Interviewserie: Corona und die Folgen für den Rechtsmarkt – Stimmen, Erkenntnisse, Ausblicke

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In dieser Ausgabe des Deutschen AnwaltSpiegels starten wir die Interviewreihe LegalChampions, in der die Redaktion dieses Onlinemagazins (Managing) Partnern in Sozietäten, Unternehmensjuristen und Kooperationspartnern die immer gleichen fünf Fragen zum Umgang mit und zu den Folgen der Coronakrise stellt. Wir möchten so Transparenz schaffen in Bezug auf die wichtigen und sich schon jetzt abzeichnenden nachhaltigen Veränderungen im Rechtsmarkt. Und wir möchten Trends aufzeigen in einer schwierigen Phase, in der gutes Management entscheidend ist für den erfolgreichen Weg durch unsichere Zeiten für Sozietäten, Mandanten und Dienstleister.

 

Fünf Fragen an: Dr. Markus Sengpiel, Co-Managing Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist Luther bisher durch die Coronakrise gekommen?

Dr. Sengpiel: Auf den Punkt gebracht: Bisher haben wir die Situation gut gemeistert.
Unsere Kolleginnen und Kollegen sind weltweit unterschiedlich von der Covid-19-Pandemie betroffen. Nachdem zunächst unser Büro in Schanghai für fast zwei Monate remote aus dem Home-Office heraus arbeiten musste, schwappte die Pandemie mit ihren Folgen auch auf die anderen Standorte über. Dadurch trafen uns die Auswirkungen nicht unvorbereitet.
Von den weltweit 1.400 Mitarbeitern haben in der Spitze etwa 800 Mitarbeiter aus dem Home-Office heraus unsere Mandanten bei der Bewältigung der Herausforderungen der Covid-19-Pandemie unterstützt. Durch geeignete Maßnahmen der Risikominimierung konnten wir auch den Betrieb aus den Büros reibungslos aufrechterhalten. Unsere Maßnahmen haben dabei optimal ineinandergegriffen. Als Bestätigung dafür sehen wir, dass wir nur einen einzigen Infektionsfall in unseren Reihen hatten und auch dieser zu keiner Ansteckung anderer Kolleginnen und Kollegen führte.

Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen der Sozietät als auch mit Blick auf den Markt?

Dr. Sengpiel: Unsere bisherigen Investitionen in die ­Digitalisierung unserer Leistungserbringung sowie unserer Beratungsleistungen als auch unser Full-Service-Beratungsangebot haben sich ausgezahlt. Aufgrund des bestehenden hohen Grads an Digitalisierung der Arbeit bei Luther war die temporäre Verlagerung der Arbeiten ins Home-Office problemlos möglich. Eine wichtige ­Rolle für den Austausch zwischen den Teams spielten dabei
unsere Kollaborationsplattform „Luther.connect“ sowie die flächendeckende und – was für uns besonders wichtig war – datenschutzkonforme Verfügbarkeit von Möglichkeiten für Videokonferenzen. Dies erlaubte uns, ohne nennenswerte Einbußen miteinander zu kommunizieren und zu arbeiten.
Unsere Mandanten haben unsere Unterstützungsleistungen zur Bewältigung der Covid-19-Krise sehr stark nachgefragt. Wir haben die Stärken unseres Full-Service-Ansatzes gewinnbringend für unsere Mandanten bei ihren individuellen Fragestellungen in allen ihren Märkten einsetzen können.
Mit hoher Disziplin haben alle Mitarbeiter dazu beigetragen, dass der Geschäftsbetrieb annähernd reibungslos aufrechterhalten werden konnte. Insbesondere der Spagat zwischen Beruf und Familie wurde von allen Mitarbeitern in beeindruckender Art und Weise bewerkstelligt.

Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheint ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere mit Blick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?

Dr. Sengpiel: Wer versucht, die aktuelle Ausnahmesituation unreflektiert auf den Normalbetrieb zu übertragen, übersieht viele Aspekte. Denn alle, also Mandanten ebenso wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, haben in dieser Situation notwendigerweise eine extrem hohe Bereitschaft zu Toleranz und Kompromissen gezeigt. Das wird sich sehr schnell wieder verändern. Alle Beteiligten spüren derzeit die Vorteile von Home-Office & Co., doch ebenso stark spüren sie auch die Nachteile und erheblichen Einschränkungen, welche diese Form der Zusammenarbeit mit sich bringt – von der Vermischung von Beruf und Privatleben einmal ganz zu schweigen. Gleichzeitig gewinnen wir wertvolle Praxiserfahrungen und Erkenntnisse für die Zusammenarbeit und die Mitarbeiterführung. Unser Ziel ist es, die Vorteile und Nachteile in ein angemessenes Verhältnis zu bringen, so dass die Vorteile überwiegen.

Die Frage nach Präsenzzeiten haben wir noch nie in den Mittelpunkt gestellt. Uns ging es auch in der Vergangenheit immer darum, die Aufgaben mit einer Qualität zu erledigen, dass die Erwartungen der Mandanten erfüllt wurden, auch im Hinblick auf unsere Erreichbarkeit. Dabei war uns wichtig, Flexibilität bei der internen Zusammenarbeit so zu gestalten, dass niemand einseitig Vorteile zu Lasten anderer hatte.
Beim Thema Dienstreisen habe ich die Hoffnung, dass hier das Thema Nachhaltigkeit noch stärker ins Bewusstsein rückt. Insofern könnte ich mir hier einen Schub durch die stärkere Nutzung von Onlinemeetings vorstellen.
Erst im Lauf der Zeit werden jedoch auch wir abschätzen können, wie sehr diese Pandemie sowohl unsere Art des Zusammenlebens als auch unsere Art der Zusammenarbeit verändern wird. Schlussfolgerungen zu ziehen zu diesem frühen Zeitpunkt wäre daher falsch. Wir wollen die Chancen allerdings ganz bewusst nutzen.

Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?

Dr. Sengpiel: Die Digitalisierung der Arbeitsprozesse innerhalb unserer Branche war bereits vor der Covid-19-Pandemie in vollem Gange. Die Unterschiede im Reifegrad der Kanzleien zeigen sich gerade. Wenn es also noch eines Beweises bedurft hätte, dass es sinnvoll und notwendig ist, die Digitalisierung weiter und mit voller Kraft voranzutreiben, dann liegt er jetzt unübersehbar auf dem Tisch.
Meine große Hoffnung ist, dass auch Politik und Gesetzgeber dies endlich erkennen und aktiv werden. Notwendige Reformen in staatlich regulierten Bereichen, wie etwa ­E-Justice, E-Health, E-Goverment, digitale Hauptversammlungen etc. müssen endlich angegangen und überkommene Vorstellungen über Bord geworfen werden. Gleiches gilt für eine Änderung der Juristenausbildung. Dort fristet das Thema Digitalisierung – wenn überhaupt – ein Exotendasein. Eine adäquate Vorbereitung auf die Berufswelt ist das schon lange nicht mehr. Und damit meine ich nicht etwa Onlinevorlesungen, sondern die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen, die auf das echte Berufsleben vorbereiten.

Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?

Dr. Sengpiel: Wir alle hoffen, dass die Weltwirtschaft durch eine konzertierte Bekämpfung der Pandemie die Kraft für einen positiven Entwicklungsschub behält. Ich wünsche uns allen, dass wir aus der Situation die richtigen Lehren ziehen. Weder ein allzu sorgloser Umgang noch ein zu pessimistischer Umgang mit der Pandemie und ihren Folgen werden uns auf diesem Weg helfen. Das Gebot der Stunde sind Umsicht und Maßhalten sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld.
Außerdem hoffe ich, dass – wenn sich der Himmel aufklärt – nicht alle einfach so weitermachen wie vor der Pandemie. Wir haben hier ungewollt eine einmalige Chance bekommen, unserer Welt ökologisch, ökonomisch und auch gesellschaftlich eine Richtung zu geben, die auch für die nächsten Generationen ein würdiges Miteinander ermöglicht. Ich sehe hier eine Parallele zur Rolle eines jeden Partners bei Luther: Es ist unsere Verantwortung, die Kanzlei an die nächste Generation in einem noch besseren Zustand zu übergeben, als wir sie von der Generation vor uns übernommen haben. Hieran arbeiten wir kontinuierlich, insbesondere auch in diesen Zeiten.

 

Fünf Fragen an: Dr. Christian Bloth, Partner, kallan Rechtsanwaltgesellschaft mbH, Frankfurt am Main

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist die kallan Rechtsanwaltsgesellschaft bisher durch die Coronakrise gekommen?

Dr. Bloth: Wie alle hatten wir dafür keinen Fahrplan in der Schublade. Wir haben uns zeitnah intensiv mit den Folgen für unsere Arbeit beschäftigt, der Sicherheit aller Mitarbeiter und mit den Abläufen im Büro, aber natürlich auch mit dem, was das für unsere Mandanten und Mandate bedeuten würde. Glücklicherweise sind unsere IT-Strukturen immer mit der Zeit gegangen. Home-Office-Konzepte gab es bereits, so dass alle Anwälte grundsätzlich von zu Hause arbeitsfähig waren. Da wir viele ausländische Mandanten haben, verlaufen viele Kontakte ohnehin über Videokonferenzen. So sind wir arbeitstechnisch stabil und gut aufgestellt gewesen. Mittlerweile arbeiten wir wieder „umschichtig“ aus unseren Büros – natürlich unter Einhaltung der bekannten Vorsichtsregeln. Es hat sich gezeigt: Investitionen in eine gute und zukunfts­­fähige IT-Struktur waren lohnend, in ganz anderer Weise als erwartet.

Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen der Sozietät als auch mit Blick auf den Markt?

Dr. Bloth: Unsere Mandate haben sich in gewisser Form geändert: neue Herausforderungen im Arbeitsrecht mit erheblichem Beratungsbedarf, M&A-Projekte teilweise pausierend, teilweise weitergehend. Im Immobilienbereich warfen die krisenbedingten Veränderungen im Mietrecht ebenfalls neue Fragen auf. Intern – ein guter Teamgeist im Büro bewährt sich.

Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheint ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?

Dr. Bloth: Es hat sich gezeigt, dass viele Mandantenbesprechungen, aber auch interne Besprechungen in Videokonferenzen abgehalten werden können – ohne großen Verlust an Effektivität. Aus meiner Sicht kann das dazu beitragen, mehr darüber nachzudenken, ob eine Reise notwendig ist. Das Arbeiten auf Distanz mag stärker genutzt werden, wobei dies aber die persönlichen Kontakte, den unmittelbaren Austausch nicht vollständig zu ersetzen vermag, weder intern noch nach außen mit Mandanten oder Netzwerkpartnern.
Um Home-Office dauerhaft zu ermöglichen, müssen räumliche Gegebenheiten und Mobiliar professionell als „Office“, weniger als „Home“ gestaltet sein. Wenn dies so gestaltet ist, mag es eine Minderung notwendiger Bürofläche geben, wenn sich Anwälte Büroräume teilen. Allerdings ist die Kanzlei dann gefordert, im „Home“ für eine geeignete Ausstattung zu sorgen.

Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?

Dr. Bloth: Für den Bereich des weiteren Ausbaus der Kommunikations- und Arbeitstechnik lässt sich dies uneingeschränkt sagen. Umfang und Pflege von Datenbanken, die Arbeiten auf Distanz ermöglichen, werden wichtiger.

Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?

Dr. Bloth: Juristen sind vorsichtig – diese Glaskugel ist schon in „normalen Jahren“ undurchsichtig. Wir alle müssen eng am Geschehen bleiben, um schnell reagieren zu können. Aber es lässt sich eher von stärkerem krisenbedingtem Beratungsbedarf ausgehen als von einer „Investitionswelle“.

 

Fünf Fragen an: Dr. Manuel Meder, Mitgründer und CEO, BusyLamp, Frankfurt am Main

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist BusyLamp bisher durch die Coronakrise gekommen?

Dr. Meder: Wir sind bislang gut durch die Krise gekommen. Etwa 90% unserer Umsätze sind „Recurring Revenues“ und resultieren aus langfristigen Kundenverträgen. Hier zeigt sich, dass das Software-as-a-Service-Geschäftsmodell (SaaS) im Vergleich zum reinen Auftragsgeschäft krisenfest ist. Wir profitieren von unserem stabilen Bestandskundengeschäft; die letzte Vertragskündigung liegt etwa eineinhalb Jahre zurück. Nichtsdestotrotz haben natürlich auch wir im Neukundengeschäft gemerkt, dass viele Unternehmen gerade andere Sorgen haben, als sich mit dem Einkauf von Software auseinanderzusetzen. Das ist verständlich und bei uns selbst ja auch nicht anders: Auch wir haben erst einmal alle Projekte, die nicht unbedingt erforderlich und zeitkritisch sind, „on hold“ gesetzt.

Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen als auch mit Blick auf den Markt?

Dr. Meder: Die Haupterkenntnis mit Blick auf die internen Strukturen ist sicherlich, wie gut es klappt, 100% remote zu arbeiten, und wie gut unser Team insgesamt mit einer solch außerordentlichen Situation umgehen kann. Mit Blick auf den Markt wird in diesen Zeiten deutlich, dass insbesondere Unternehmen, die ihre Prozesse weitgehend digitalisiert haben, besser durch die Krise kommen. Wir haben einige Rechtsabteilungen als Kunden, die bereits nahezu „touchless“ arbeiten und uns gegenüber berichten, wie sehr sie gerade jetzt davon profitieren.

Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheint ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?

Dr. Meder: Der Home-Office-Anteil wird sicherlich nach der Krise wieder zurückgehen; momentan liegt er ja aufgrund der Umstände bei nahezu 100%. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sehnen sich – wie ich – danach, wieder einen „normalen“ Bürotag zu verbringen. Das persönliche Gespräch hat einen besonderen Wert, und das wird grundsätzlich auch so bleiben. Dennoch wird der Trend hin zum flexiblen Arbeiten durch diese Krise beschleunigt, weil man eben merkt, dass es auch so gut funktioniert. Wir gehen zukünftig von einem Home-­Office-Anteil von etwa 50% aus; vor der Krise lag er bei etwa 20%. Dies berücksichtigen wir entsprechend bei der Büroflächenplanung. Obwohl wir stetig wachsen – wir ­haben seit Jahresbeginn sieben neue Mitarbeiter eingestellt –, steht ein Büroumzug in den nächsten 18 Monaten nicht an. Zum Thema Dienstreisen: Ich gehe davon aus, dass nach der Krise die Anzahl der Dienstreisen zwar wieder zunehmen, aber nicht das Ausgangsniveau erreichen wird.

Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?

Dr. Meder: Davon gehe ich aus – und hoffe es natürlich auch. Der Trend hin zum Digitalen wird sich insgesamt beschleunigen, und der Rechtsmarkt wird hier keine Ausnahme bilden. Spannend wird allerdings sein, wann sich die Kanzleien und Unternehmen wieder dem Thema widmen. Denn so gut beispielsweise die Digitalisierung von Prozessen sein mag, so klar ist auch, dass der Weg dorthin zunächst einmal Ressourcen kostet, die gerade in der Krise knapp sind. Die Gewinner dieser Zeit werden gleichwohl die Ressourcen für die Digitalisierung aufbringen, um letztlich aus der Krise gestärkt hervorzugehen und sich dem sicher nicht abnehmenden Wettbewerb bestmöglich stellen zu können.

Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren Verlauf des Jahres 2020?

Dr. Meder: Die Krise wird uns noch lange begleiten und tiefe Spuren hinterlassen, wirtschaftlich und auch gesellschaftlich. Das wird nicht einfach. Allerdings ergeben sich (wie in jeder Krise zuvor auch) gerade sehr große Chancen, die es zu nutzen gilt.

 

Fünf Fragen an: Dr. Daniel Biene, LL.M. (New York), Geschäftsführer, axiom, Frankfurt am Main/Zürich

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist axiom bisher durch die Coronakrise gekommen?

Dr. Biene: Für axiom hat die Krise bisher glücklicherweise keine größeren negativen Auswirkungen gehabt. Unser Geschäft beruht seit unserer Gründung vor 20 Jahren auf bedarfsgerechter und kostenoptimierter Flexibilität, häufig auch „remote“. Insofern lässt sich bei allem Respekt für die Tragik der Situation sagen, dass wir bei den neuen Herausforderungen in unserem Element sind. Kundenseitig führt die Krise teils zu sinkendem, teils zu steigendem Bedarf an flexibler juristischer Unterstützung. Bisher hält sich das die Waage.

Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – bezogen sowohl auf interne Strukturen als auch mit Blick auf den Markt?

Dr. Biene: Unser Team war schon vorher durchgehend mit mobilen Arbeitsmitteln und der entsprechenden Software ausgestattet. Es arbeitet sehr vernetzt über unsere 17 Büros weltweit hinweg. Daher hat sich durch die Umstellung auf Remote-Work überraschend wenig verändert. Es gibt sogar einige unerwartete positive Effekte, wie beispielsweise ein durch die höhere Nutzung von Videotelefonie noch weiter verbessertes Teamgefühl und häufig auch eine bessere Effizienz. Im Wesentlichen deckt sich das auch mit meiner Beobachtung des Markts. Unterschiede sind meistens direktes Ergebnis der jeweiligen Unternehmenskultur.

Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheint ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere im Hinblick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?

Dr. Biene: Auch diesbezüglich denke ich, dass die jeweilige Unternehmenskultur vor der Krise einen erheblichen Einfluss auf die Zeit nach der Krise haben wird. Jedenfalls im Schnitt bin ich fest davon überzeugt, dass wir nicht wieder zu der gleichen Rigidität bei Präsenzzeiten und Büroflächenplanung zurückkehren werden. Spätestens jetzt sind vielen die mangelnde Wirtschaftlichkeit und auch die unnötig schlechte Vereinbarkeit mit heutigen Lebensmodellen klar geworden. Gleiches gilt für viele Dienstreisen. Selbstverständlich bleibt der persönliche Kontakt die Grundlage für alles. Aber wir werden nicht mehr jede Reise machen, die wir vorher für unverzichtbar gehalten haben.

Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer ­Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?

Dr. Biene: Ja – wobei abzuwarten bleibt, wie tiefgreifend dieser Schub ausfällt. Zumindest sehr einfache Prozesse wie beispielsweise die Einholung von Unterschriften werden endlich digital umgesetzt werden. Dort ist trotz entsprechenden Bewusstseins schon seit Jahren viel versäumt worden, was vielen Unternehmen und Rechtsabteilungen nun schmerzlich auf die Füße gefallen ist. Ich würde mir wünschen, dass auch darüber hinaus viele der weiteren archaischen Tätigkeiten, die niemandem Spaß machen und für die niemand mehr bezahlen will, nun schneller in zeitgemäße digitale Bahnen gelenkt werden.

Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren ­Verlauf des Jahres 2020?

Dr. Biene: Die wirklichen Auswirkungen der Krise, positiv wie negativ, werden wir sicherlich erst 2021 und in den anschließenden Jahren sehen. Schon 2020 wird es allerdings Auswirkungen auf den Rechtsmarkt geben, weil viele Unternehmen aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Situation auch bei ihren Rechtskosten nochmals deutlich genauer hinschauen müssen. Das wird zu einer neuen Offenheit für kreative Ansätze mit höherer Qualität zu niedrigeren Kosten führen – seien es digitale oder andere Lösungen außerhalb der seit Jahrzehnten gepflegten Art, juristische Aufgaben zu lösen.

 

Fünf Fragen an: Prof. Dr. Ulrich Schnelle, LL.M., Co-Managing Partner, Haver & Mailänder, Stuttgart

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie ist Haver & Mailänder bisher durch die Coronakrise gekommen?

Prof. Dr. Schnelle: Wir haben bisher keine Krankheitsfälle bei den Mitarbeitern oder Anwälten. Die Rückkehrer aus sogenannten Krisenregionen, insbesondere Österreich, hielten die Quarantänezeiten ein und blieben ohne Befund. In wirtschaftlicher Hinsicht sind gravierende Einbußen bisher nicht festzustellen. Der Auftragseingang ist in einigen Referaten leicht rückläufig. In manchen Bereichen, insbesondere Arbeitsrecht und Litigation, steigt er teilweise deutlich an. Es ist sicherlich noch zu früh, eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Bisher sind auch die befürchteten langen Zahlungsverzögerungen ausgeblieben. Dies kann sich aber im Laufe der nächsten Monate ändern.
Insgesamt hat es sich ausgezahlt, dass die entsprechenden Maßnahmen zur größtmöglichen Verringerung der Ansteckungsgefahr getroffen und umgesetzt wurden. Positiv ausgewirkt hat sich auch, dass die Partnerschaft über Rücklagen verfügt, die auch einen längeren Liquiditätsengpass oder auch -ausfall auffangen können.

Deutscher AnwaltSpiegel: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Managementsicht bereits gewinnen können – ­bezogen sowohl auf interne Strukturen der Sozietät als auch mit Blick auf den Markt?

Prof. Dr. Schnelle: Die internen Strukturen haben sich insgesamt bewährt. Positiv hervorzuheben ist vor allen Dingen, dass die Kanzlei als Full-Service-Kanzlei die Rückgänge von Auftragseingängen in manchen Bereichen durch erhöhte Aktivitäten in anderen Bereichen kompensieren kann. Die Verjüngung der Kanzlei war insofern förderlich, als keine wesentlichen Schwierigkeiten mit der Umstellung auf geänderte Kommunikations- und Arbeitsformen bestanden. Die Einteilung der Mitarbeiter und der Anwälte im Home-Office sowie auch die Trennung von Mitarbeitern und Anwälten in einzelnen Fachgruppen, um das Referat auch bei Ansteckung einer Person aufrechthalten zu können, haben wie in einem Brennglas gesundheitliche und persönliche Themen wie mögliche Vorerkrankungen und auch Fragen der Kinderbetreuung sehr deutlich gemacht. Wir haben glücklicherweise alle diese Punkte vor allem bei den Mitarbeitern berücksichtigen und die Aufteilung so arrangieren können, dass – soweit möglich – den Interessen der betroffenen Personen Rechnung getragen werden konnte.
Mit Blick auf den Markt ist darauf hinzuweisen, dass der deutsche Anwaltsmarkt aus unserer Sicht jedenfalls bisher nicht besonders schwer betroffen ist. Im Vergleich zu Meldungen aus insbesondere US-amerikanischen Kanzleien, teilweise auch aus englischen Sozietäten, halten sich die Mitteilungen aus deutschen Kanzleien, das entspricht auch unseren Erkenntnissen, doch sehr im Rahmen. Allgemein üblich und auch von uns erwogen scheint eine Verschiebung oder Aussetzung der Auszahlung von Partnerentnahmen zu sein. Eine wesentliche Beeinträchtigung von Mitbewerbern sehen wir nicht.

Deutscher AnwaltSpiegel: Home-Office und das Arbeiten in virtuellen Teams scheint ganz überwiegend zu funktionieren. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zeit nach der Krise – insbesondere mit Blick auf Präsenzzeiten im Office, Dienstreisen und die zukünftige Planung der Büroflächen?

Prof. Dr. Schnelle: Der persönliche Kontakt zwischen Mandant und seinem Anwalt und auch intern zwischen den Anwälten untereinander spielt eine große Rolle. Es war und ist spannend, wie gut Videokonferenzen ­funktionieren müssen, wenn es nicht anders geht, aber wir freuen uns schon auf eine Rückkehr der Normalität. Wir haben schon vor der Krise intern auf Arbeitsbedürfnisse Rücksicht genommen. Die Anwältinnen und Anwälte mit jüngeren Kindern haben schon vorher im Home-Office arbeiten können. Wir erwarten, dass die Wünsche nach Fortsetzung der Tätigkeit im Home-Office vereinzelt zunehmen werden, hier wollen und werden wir die Uhr nicht zurückdrehen, aber auch die Qualität des persönlichen Miteinanders nicht aus dem Blick verlieren.
Wir gehen davon aus, dass nach Aufhebung von Reise- und Umgangsbeschränkungen die Reisetätigkeit kurzfristig zunehmen wird – es gibt viel nachzuholen. Die Reisetätigkeit wird aber insgesamt im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit zurückgehen. Dass gerade innerhalb von Deutschland Reisezeit eingespart werden kann, haben wir aber auch vor der Coronakrise mit anderen politischen Vorzeichen zeitgemäß diskutiert und hatten wir auch schon umgesetzt.Hinsichtlich der Büroflächen ist für uns festzuhalten, dass wir großzügige Büroflächen, aber eine beschränkte Zahl von Büros haben. Eine Reduzierung der Büroflächen wird es von daher nicht geben.

Deutscher AnwaltSpiegel: Führt Corona nach Ihrer Einschätzung zu einem Digitalisierungsschub im Rechtsmarkt?

Prof. Dr. Schnelle: Der Digitalisierungsschub wird sich nach unserer Einschätzung eher auf die Art der Kommunikation erstrecken. Hier wird es bei den in der Coronazeit geübten Praktiken bleiben. Ob es für die Anbieter von Dienstleistungen mit spezifisch anwaltlichem oder juristischem Einschlag einen Schub geben wird, bleibt abzuwarten. Wir sind der Auffassung, dass der Markt durchaus zwischen absolut notwendigen Leistungen, die auch funktionieren, wie etwa verschiedenen Formen von Videoschaltkonferenzen, und anderen Angeboten, wie etwa spezialisierter Software, unterscheiden kann.

Deutscher AnwaltSpiegel: Schließlich – der Blick in die Glaskugel: Wagen Sie eine Prognose für den weiteren ­Verlauf des Jahres 2020?

Prof. Dr. Schnelle: Der weitere Verlauf des Jahres 2020 hängt natürlich entscheidend von der Entwicklung bei den Mandanten ab. Unsere Mandanten verteilen sich auf eine Mehrzahl von Wirtschaftsbereichen. Das weitere Jahr könnte für die Sozietät herausfordernd werden, insbesondere im Hinblick auf die Sommermonate, wenn bis dahin keine wesentliche Reaktivierung der Wirtschaft erfolgt ist und vor allen Dingen auch keine klare Perspektive aufgezeigt ist, wie es im Hinblick auf finanzielle Unterstützung, Kredite und Ähnliches für die einzelnen Unternehmen konkret weitergeht. Für das Jahresergebnis wird das Ausbleiben von Tätigkeiten in bestimmten Bereichen aufzufangen sein. Wir erwarten gegenwärtig keine neuerlichen Umsatzsteigerungen gegenüber den Vorjahren. Und selbst bei Umsatzrückgängen werden wir wie bisher und im laufenden Jahr keine Abstriche bei Gehältern der Mitarbeiter und angestellten Anwälte machen.

Wichtiger ist uns allerdings, dass die Mitarbeiter und Anwälte soweit möglich gesund bleiben und die Motivation insgesamt hoch bleibt. Dies hängt nicht zuletzt auch von Fragen wie der Verbesserung der externen Kinderbetreuung und natürlich für unser junges Team auch von der Möglichkeit ab, inwieweit irgendwann wieder Urlaubsreisen, nicht zuletzt auch ins Ausland, möglich sein werden. In jedem Fall wird das Jahr als schwierig angesehen und dürfte mindestens ähnliche Auswirkungen haben wie die Jahre der Finanzkrise.

 

 

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