings, dass die Krise nicht durch eine Fehlfunktion im Finanz-/Wirtschaftssystem ausgelöst wurde, sondern dass die Ursache ein externer Faktor, ein neuartiges Virus, war. Neu war auch, dass quasi innerhalb von wenigen Tagen große Bereiche unserer Wirtschaft entweder ins Home-Office oder aber in Kurzarbeit gegangen sind. Dazu kamen das Erliegen des öffentlichen Lebens, die Schließung von Kindergärten, Schulen sowie Universitäten. Doch nach anfänglichem kurzen „Ruckeln“ kann man sagen, dass Schalast bisher stabil durch die Krise gekommen ist. Ein Faktor dürfte dabei die gerade in der Krise spürbare hohe Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Kanzlei sein. Alle haben gefühlt: Wir werden jetzt gebraucht.
Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen der Sozietät als auch mit Blick auf den Markt?
Dr. Schalast: Wir sind sehr zufrieden damit, dass die Zusammenarbeit von Home-Office-Teams und Präsenzteams sich völlig unkompliziert gestaltet. Dabei hilft uns, dass wir bereits seit einiger Zeit – auch inspiriert durch unsere Schwestergesellschaft CLARIUS.LEGAL – angefangen haben, in agilen Teams zusammenzuarbeiten, dass entsprechende Software angeschafft wurde und wir damit auch auf eine solche Art von Krise überraschend gut vorbereitet waren. Natürlich hilft in einer solchen Situation des Weiteren eine breite Aufstellung. Wir haben in den vergangenen Jahren konsequent unseren wirtschaftsrechtlichen Full-Service-Ansatz weiterentwickelt und darüber hinaus mit unserem Netzwerk Multilaw die Internationalisierung vorangetrieben. Dies kam uns jetzt definitiv zugute. Bereiche, die von der Krise anfänglich stärker beeinträchtigt waren, wie die Beurkundungstätigkeit, wurden durch andere Praxisgruppen, insbesondere Banking & Finance und Corporate/M&A aufgefangen. Weiter wird jetzt spürbar, dass der Small- und Midcap-M&A-Bereich, wo wir zu Hause sind, nach einem kurzen Schütteln weiterfunktioniert. Zwar verändern sich Strukturen, es wird mehr Earn-outs und MAC-Klauseln geben, aber der Mittelstand – den wir beraten – zeigt sich insgesamt sehr stabil.
Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheinen ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?
Dr. Schalast: Zu meiner eigenen Überraschung hat das Home-Office bei den meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tatsächlich von Tag 1 an nahezu problemlos funktioniert. Nur Arbeitszeiten haben sich verschoben, nicht zuletzt wegen des mit dem Home-Office bei vielen verbundenen Home-Schoolings beziehungsweise Home-Kindergardenings. Nichtsdestotrotz gibt es eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die aus dem Home-Office nicht möglich sind. Am Anfang stehen dabei natürlich Beurkundungen sowie Litigation. Darüber hinaus sind aber auch der spontane fachliche Austausch, der kurze Weg über den Flur oder in einen unserer Kreativräume für ein spontanes Meeting unersetzlich. Von daher glauben wir, dass Home-Office in Zukunft eine größere Rolle spielen wird, wir aber gleichwohl weiterhin im Kern auf Präsenz setzen. Insoweit werden sich unsere Planungen hinsichtlich der Büroflächen nicht verändern. Gerade in der jetzigen Krise war es ein großer Vorteil, dass alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte über großzügige, individuelle Arbeitszimmer verfügen. Attraktive Büroräume und auch attraktive Zimmer, in denen man konzentriert arbeiten kann, werden aus meiner Sicht weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. Zurückgehen wird allerdings das Reisen für kurze Meetings innerhalb Deutschlands. Das ist jetzt schon absehbar, doch auf der anderen Seite merkt man auch, dass Kick-off-Meetings für Transaktionen und Projekte anfangs Präsenztermine erfordern.
Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?
Dr. Schalast: Die Digitalisierung im Rechtsmarkt war schon vor Corona lebhaft im Gange. Die Pandemie wird sie weiter beschleunigen. Vorangetrieben wird dies von verschiedenen Legal-Tech-Anbietern, die zunehmend auch im B2B-Bereich interessante Modelle anbieten werden. Letztlich hängt dies zusammen mit Budgetanforderungen und Vorgaben der Rechtsabteilungen, und eines ist sicher: Die Sensibilität für Dienstleistungskosten, wie Rechtsberatung, wird noch weiter zunehmen.
Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?
Dr. Schalast: Aus meiner Sicht wird es – auch wenn es zu einer zweiten Infektionswelle kommen sollte – nicht einen zweiten Lockdown geben. Dafür sind die Auswirkungen des ersten bereits zu gravierend für die Wirtschaft, und zwar nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weit darüber hinaus. Dass sich unser soziales Umfeld und unser Umgang miteinander ändern werden, ist – glaube ich – evident. Auf der anderen Seite spürt man aber jetzt schon nach den ersten Tagen der „wiedergewonnenen“ Freiheit, dass es noch unklar ist, ob es ein „new Normal“ geben wird. Wir merken jedenfalls, dass unsere Wachstumspläne durch Corona nur kurz beeinträchtigt wurden. Daher gehen wir davon aus, dass Schalast noch in diesem Jahr, auf jeden Fall aber 2021, signifikant intern und extern wachsen wird.