Im Blickpunkt: Wertstabilität von Bitcoins beim Verfall
Von Dr. Susana Campos Nave
Kryptowährungen unterliegen starken Wertschwankungen
Kursveränderungen von bis zu 10% in einer Stunde wie bei der zentralen Kryptowährung Bitcoin sind aufgrund deren spekulativen Charakters keine Seltenheit. Die Wertstabilität eröffnet neue Fragen im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung.
Im Rahmen der Einziehung (§§ 73–76b StGB), die im Grundsatz auf die Abschöpfung eines durch eine rechtswidrige Tat erlangten Vermögensvorteils beim Täter abzielt, stellt sich dabei die Frage, wie sich die Situation der Wertsteigerung oder des Wertverfalls nach dem Zeitpunkt der Anordnung der Einziehung auswirkt.
Branchenunternehmen gehen von der Verwendung von Bitcoins für kriminelle Geschäfte – und damit rechtswidrige Taten – in Höhe von bis zu 1 Milliarde US-Dollar im Jahr 2019 aus. Praktische Anwendung finden diese beispielsweise im Drogenhandel bei Fällen, in denen Betäubungsmittel über das Internet verkauft werden und die Käufer mit Kryptowährungen bezahlen.
Bitcoins als erlangtes Etwas
Voraussetzung der Einziehung ist, dass der Täter „etwas“ erlangt hat, wobei der Begriff „etwas aus der Tat Erlangtes“ bezeichnet. Bei Bitcoins handelt es sich um verschlüsselte Datenpakete, die in einer sogenannten Wallet, einer Art elektronischen Geldbörse, aufbewahrt und über die Zahlungen abgewickelt werden.
Die Literatur knüpft im Hinblick auf den Gegenstand des Einziehungsausspruchs an die Rechtsnatur von Kryptowährungen an. Diese ist problematisch, da das Gesetz keine Regelung zu Kryptowährungen kennt. Da Kryptowährungen, insbesondere vor dem Hintergrund der Verwendung als Zahlungsmittel, auch als virtuelle Währungen bezeichnet werden, liegt der Vergleich mit Buchgeld nahe. Dieser muss im Ergebnis aber doch abgelehnt werden, da es bei Kryptowährungen an einem schuldrechtlichen Anspruch gegenüber einer auszahlenden Stelle, etwa einer Bank, fehlt (vgl. § 675t Abs. 1 BGB).
Der Bundesgerichtshof (BGH) geht – ohne auf deren Rechtsnatur einzugehen – davon aus, dass Bitcoins tauglicher Gegenstand einer Verfallsanordnung sind. Diese stellen angesichts ihres Marktwerts einen realisierbaren Vermögenswert dar, über den ein Täter die faktische Verfügungsgewalt hat. Damit können Bitcoins grundsätzlich als erlangtes Etwas in Betracht kommen, wenn diese unmittelbar aus der Tat erlangt worden sind.
Gegenstand der Verfallsanordnung
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zum illegalen Bitcoin-Schürfen sachgerecht auf den Schlüssel zu der Wallet als Gegenstand der Verfallsanordnung ab. Denn die tatsächliche Verfügungsgewalt von Inhabern von Bitcoins beschränkt sich auf den privaten Schlüssel, der es ermöglicht, Bitcoins zu transferieren. Die Berechtigung an einem Bitcoin ergibt sich folglich aus der Inhaberschaft des privaten Schlüssels, der digital oder physisch gespeichert sein kann.
Als Begründung führt der BGH aus, dass Bitcoins angesichts der Speicherung in der Blockchain und der Kombination aus öffentlichen und dem Täter bekannten privaten Schlüsseln der Wallet hinreichend abgrenzbar seien und damit als tauglicher Gegenstand einer Verfallsanordnung in Betracht kämen.
Des Weiteren enthalte, so das Gericht, die Verfallsvorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 a.F. StGB gerade keine Begrenzung auf Sachen oder Rechte. Damit erteilt der BGH gleichzeitig eine Absage an die Ansichten, die vertreten, dass Bitcoins deswegen kein Verfallsgegenstand sein könnten, weil es sich dabei weder um eine Sache noch ein Recht handele, weswegen der Wortlaut des § 73e a.F. StGB auf diese eben nicht anwendbar sei.
Wertersatzverfall
Ist die Einziehung eines Gegenstands wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrags an, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c StGB). Der Verfall des Wertersatzes kann dann relevant werden, wenn sich die Verfallsanordnung als nicht vollstreckbar erweist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Bitcoins nicht mehr verfügbar sind und nicht mehr herausgegeben werden können oder ein Zugriff auf die Bitcoins nicht möglich ist, etwa wenn der private Schlüssel zu der Wallet abhandengekommen ist.
Wert des erlangten Etwas
Der Wert von Bitcoins bestimmt sich nach dem Marktwert. Einen Wert per se besitzen Bitcoins nicht. Da sich der Marktwert von Bitcoins verändert und der Wert der Kryptowährung im Zeitpunkt der Einziehung lediglich eine Momentaufnahme darstellt, ist es fraglich, auf welchen Zeitpunkt im Hinblick auf die Wertbestimmung beim Wertersatzverfall abgestellt werden kann.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 06.06.2018 (BGH 4 Str 569/17) Stellung genommen, wonach für die Bestimmung des Wertersatzverfallsbetrags nach § 73a Satz 1 StGB a.F. die Wertsteigerungen des Erlangten ab dem Zeitpunkt, zu welchem die Voraussetzungen des Wertersatzverfalls eingetreten sind, unbeachtlich sind.
Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der Angeklagte in dem Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 über das Internet Betäubungsmittel in nicht geringer Menge angeboten hatte. Die Bezahlung erfolgte ausschließlich über Bitcoins, wobei im Tatzeitraum 8.102 Einzahlungen in die Wallet des Angeklagten durchgeführt wurden. Diese Bitcoins hatten nach Feststellung des Gerichts einen Gesamtwert von 10.528.591,55 Euro (ausgehend von einem Wert je Bitcoin von 1.740,33 Euro am 19.05.2017 – dem steht ein aktueller Wert von Bitcoins von etwa 10.000 Euro entgegen).
Der BGH stellt auf den Zeitpunkt des Entstehens des Wertersatzanspruchs ab und ist damit der Auffassung gefolgt, dass nachträgliche Wertsteigerungen ab diesem Zeitpunkt unbeachtlich seien. Eine Berücksichtigung nachträglicher Wertzuwächse würde zu der Situation einer verschärften Haftung führen, die über die illegitime Vermögensmehrung hinausgeht. Denn zu keinem Zeitpunkt hatte der Täter Verfügungsgewalt über das Erlangte, stellt man auf den nachträglichen Wert ab.
Fraglich und noch nicht vom BGH entschieden ist die Situation, in der Bitcoins nach dem Verfall an Wert verlieren. In Konstellationen nachträglicher Wertverluste wird vertreten, einen niedrigeren Verkehrswert der Kryptowährung zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen. Nur diese Sichtweise ist juristisch zutreffend. Denn hier geht der BGH nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz des „in dubio pro reo“ davon aus, dass die Bitcoins zugunsten des Täters einen niedrigeren Verkehrswert haben. Diese täterschützende Sichtweise mag einen Strafverteidiger überzeugen. Für die Vertreter der Geschädigten ist dies jedoch ohne Zweifel nachteilig, da damit auch ein geringerer Schaden angenommen wird. Und dies, obwohl zumindest in einer juristischen Sekunde ein höherer Wert vorgelegen hat.
Fazit
Die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten vermag im Grunde nur der Gesetzgeber durch eindeutige Regelungen zu entscheiden. Angesichts der voranschreitenden Vernetzung und Digitalisierung der Welt und einer zunehmenden Anzahl an Straftaten, die mit Kryptowährungen begangen werden, wäre zügiges gesetzgeberisches Handeln erforderlich, auch um für die Betroffenen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu erlangen. Vermutlich werden einige Bemühungen noch auf sich warten lassen, so dass es allein dem Rechtsanwender obliegt, die für ihn günstige Sichtweise zu stützen und anzuwenden.
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