Krisen sind paradox: Sie zerstören, fördern aber auch das Neue

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Krisen sind wie Vulkanausbrüche. Es dampft und brodelt, es qualmt und zischt. Die Eruption scheint alles Vorhandene zu bedrohen. Niemand weiß genau, was als Nächstes passiert und wie lange es dauert. Doch noch etwas hat uns die Vergangenheit gelehrt. Bereits kurz danach ist der Boden übersäht mit Nährstoffen, die für Erneuerung und Wachstum sorgen. Das Neue ist zwar nicht sofort greifbar. Die Notwendigkeit zum Agieren statt zum bloßen Reagieren besteht spätestens dann, wenn die Eruptionen seltener und der Ascheregen weniger werden.
So ist es auch jetzt, wo sich die Situation der Coronapandemie zu entspannen scheint, sprich die Infektionen (Eruptionen) seltener und die Einschränkungen (Ascheregen) weniger werden.
Und trotzdem ist dieses Mal im Vergleich zu bisherigen Krisen etwas anders: Der weltweite Corona-Shutdown hat Entwicklungen angestoßen – lokal, wie global –, die vieles verändern. Ein Zurück in die alte Welt wird es nicht geben. Wer dennoch an ein Comeback ohne Veränderungen glaubt, verliert viel Zeit und vielleicht sogar den Anschluss.
Und noch etwas ist offensichtlich: Die Anpassung an die neuen Gegebenheiten und Möglichkeiten wird nicht geradlinig verlaufen. Es wird unterschiedliche Notwendigkeiten und Intensitäten geben, bei denen das Loslassen alter Routinen und das Ausprobieren neuer Dinge zum Hebel für Unternehmen werden kann, die gestärkt aus der Krise hervorgehen wollen.

Die Zukunft wartet nicht, bis sich alles wieder beruhigt hat
Wenn große Ungewissheit, Komplexität oder Dynamik im Spiel sind, ist iteratives Vorgehen das Gebot der Stunde.
Nach meinen Beobachtungen ist die Gefahr, den Anschluss zu verlieren, besonders groß für Unternehmen, die von langen hierarchischen Abstimmungsprozessen oder aber auch vom Hang zum Perfektionismus geprägt sind. Es ist deren typisches Entscheidungsverhalten, was zum Bremsklotz werden kann. Im günstigen Fall agieren die Menschen in solchen Organisationen mit dem inneren Leitsatz: „Wenn schon, dann richtig!“ Dies ist zwar eine gute Absicht, doch behindern sie sich oder andere hierdurch häufig dabei, notwendige Anpassungen konsequent genug anzugehen oder festgefahrene Wege zu verlassen. Ein echtes Problem sind zudem die Vollblutskeptiker, die jedes Mal erst ein „Ja, aber …“ zur Hand haben und nach Absicherungen suchen, um jegliches Scheitern von vornherein auszuschließen oder bloß nicht zu viel Verantwortung zu übernehmen.
Doch gerade in Krisen führt fast kein Weg daran vorbei, Menschen und Organisationen von einer starren Suche nach Gewissheit und Sicherheit abzubringen und zu einem „fail fast & adapt permanent“ zu ermutigen. Nach meinem Erleben entstehen die größten Fortschritte dort, wo Menschen Dinge ausprobieren und aus den Erfahrungen lernen können. Einmal selbst erlebt ist tausendmal überzeugender als Argumente, Zahlen oder ausgeklügelte Kommunikationskampagnen. Aus diesem Grund eröffnet Ausprobieren und Nachjustieren weit mehr Handlungsspielräume als die Suche nach der ultimativen Lösung. Das war schon vor der Krise so – und warum sollte das jetzt anders sein?

Kleine Schritte statt großer Sprünge
Kürzlich blieb ich an einem Text hängen, an dem sich die Vorteile einer Handlungsmaxime von „fail fast & adapt permanent“ gut nachvollziehen lassen. Es handelt sich um Antoine de Saint-Exupérys „Die Kunst der kleinen Schritte“. In diesem lesenswerten Text bittet der Verfasser des weltberühmten Buches „Der kleine Prinz“ um die Fähigkeit zur Akzeptanz von Fehlern als einer Quelle für Reife und Erkenntnis:
„Bewahre mich vor dem Glauben, es müsse im Leben alles glatt gehen. Schenke mir die Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge und Rückschläge eine natürliche Beigabe zum Leben sind, durch die wir begreifen und reifen.“(Auszug aus: „Die Kunst der kleinen Schritte“ von Antoine de Saint-Exupéry)

Mir sagt die Herangehensweise „Kleine Schritte statt großer Sprünge“ zu. Ich bilde mir ein, mehr zu schaffen und schneller zu lernen, wenn ich Dinge Schritt für Schritt ausprobiere.

Mit Perspektivwechsel den Horizont erweitern
Besonders entscheidend ist hierbei die Zielrichtung, mit der wir handeln. Geht es primär um die Wahrung des Status quo, oder geht es darum, die Krise als zukunftsfähigen Entwicklungsschritt zu nutzen?
„Wir fahren auf Sicht und entscheiden situativ.“ Diese Strategie ist momentan wohl eine der am häufigsten gebrauchten Formeln für das gegenwärtige Handeln. Ich bin mir nicht sicher, ob manche diese Formel einfach nur nachplappern, weil man sich damit alle Optionen offenhält, oder ob ein echter Plan dahintersteht. Vom Grundsatz her ist eine solche Strategie in der momentanen Situation durchaus sinnvoll, vorausgesetzt, der diesbezügliche Handlungsrahmen erfasst mindestens zwei Perspektiven: „Was sichert kurzfristig das Überleben?“ und „Was sichert langfristig die Zukunft?“.
Bei der Überlebensfrage geht es um unverzichtbare kurzfristige Sofortmaßnahmen, etwa Sicherung von Liquidität, Minimierung von Gesundheitsrisiken für Mitarbeiter, Erhalt von Schlüsselressourcen etc. Bei der Zukunftsfrage geht es um strategische Weitsicht für die Vorbereitung auf den Re-Start sowie die kritische Überprüfung und Kalibrierung des Geschäftsmodells.
Für Unternehmer und Führungskräfte ist die Fähigkeit
zu einem solchen Perspektivenwechsel ein Muss. Doch auch hier gilt der Leitsatz: Machen ist wie Wollen, nur krasser.

„You will never walk alone“
Bei den auf kurze Sicht zu treffenden Sofortmaßnahmen geht es vorrangig darum, Schadensbegrenzung zu betreiben und den Freiraum für weiteres Handeln zu gewährleisten.
Hier ist Geschwindigkeit gefragt. Gleichzeitig lauern auch erhebliche Fallstricke. Beispielsweise mag es auf den ersten Blick Vorteile bringen, Zahlungen an Geschäftspartner einfach einzustellen, Mitarbeitern zu kündigen, um die eigene Liquidität zu schonen. Ob Unternehmen bei diesen Entscheidungen aktuell immer auch die langfristigen Folgen bedacht haben – da bin ich mir nicht sicher.
Ich denke in solchen Situationen häufig an den Song „You’ll never walk alone“. In vielen Fußballstadien auf der ganzen Welt singen Fans das Lied als Hymne für Gemeinschaft und Zusammenhalt. Und am 20.03.2020 spielten Radiostationen weltweit den Titel zeitgleich um 8.45 Uhr als Symbol der Solidarität. Ich sehe den Text aber auch als Warnung, dass Entscheidungen weitreichende Folgen für andere haben können und ich mich auch damit auseinandersetzen sollte. Wenn die kurzfristige Lösung meiner Probleme mir zwar einen temporären Vorteil bringt, aber sich dadurch langfristige Schwierigkeiten für mein Umfeld ergeben, habe ich vielleicht „zu kurz“ gedacht.
Es geht darum, den Blick zu erweitern und auch oder gerade bei Sofortmaßnahmen die langfristigen Folgen von Handlungen zu antizipieren. Wenn ich das tue, gelingt mir auch die Kommunikation mit den Betroffenen glaubwürdiger. Und sollte dennoch ein Shitstorm aufbrausen, wird dieser sich schnell beruhigen, weil sich das Abwägen der verschiedenen Optionen und Gründe für die getroffene Wahl dann hoffentlich überzeugend als Ultima Ratio darlegen lässt.

Kopf und Bauch klug in Balance bringen
Auch für die Weitsicht, also den Blick auf die Zukunft, gilt es einen Tunnelblick zu vermeiden. Die Situation ist in ihrer Gesamtheit zu betrachten, und die Auswirkungen sind für das eigene Geschäftsmodell zu analysieren. Hierzu gehören sowohl der Blick auf das Leistungsportfolio als auch die Art und Weise der Leistungserbringung, sprich die Wertschöpfungskette. Hier geht es darum, Geschäftsprozesse zu überdenken, die Organisation zu straffen, Doppelarbeiten und Doppelstrukturen zu reduzieren, Prozesse zu digitalisieren und zu vereinfachen sowie administrative und nicht wertschöpfende Aufgaben zu reduzieren.
Die damit einhergehenden Entscheidungen sind herausfordernd. Je besser das Verständnis der eigenen Stärken und Potentiale, welche die Zukunftsfähigkeit sichern können, desto größer ist die Chance, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Bei allen diesbezüglichen Überlegungen hilft es, sich ein paar Erkenntnisse über das Entscheidungsverhalten von Menschen zu vergegenwärtigen. Zu den für mich bedeutsamsten gehört, dass unser Verhalten maßgeblich von zwei Systemen beeinflusst wird, die ständig miteinander konkurrieren: dem System Kopf und dem System Bauch. Der Kopf will Fehler vermeiden, der Bauch will Chancen ergreifen.
Um diesen ständigen Konkurrenzkampf zwischen Kopf und Bauch effektiv zu steuern, setzt man am besten auf eine wirksame Struktur in den Entscheidungsprozessen. Denn bei der Weichenstellung für die Zukunft kommt es darauf an, anstatt intuitiv auf bewährte und möglicherweise für die Zukunft weniger relevante Muster und Handlungsweisen zurückzugreifen, die wirklich erfolgskritischen Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen.
Bei der Umsetzung kommt es dann nachrangig auf Größe und Finanzkraft an und vorrangig auf Klarheit und Umsetzungsstärke. Klarheit über die richtigen Themen und passenden Aktivitäten gewinnt man durch eine umfassende Situationsanalyse und eine auf deren Ergebnisse folgende ernsthafte Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken hinsichtlich der aktuellen Herausforderung.

Step 1: Situationsanalyse an den Anfang
Eine Situationsanalyse soll sicherstellen, dass alle am Entscheidungsprozess Beteiligten von denselben Voraussetzungen ausgehen und auf die gleichen Ziele hinwirken. Außerdem ist sie die Grundlage dafür, dass die richtigen Personen im Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Im Rahmen der Situationsanalyse empfiehlt sich der Blick auf vier Dimensionen:

  • Was sind die Fakten?
  • Was sind lediglich Annahmen oder Vermutungen?
  • Welche Rahmenbedingungen haben wir?
  • Welche Stakeholder müssen wir einbeziehen?

Die Abbildung Im PDF enthält typische Orientierungsfragen für die jeweiligen Dimensionen einer solchen Situationsanalyse.

Nachdem der Blick auf die Situation geschärft wurde, kann anhand von zukunftsorientierten Schlüsselfragen der nächste Schritt vorbereitet werden. Auch hier sind verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen:

  • Entscheidungsperspektive: Welche Entscheidungen müssen gefällt, welche können/sollten zurückgestellt werden?
  • Relevanzperspektive: Wie relevant sind die Auswirkungen der Fakten, und wie relevant sind die Vermutungen für unsere Entscheidung?
  • Dringlichkeitsperspektive: Was sind jetzt die drei dringlichsten Entscheidungen?
  • Kulturperspektive: Welche Rahmenbedingungen müssen wir fördern, damit die Entscheidung im angestrebten Sinn umgesetzt wird?

Step 2: SWOT-Analyse für den Strategiecheck
Mit den Schlussfolgerungen aus der Situationsanalyse kann die Vorbereitung auf die nächsten Schritte zur Gestaltung der Zukunft begonnen werden. Hier stellen sich vor allem folgende Fragen: Worauf können wir uns auch künftig verlassen? Was gilt es neu zu ordnen? Welche Chancen bieten sich? Was dürfen wir auf keinen Fall zurückstellen? Welche Vorkehrungen müssen wir treffen, damit die Zukunftsstrategie greift?
Als universelles Tool, um die damit einhergehende ­Komplexität zu reduzieren und mehr Handlungsklarheit zu bekommen, hat sich die SWOT-Analyse bewährt. Sie bietet den Orientierungsrahmen, um diesen Fragen möglichst große Objektivität zu geben. SWOT steht für Strenghts (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Gefahren/Risiken).
Zwar sind die einzelnen Felder immer individuell im jeweiligen Unternehmenskontext zu betrachten. Dennoch gibt es relevante Aspekte, über die es sich besonders in Krisensituationen lohnt, sehr genau nachzudenken.

STRENGHTS – relevante Stärken identifizieren und ausbauen
Stärken beschreiben das, was echte Wettbewerbsvorteile bringt und vom Unternehmen maßgeblich beeinflusst werden kann. Die Kunst dabei ist es, sich auf die relevanten Stärken zu fokussieren, also solche, die für das angestrebte Ziel von besonderem Nutzen sind.
Die Versuchung ist groß, in die Nostalgiefalle zu tappen, indem man sich pauschal auf die Stärken konzentriert, mit denen man in der Vergangenheit erfolgreich war. Wenn also die Stärken aus der Vergangenheit für das angestrebte Ziel weniger von Bedeutung sind, muss man nach anderen Stärken suchen.
Praxistipp: Bei der Analyse der relevanten Stärken hat es sich als besonders wirksam erwiesen, der jeweiligen Stärke immer den konkreten Nutzen für das angestrebte Ziel gegenüberzustellen und beides aufzuschreiben.

WEAKNESSES – Führung und Investitionen nicht unterschätzen
Spiegelbildlich zu den Stärken gilt es auch für die ­Schwächen, diejenigen zu identifizieren, die sich auf die aktuelle Herausforderung besonders kritisch auswirken können.
Praxistipp: Achten Sie darauf, das Unternehmen nicht durch zu kurz gedachte Entscheidungen zusätzlich zu schwächen. Nachfolgend dafür zwei Beispiele, die sie anderen überlassen sollten:

  • Führung von Spezialisten unterschätzen
    Ich höre immer wieder Sätze im Sinn von: „Gute Mitarbeiter und Spezialisten brauchen kaum Führung, die wissen genau, was zu tun ist.“ Doch das ist ein Trugschluss, denn genau das Gegenteil ist der Fall. Dies erkennt man schon daran, dass bei Einsatzkräften im Katastrophenschutz, im Operationsaal im Krankenhaus, bei Spitzenmannschaften im Sport und sogar bei der Produktion eines Films in Hollywood immer das Gleiche gilt: Je kompetenter und individueller die handelnden Personen sind, desto fokussierter müssen Regie oder Führung sein, damit ein exzellentes Ergebnis herauskommt.
    Im Unternehmen ist das nicht anders. Es ist nach meiner Erfahrung daher unverzichtbar, dem Thema Führung und Führungskultur für den Entscheidungsprozess eine besondere Bedeutung beizumessen und deswegen auch bei der SWOT-Analyse besonders zu berücksichtigen.
  • Investitionen in Mitarbeiter zurückstellen
    Völlig zu Recht geraten Ausgaben und Investitionen in Krisenzeiten besonders unter die Lupe. Häufige Impulse sind hier der Griff zum Rasenmäher und das Ein- oder Zurückstellen langfristiger Investitionen, also solcher Ausgaben, die sich nicht sofort in Umsatz oder Ertrag auszahlen.
    Ein typischer Fall ist hier die Mitarbeiterentwicklung. Viele Unternehmen und Führungskräfte neigen in Krisensituationen insoweit eher zum kurzfristigen Kosten-Nutzen-Kalkül. Die Kosten in Form von Arbeitszeit und Ausgaben für Weiterbildung entstehen sofort, mögliche Vorteile liegen in der Zukunft und sind zudem nicht garantiert. Deshalb scheint es gerade in Krisen viel wichtiger zu sein, die Arbeitskosten möglichst gering zu halten, als in die Kompetenzen der Mitarbeiter zu investieren. Doch das ist zu kurz gedacht.
    Derartige Überlegungen ignorieren, dass auch die Leistungsträger und Talente bei fehlenden Investitionen in die persönliche Weiterbildung über kurz oder lang in ihrer Entwicklung stagnieren. Die weniger guten Leute laufen langfristig noch mehr hinterher, sofern sie überhaupt noch laufen. Das wiederum frustriert und vertreibt die guten Leute. Ein Teufelskreis kommt in Gang. Hierzu passt auch die Szene, bei der CEO und CFO im Aufzug über Ausgaben in die Mitarbeiterentwicklung sprechen

OPPORTUNITIES – Orientierung anhand von Szenarien
Auch bei der Suche nach Chancen kommt es darauf an, eine Situation aus mehreren Blickwickeln zu betrachten. Hierbei hat es sich bewährt, in Szenarien zu denken. Das schützt davor, in die Kausalitätsfalle zu tappen und sich dadurch nur auf eine Möglichkeit vorzubereiten.
Praxistipp: Lenken Sie den Blick auf drei Phasen: die aktuelle, die nächste und die übernächste. Wenn es dann auch noch gelingt, sich durch den Anspruch auf Genauigkeit nicht allzu sehr einzuengen und die Perfektionsfalle zu umgehen, lassen sich sehr schnell verschiedene Lösungsoptionen entwickeln.
Das Besondere an der aktuellen Lage ist, dass niemand weder den medizinischen noch den wirtschaftlichen Verlauf und die globalen Folgen der aktuellen Krise voraussagen kann. Experten sprechen derzeit von unterschiedlichen Verläufen und beschreiben diese als U-, V- und W-Form. Das U steht hierbei für ein breites Tal, dass wir durchschreiten müssen, bevor es wieder aufwärtsgeht. Das V geht von einem schnellen Runter und einem ebenso schnellen Rauf aus. Beim W-Szenario wechseln sich die Phasen ab. Und es gibt da noch diejenigen, die eher eine gefühlt unendliche Schleife im Sinne einer Acht(erbahnfahrt) erwarten, wo niemand genau den Anfang und das Ende erkennen kann. Es lohnt sich bei der Beurteilung von Chancen und Perspektiven, sich zu all diesen unterschiedlichen Szenarien Gedanken zu machen.
Bereits am Anfang hatte ich auf die Notwendigkeit von „fail fast & adapt permanent“ hingewiesen. Gemeint ist ein schnelles Vorgehen beim Ergreifen und Ausprobieren von Lösungsoptionen. Das Risiko des Scheiterns wird bewusst einkalkuliert. Doch je schneller wir herausfinden, was funktioniert und was nicht, desto schneller können wir unsere Aktivitäten anpassen und dabei Energie und Ressourcen auf die funktionierenden Dinge ausrichten. Vor allem in Krisen hilft es nicht, auf die absolute Sicherheit zu warten – denn diese wird es niemals geben. Und falls sie doch einmal eintritt, dann sind die Mutigen schon viel weiter, und wir laufen ihnen hinterher.

THREATS – die Macht der Kommunikation
Besonders in der Krise wird das unternehmerische Handeln der Führungsmannschaft sowohl von außen als auch von innen stärker wahrgenommen als sonst. Eine tückische Falle hierbei ist, die Sachentscheidungen in den Mittelpunkt zu stellen und die Menschen, die es für die Umsetzung braucht, nur als Werkzeug für die Umsetzung zu betrachten. Für ebenso riskant halte ich aber auch das andere Extrem, nämlich die Mitarbeiter zum wichtigsten Orientierungsmaßstab zu machen. Entscheidend ist, beide Elemente zu einer Einheit zu verknüpfen. Was ich damit meine, ist, die Interaktion mit den Mitarbeitern so zu gestalten, dass die Akzeptanz und Umsetzung der Sachentscheidung gelingt.
Praxistipp: Nutzen Sie Kommunikation als Schlüsselressource für das Risikomanagement. Kommunikation bedeutet, ob Krise oder nicht, Klarheit für die Gegenwart zu schaffen und gleichzeitig den Blick für die Notwendigkeit und Perspektiven des Kommenden zu öffnen.
Dafür muss entschieden werden, was entschieden werden muss. Das Ergebnis und die Konsequenzen müssen dann zeitnah, respektvoll und transparent in die Mannschaft getragen werden. Transparent heißt, Unangenehmes nicht zu vertuschen oder weichzuzeichnen und Positives nicht zu übertreiben. Respekt bedeutet, andere so zu informieren und zu behandeln, wie man selbst gern informiert und behandelt werden möchte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch die Praxis zeichnet hier ein anderes Bild.
Und last, but not least: Wenn das Topmanagement informiert oder überzeugt ist, gilt das noch lange nicht für die Führungskräfte und erst recht nicht für die Mitarbeiter.

Zusammenfassung
Unsicherheit und Widersprüche zu managen ist mühsam und aufwendig. Am Handeln trotz Unsicherheit führt dennoch kein Weg vorbei.
Die Aufgabe von Führung ist es, Klarheit über die Ausgangslage und die Rahmenbedingungen zu gewinnen. Es geht darum, die Wahrnehmung zu schärfen, damit trotz ansteigender Komplexität der Umwelt eine bewusste Handlungsfähigkeit die Oberhand für eine aktive Gestaltung der Zukunft gewinnt.
Wer in Krisenzeiten klar denken und sicher entscheiden will, tut dies besser auf Grundlage eines strukturierten Vorgehens. Deshalb arbeiten auch Feuerwehr und Notfallteams mit systematischen Entscheidungsprozessen, denn dort ist fast jede Entscheidung eine Krisenentscheidung. Zwar trifft auch hier eine Person oder ein kleines Gremium die Entscheidung, diese basiert aber auf einem strukturierten Prozess, bei dem die Stärken und Schwächen gegen die Chancen und Risiken abgewogen wurden.

Die Herausforderungen der Realität sind zu differenziert, als dass One-Size-fits-all-Lösungen greifen. Dennoch gibt es drei Aspekte, anhand derer man – quasi als Quickcheck – die Zukunftsfähigkeit einer Strategie plausibilisieren kann:

  • Sie überschreitet erkennbar Grenzen und zielt darauf ab, neues Terrain zu erobern, für das Kunden bereit sind zu zahlen.
  • Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich für die Umsetzung mit neuem Wissen und neuen Fähigkeiten auseinandersetzen und Neues lernen.
  • Die Strategie stärkt die Kultur, die uns auszeichnen soll, um attraktiv für Kunden und die passenden Mitarbeiter zu sein.

Gerade jetzt ist vielleicht die richtige Zeit, den Grundstein zu legen, um neue Wege zu gehen, Dinge anders zu betrachten, Neues auszuprobieren.

Deshalb mein wichtigster Praxistipp zum Schluss: Glauben Sie keinen noch so gut verpackten Patentrezepten! Auch die vorherigen Punkte sind keine solchen. Sie liefern nur Anhaltspunkte, was getan und wie agiert statt nur reagiert werden kann.

torsten.schneider@luther-lawfirm.com

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