Auswirkungen des Coronavirus (SARS-CoV-2) auf die Vertrags- und Gesellschaftsrechtspraxis

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Die Coronapandemie und die im Zusammenhang damit von einer Vielzahl von Staaten weltweit getroffenen Maßnahmen zur Verringerung des Infektionsrisikos sind beispiellos. Das öffentliche Leben wird durch drastische Quarantänemaßnahmen wie Ausgangssperren und Grenzschließungen sowie Einschränkungen im internationalen Waren- und Reiseverkehr erheblich eingeschränkt. Die mittel- bis langfristige Tragweite der Coronakrise ist noch nicht absehbar, es muss mit weiteren wirtschaftlichen Verwerfungen gerechnet werden.
Umso wichtiger ist es für Unternehmen, auch rechtlich gut vorbereitet zu sein, denn für die Unternehmensführung stellen sich im Zusammenhang mit der Coronakrise verschiedenste Rechtsfragen. Neben den arbeitsrechtlichen Themen sollte besonderes Augenmerk den krisenbedingten Auswirkungen auf die Vertrags- und Gesellschaftsrechtspraxis (einschließlich M&A und Kapitalmarktrecht) gelten.
In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere auch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ („Abmilderungsgesetz“) sowie das „Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ (WStFG) zu berücksichtigen. Beide Gesetze wurden vom Bundesrat am 27.03.2020 nach vorheriger Beschlussfassung des Bundestags gebilligt und noch am selben Tag im Bundesgesetzblatt verkündet. Das WStFG sowie die durch das Abmilderungsgesetz bewirkten Änderungen im Gesellschaftsrecht sind jeweils am 28.03.2020 in Kraft getreten.
Die mit der Coronakrise einhergehenden Fragestellungen für Unternehmen, deren Geschäftsführungen und Vertragsbeziehungen möchten wir mit dem nachfolgenden Überblick aufzeigen:

„Business-Continuity-Management“ im Hinblick auf Schlüsselpersonen
Die gesetzliche Verpflichtung von Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern zur sorgfältigen Unternehmensleitung beinhaltet auch die Pflicht, für ein angemessenes „Business-Continuity-Management“ Sorge zu tragen. Hierunter werden Konzepte, Planungen sowie konkrete Maßnahmen zur Fortführung der Geschäftstätigkeit im Krisenfall verstanden. Im Lichte der Coronakrise gilt es in besonderem Maße die für die Fortführung des Geschäftsbetriebs notwendigen „Schlüsselpersonen“ zu identifizieren. Hierzu zählen neben den Organmitgliedern auch sonstige Führungskräfte, die für die Aufrechterhaltung der operativen Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Unternehmens wesentlich sind. Schließlich ist zu befürchten, dass in der nächsten Zeit personelle Verfügbarkeiten aufgrund von Quarantänevorschriften, Reisebeschränkungen und Krankheit deutlich eingeschränkt bleiben. Im Sinne eines umfassenden „Business-Continuity-Managements“ sollten daher (vermeintliche) Notwendigkeiten physischer Anwesenheit bei der Unternehmensführung grundsätzlich hinterfragt und insbesondere die folgenden Themenbereiche kritischer Prüfung unterzogen werden:

Sicherstellung der rechtsgeschäftlichen Handlungsfähigkeit
Um zu vermeiden, dass infolge des krankheitsbedingten Ausfalls von Vertretungsberechtigten oder deren Nichtverfügbarkeit wichtige Rechtsgeschäfte nicht oder nicht rechtzeitig abgeschlossen werden können, sollten die geltenden Vertretungsregelungen und Notfallpläne überprüft werden. Kritisch dürften insbesondere bestehende Gesamtvertretungsregelungen zu bewerten sein, denn bereits die Abwesenheit nur eines Vertretungsberechtigten zieht in diesem Fall die rechtsgeschäftliche Handlungsunfähigkeit nach sich. Mehr Flexibilität könnte zwar beispielsweise durch die alternative Anordnung einer sogenannten unechten Gesamtvertretung (also Vertretung der Gesellschaft durch einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen) geschaffen werden. Soweit aber nicht bereits Gesellschaftsvertrag oder Satzung entsprechende Regelungen enthalten oder das für die Bestellung der Geschäftsleiter zuständige Organ insoweit ermächtigt wurde, bedarf es hierfür einer Satzungsänderung. Kurzfristige Ergänzungen der geltenden Vertretungsregelungen dürften sich nicht zuletzt aufgrund der bei einer Beschlussfassung der Anteilseigner zur Satzungsänderung einzuhaltenden Mehrheitserfordernisse oftmals schwierig gestalten. Abhängig von der maßgeblichen Vertretungsregelung kann jedoch die Bestellung weiterer Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder zu erwägen sein. Zur Sicherstellung der rechtsgeschäftlichen Handlungsfähigkeit sollte zudem die (vorsorgliche) Erteilung weiterer Prokuren und Handlungsvollmachten geprüft werden.
Zu beachten ist, dass die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers oder Notvorstands (§ 29 BGB analog sowie § 85 Abs. 1 AktG) die dauerhafte Verhinderung des jeweiligen Organmitglieds voraussetzt. Bei nur vorübergehender Erkrankung dürfte es an dieser Voraussetzung regelmäßig fehlen, so dass Corona-bedingte Ausfälle nicht auf diesem Wege kompensierbar sind. Gleiches gilt für die in gerichtlichen Verfahren bestehende Möglichkeit, einen Prozesspfleger zu bestellen (§ 57 Abs. 1 ZPO). Bei Aktiengesellschaften besteht die Besonderheit, dass im Fall der vorübergehenden Verhinderung eines Vorstandsmitglieds der Aufsichtsrat eines seiner Mitglieder für bis zu ein Jahr als Stellvertreter des verhinderten Vorstandsmitglieds bestellen kann (§ 105 Abs. 2 Satz 1 AktG).

Vermeidung physischer Zusammenkünfte
Aktuell ist auf interne wie externe physische Zusammenkünfte nebst der damit einhergehenden Reisetätigkeit zu verzichten. Stattdessen sollte die im Unternehmen vorhandene Infrastruktur für Telefon-, Video- und Webkonferenzen sowie für mobiles Arbeiten (einschließlich der Möglichkeit des Fernzugriffs auf relevante IT-Systeme) in verstärktem Maße insbesondere von den Schlüsselpersonen genutzt werden. Soweit sich die technischen Einrichtungen in der Praxis als unzureichend erweisen, dürfte spätestens jetzt der Zeitpunkt für Verbesserungen einschließlich der hierfür erforderlichen Investitionen gekommen sein. Sollten die für die Gesellschaftsorgane gegebenenfalls bestehenden Geschäftsordnungen nicht bereits die Durchführung von Video- und Telefonkonferenzen oder – außerhalb von Sitzungen – die Beschlussfassung auf elektronischem Wege (insbesondere per E-Mail) gestatten, dürfte die aktuelle Situation hinreichenden Anlass dafür bieten, entsprechende Anpassungen vorzunehmen. So kann auch bei bestehenden Reisebeschränkungen oder in Fällen häuslicher Quarantäne die Funktionsfähigkeit der entsprechenden Kollegialorgane sichergestellt werden.

Verpflichtungen zum Schutz der Arbeitnehmerschaft
Die Fortführung des Geschäftsbetriebs – soweit dieser derzeit überhaupt noch zulässig ist – setzt voraus, dass weiterhin in ausreichendem Maße Arbeitnehmer für operative Aufgaben zur Verfügung stehen. Der Schutz der Arbeitnehmer vor Ansteckung mit dem Coronavirus liegt dabei nicht nur im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers. Vielmehr ist der Arbeitgeber aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen und Fürsorgepflichten dazu verpflichtet, die Arbeitnehmer vor Gefahren für deren Gesundheit, Leib und Leben zu schützen. Es bestehen somit konkrete rechtliche Verpflichtungen, aufgrund derer von der Geschäftsführung geeignete Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu ergreifen sind. Ein sorgfaltswidriges Unterlassen kann unter anderem Schadensersatzansprüche begründen.
Es ist der Geschäftsleitung daher dringend anzuraten, für ein adäquates Risikomanagement Sorge zu tragen, beispielsweise indem die Mitarbeiter über die Risiken des Coronavirus informiert, Anweisungen, betreffend die persönliche Hygiene und die Kommunikation mit anderen, erteilt und Quarantänepläne ausgearbeitet sowie im Ernstfall umgesetzt werden.
Auswirkungen auf die bevorstehende Hauptversammlungssaison
Vor dem Hintergrund der bundesweit angeordneten Untersagungen von Versammlungen sieht das Abmilderungsgesetz diverse Erleichterungen vor, um die Beschlussfähigkeit von Kapitalgesellschaften sicherzustellen. Diese sind vor allem für die bevorstehende Hauptversammlungssaison von AG, SE und KGaA relevant und zunächst auf das Jahr 2020 befristet, können jedoch durch Rechtsverordnung bis zum 31.12.2021 verlängert werden.

Erleichterungen für Präsenzhauptversammlungen
Nach der bisherigen aktienrechtlichen Grundkonzeption ist die Hauptversammlung eine Präsenzversammlung. Die Onlineteilnahme bzw. die Stimmrechtsausübung durch Briefwahl ist nur bei entsprechender Satzungsregelung zulässig (§ 118 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 AktG). Gleichermaßen bedarf es einer satzungsmäßigen Regelung für eine Zuschaltung der Aufsichtsratsmitglieder bzw. für die Zulässigkeit einer Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 3 Satz 2 sowie Abs. 4 AktG). Nach Maßgabe des Abmilderungsgesetzes kann der Vorstand diese Durchführungserleichterungen nunmehr auch ohne bestehende Satzungsregelungen anordnen.

Ermöglichung virtueller Hauptversammlungen
Das Abmilderungsgesetz sieht überdies erstmals die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung ohne physische Präsenz vor. In diesem Fall ist die Teilnahme ausschließlich im Wege der elektronischen Zuschaltung möglich, wobei die gesamte Hauptversammlung in Bild und Ton zu übertragen ist und die Stimmrechtsausübung über Onlineteilnahme oder Briefwahl ermöglicht werden muss.
Das in der Hauptversammlung grundsätzlich bestehende Auskunftsrecht der Aktionäre wird dahingehend modifiziert, dass eine Fragemöglichkeit im Wege elektronischer Kommunikation bereitzustellen ist. Die Nichtbeantwortung von Fragen ist dabei jedoch nicht auf die gesetzlichen Verweigerungsrechte (§ 131 Abs. 3 AktG) beschränkt. Vielmehr entscheidet der Vorstand über die Zulassung und Beantwortung von Fragen allein nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen. Insbesondere kann der Vorstand bestimmen, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung elektronisch einzureichen sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll zudem die bevorzugte Beantwortung der Fragen institutioneller Investoren mit bedeutenden Stimmrechtsanteilen bzw. von Aktionärsvereinigungen zulässig sein.
Der zur Wahrung der Anfechtungsbefugnis weiterhin erforderliche Widerspruch zur Niederschrift (§ 245 Nr. 1 AktG) muss elektronisch erklärt werden können. Bei technischen Störungen im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung sind die Anfechtungsmöglichkeiten (vgl. § 243 Abs. 3 Nr. 1 AktG) stark eingeschränkt.
Fristerleichterungen im Vorfeld der Hauptversammlung
Der Vorstand ist berechtigt, die gesetzlichen Fristen im Vorfeld der Hauptversammlung zu verkürzen. So kann die Einberufungsfrist von 30 Tagen (§ 123 Abs. 1 Satz 1 AktG) auf 21 Tage verkürzt werden, wobei eine satzungsmäßige Anmeldefrist entgegen der bisherigen gesetzlichen Regelung (§ 123 Abs. 2 Satz 5 AktG) nicht hinzuzuzählen ist. Im Fall der Verkürzung der Einberufungsfrist beträgt die Frist für Mitteilungen gemäß § 125 Abs. 1 und 2 AktG zwölf Tage. Ferner gilt als Nachweisstichtag („Record-Date“) für Inhaberaktien nicht der 21. Tag (vgl. § 123 Abs. 4 Satz 2 AktG), sondern der zwölfte Tag vor der Hauptversammlung. Für den Zugang von Ergänzungsverlangen der Aktionäre gilt anstelle der Fristen von 24 bzw. 30 Tagen (vgl. § 122 Abs. 2 AktG) einheitlich eine 14-Tage-Frist. Schließlich wird für AG und KGaA die Achtmonatsfrist für die Abhaltung der ordentlichen Hauptversammlung (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG) aufgehoben – ausreichend ist es, wenn die Hauptversammlung im Lauf des Jahres 2020 stattfindet. Für die SE bleibt es indes – mangels entsprechender Gesetzgebungskompetenz des deutschen Gesetzgebers – bei der geltenden Sechsmonatsfrist (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 SE-VO). Es bleibt abzuwarten, ob der EU-Gesetzgeber insoweit noch Abhilfe schafft.

Zulässigkeit einer Vorabdividende auch ohne Satzungsregelung
Um Verzögerungen bei der Dividendenausschüttung zu vermeiden – diese erfordert grundsätzlich einen Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung –, sind Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn nach dem Abmilderungsgesetz auch ohne entsprechende Satzungsregelung (vgl. § 59 Abs. 1 AktG) zulässig. Im Übrigen gelten jedoch die weiteren Vorgaben gemäß § 59 Abs. 2 AktG.
Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats für aktienrechtliche Erleichterungen
Der Vorstand darf von den genannten Erleichterungsmöglichkeiten nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats Gebrauch machen. Die hierfür erforderliche Beschlussfassung des Aufsichtsrats kann jedoch (abweichend von § 108 Abs. 4 AktG und etwaigen Regelungen in Satzung oder Geschäftsordnung) ohne physische Anwesenheit der Mitglieder schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Weise erfolgen.

Organpflichten bei Insolvenzreife
Das Abmilderungsgesetz sieht darüber hinaus vor, dass die dreiwöchige Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit (§ 15a InsO sowie § 42 Abs. 2 BGB) bis zum 30.09.2020 partiell ausgesetzt ist. Dies setzt voraus, dass die Insolvenzreife auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, dass eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt wird. War der Schuldner am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig, gilt hinsichtlich der Kausalität der Covid-19-Pandemie für die Insolvenzreife und die Aussichten zur Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit jedoch eine gesetzliche Vermutensregel. Ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt, gelten unter anderem Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ im Sinne von § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 130a Abs. 1 Satz 2 HGB (auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 HGB) sowie § 99 Satz 2 GenG vereinbar.
Gesellschaftsrechtliche Änderungen aufgrund des WStFG
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) soll größere Unternehmen der Realwirtschaft (keine Finanzinstitute) für einen begrenzten Zeitraum durch sogenannte Stabilisierungsmaßnahmen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen und zur Stärkung der Eigenkapitalbasis finanziell unterstützen. Von dem WSF-Gesamtvolumen in Höhe von rund 600 Milliarden Euro sind 100 Milliarden Euro für direkte Rekapitalisierungsmaßnahmen vorgesehen. Diese umfassen den Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen und Anteilen an Unternehmen sowie die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals betroffener Unternehmen.
Um antragsberechtigten Unternehmen die schnelle Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen zu ermöglichen, sieht das WStFG diverse gesellschaftsrechtliche Änderungen vor: Hierzu zählen Erleichterungen bei Kapitalmaßnahmen (insbes. Kapitalerhöhungen) von AG, SE und KGaA, unter anderem für (i) Beschlussfassungen der Hauptversammlung zur Durchführung einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen und der Schaffung eines genehmigten Kapitals (Mehrheitserfordernisse und Wirksamkeitsvoraussetzungen), (ii) die besondere Ausgestaltung neuer Aktien (unter anderem Gewinnvorzug) und deren Rückumwandlung in einfache Stammaktien sowie (iii) einen vereinfachten Bezugsrechtsausschluss. Gleichermaßen sind für die Beschlussfassung von GmbH, GmbH & Co. KG und KG Erleichterungen vorgesehen. Zudem können die GmbH-Gesellschafter mit einer Mehrheit von 75% der anwesenden Stimmen den Ausschluss von Mitgesellschaftern gegen Barabfindung beschließen, wenn dies für den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahme notwendig ist. Weitere Erleichterungen sind für die Errichtung stiller Gesellschaften sowie für die Ausgabe von Genussrechten und Schuldverschreibungen an den WSF vorgesehen. Zu beachten ist, dass zur Sicherstellung der Anspruchsvoraussetzungen die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen an Auflagen geknüpft werden kann, etwa die Höhe der Organvergütung und von Dividendenausschüttungen. Die Einzelheiten sollen durch Rechtsverordnung geregelt werden. Flankierende Änderungen ergeben sich für weitere Gesetze (etwa Ausschluss von Informations-, Mitteilungs- und Anzeigepflichten nach BetrVG, KWG und WpHG; Befreiung von bestimmten WpÜG-Pflichten und Verzicht auf eine unmittelbare Börsenzulassung neuemittierter Aktien).
Potentielle Ad-hoc-Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit der Coronakrise
Für Unternehmen, die als Emittenten der EU-Marktmissbrauchsverordnung [VO(EU) Nr. 596/2014, „MAR“] unterliegen, kann im Zusammenhang mit der Corona­krise beispielsweise die Pflicht entstehen, Prognose- oder Strategieänderungen, Gewinnwarnungen, Dividendenkürzungen, Restrukturierungs- oder Kapitalmaßnahmen und sonstige bedeutende Geschäftsvorfälle per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen zu müssen, sofern es sich dabei um Insiderinformationen handelt, also kursrelevante, noch nicht öffentlich bekannte und präzise Informationen in Bezug auf den Emittenten oder die von diesem emittierten Finanzinstrumente [vgl. Art. 7 Abs. 1a) MAR]. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat auf ihrer Website am 20.03.2020 FAQs veröffentlicht (siehe hier), an denen sich Emittenten insoweit orientieren sollten.

Vertragsrechtliche Auswirkungen
Die Coronakrise wirkt sich auch auf die Vertragsrechts­praxis aus. Den Schwerpunkt bilden dabei bestehende vertragliche Lieferbeziehungen sowie M&A- und Finanzierungsverträge. Vor dem Hintergrund zunehmender Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sollte zudem die Notwendigkeit vertraglicher Schriftformerfordernisse überdacht werden.

Bestehende Lieferbeziehungen
Im Verhältnis zu Geschäftspartnern zeigt sich, wie belastbar vertragliche Liefer- oder Abnahmeverpflichtungen bei Verzögerungen oder Ausfällen in der Lieferkette oder bei Absatzeinbrüchen sind. In der Regel enthalten die zugrundeliegenden Vertragswerke Regelungen, die Bestimmungen über die Risikoverteilung in Fällen höherer Gewalt (Force majeure) enthalten und beispielsweise Lieferbeziehungen vorübergehend suspendieren können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einem Fall „höherer Gewalt“ ein „von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“ zu verstehen (siehe etwa BGH, Urteil vom 12.03.1987 – Az. VII ZR 172/86). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sollte bei relevanten Verträgen stets sorgsam hinterfragt und für jeden Einzelfall geprüft werden. Zu beachten ist insoweit aber, dass in reiserechtlichen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit dem vor einigen Jahren verbreiteten Vogelgrippe(SARS)-Virus ergangen sind, Epidemien und Pandemien als Fälle höherer Gewalt angesehen worden sind (siehe dazu AG Augsburg, Urteil vom 09.11.2004 – Az. 14 C 4608/03). Diese Argumentationen können möglicherweise auch in der gegenwärtigen Situation des Coronavirus herangezogen werden, um die Anpassung von bestehenden Verpflichtungen argumentativ zu begründen oder in Ausnahmefällen auch Zurückbehaltungsrechte oder Leistungsverweigerungsrechte geltend zu machen. Die bestehenden Verträge sollten zudem im Hinblick auf vereinbarte Selbstbelieferungsvorbehalte sowie etwaige bestehende Rüge- und Informationspflichten, Kündigungsrechte sowie Schadensersatzansprüche einer kritischen Analyse unterzogen werden. Gleichermaßen ist für den jeweiligen Einzelfall die Einleitung schadensmindernder Maßnahmen zeitnah zu überprüfen.

Besonderheiten bei M&A-Verträgen
Unternehmenskaufverträge enthalten regelmäßig sogenannte Material-Adverse-Change(MAC)-Klauseln. Diese gewähren ein vertragliches Rücktrittsrecht, wenn zwischen Vertragsunterzeichnung (Signing) und -vollzug (Closing) wesentliche nachteilige Änderungen bei dem Zielunternehmen oder in dessen Marktumfeld eintreten. Bei aktuell laufenden Unternehmenstransaktionen ist daher im Einzelfall zu prüfen, inwieweit etwaige Auswirkungen der Coronakrise auf die Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft von einer vereinbarten MAC-Klausel umfasst sind. Des Weiteren können auch vertragliche Zusicherungen und Garantien (Representations & Warranties) betroffen sein (siehe dazu ausführlich Köster/von der Groeben, Deutscher AnwaltSpiegel 6/2020, S. 11, hier).
Bestehende Finanzierungsverträge
Oftmals sehen die Finanzierungsverträge eines Unternehmens die erneute Abgabe vertraglicher Zusicherungen in regelmäßigen Zeitabständen vor (Repeated Representations). Im Hinblick auf negative Geschäftsentwicklungen infolge der Coronakrise ist insofern darauf zu achten, dass keine unrichtigen Zusicherungen abgegeben werden. Gleiches gilt für die Einhaltung vereinbarter Finanzkennzahlen (Financial Covenants). Ferner gilt es Cross-Default-Klauseln in den Finanzierungsverträgen im Auge zu behalten – im schlimmsten Fall kann bei Verzug oder Kündigung einer Finanzverbindlichkeit die sofortige Fälligstellung aller Verbindlichkeiten drohen.

Überprüfung der Notwendigkeit von gewillkürten Schriftformerfordernissen
Schriftformklauseln zählen zu den typischen „Boilerplate“-Regelungen der in der Unternehmenspraxis verwendeten Vertragswerke. Vereinbaren die Parteien, dass ein Vertrag der „Schriftform“ unterliegen soll, gilt – vorbehaltlich hiervon abweichender Regelungen – nach der Auslegungsregel des § 127 Abs. 1 BGB „im Zweifel“ die gesetzliche Schriftform. Erforderlich sind demzufolge eigenhändige Namensunterschriften (vgl. § 126 Abs. 1 BGB). Dieses Erfordernis dürfte dem Abschluss von Verträgen in Anbetracht der mit der Coronakrise einhergehenden personellen Einschränkungen (siehe bereits oben) und der vielfach ausgesprochenen Empfehlung zu dezentralem Arbeiten nicht dienlich sein. Die Einrichtung qualifizierter elektronischer Signaturen (vgl. § 126a BGB) wird gleichwohl nur in wenigen Ausnahmefällen in Frage kommen. Bei vertraglich vereinbarter Schriftform hilft aber bereits eine gesetzliche Formerleichterung ­(§ 127 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hiernach genügt zur Wahrung der gewillkürten Schriftform auch der Austausch von Willenserklärungen per E-Mail oder PDF-Scans oder mit Unterschriftenscans versehener elektronischer Dokumente. Es erscheint empfehlenswert, die im Unternehmen verwendeten Formklauseln zu überprüfen und „klassische“ Schriftformklauseln gegebenenfalls im Hinblick auf diese Formerleichterungen anzupassen – nicht zuletzt, um etwaige Unklarheiten zu vermeiden, denn die gesetzliche Formerleichterung gilt nur, „soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist“. Nur in wenigen Fällen dürfte – etwa aufgrund der höheren Beweiskraft – die handschriftliche Unterzeichnung von Dokumenten grundsätzlich vorzugswürdig sein. Durch die Vorbereitung von Unterschriftenseiten und die Inanspruchnahme von Kurierdiensten dürfte sich die Notwendigkeit physischer Zusammenkünfte zum Zweck der Vertragsunterzeichnung aber auch in diesen Fällen überwiegend vermeiden lassen.

Fazit
In Anbetracht des Ausmaßes der Coronakrise sind auch die gesellschafts- und vertragsrechtlichen Verpflichtungen eines Unternehmens auf den Prüfstand zu stellen. Dabei gilt es die Maßnahmen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die die gravierenden Auswirkungen der Coronakrise für Unternehmen abmildern sollen und sich insbesondere auf die gesellschaftsrechtliche Praxis auswirken. Ferner sollte die Unternehmensorganisation einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, um bestehende (Ausfall-)Risiken zu identifizieren und die operative Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

thorsten.ehrhard@de.ey.com

mauritz.mann@de.ey.com

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