Das Kurzarbeitergeld geht in Verlängerung. Statt zwölf Monate können Unternehmen jetzt bis zu 24 Monate lang Kurzarbeitergeld beantragen. Mehr Betriebe denn je haben bisher Kurzarbeit genutzt, um ihre Personalkosten zu entlasten, Kündigungen zu vermeiden und Liquidität zu sichern. Doch Fehler bei Antrag oder Durchführung können erhebliche Konsequenzen für Unternehmen und insbesondere ihre Führungskräfte haben.
Das zeigen Erfahrungen aus der Finanzkrise. Damals wurden bei den in der Spitze rund 160.000 Unternehmen, die Kurzarbeit angemeldet hatten, etwa 1.500 Fälle mit Verdacht auf betrügerische Handlungen und weitere Delikte aufgedeckt. Davon wurden in 850 Fällen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Missbrauchsquote lag schließlich bei 1,4%.
Die Auswirkungen der Coronakrise lassen die Zahlen von damals verblassen: Bis September 2020 haben mehr als 915.000 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Und so ist ein entsprechender Anstieg an Missbrauchsfällen zu befürchten, aktuell gehen die Behörden bereits 2.100 Verdachtsfällen nach.
Agentur für Arbeit, Zoll und Finanzpolizei stehen also bereit, um sicherzustellen, dass das Kurzarbeitergeld tatsächlich dort landet, wo es rechtmäßig benötigt wird, und dass Missbrauch bestraft wird. Die Behörden verfügen über spezialisierte Prüfer, Erfahrungen aus den vergangenen zehn Jahren sowie über moderne IT-Tools, um Unstimmigkeiten schnell und effektiv aufzudecken.
Gefahren innerhalb der Unternehmen bei Bezug von Kurzarbeitergeld
In der Finanzkrise dauerten entsprechende Untersuchungen bis zu zwei Jahre nach Beendigung der Krise an und stellten für die betroffenen Unternehmen eine große Herausforderung dar, denn die Vorwürfe sind im Fall eines Falles schwerwiegend: Betrug, Erpressung oder Steuerhinterziehung sind in diesem Zusammenhang typische Deliktarten. Geschäftsführer, Vorstände und beteiligte Mitarbeiter müssen mit hohen Geldstrafen, Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren und erheblichen Reputationsschäden rechnen.
Das Risiko der Strafbarkeit steigt bei Gleichgültigkeit und grober Unachtsamkeit. Die Leitungsebene muss sich bewusst sein, dass es nicht ausreicht, die tatsächliche Erfüllung der einschlägigen Pflichten nur zu dokumentieren. Im Zweifel muss sie das korrekte Verhalten auch stichhaltig nachweisen können. Dazu zählen Informations-, Erkundigungs-, Prüfungs- und Aufsichtspflicht. Genauigkeit und Nachweise zur Erfüllung der Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld spielen dabei eine große Rolle.
Lückenlose Dokumentation der Erfüllung von Voraussetzungen sowie Änderungen im Zeitablauf
Die wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld umfassen:
- Vereinbarung über Einführung der Kurzarbeit
- Anzeige bei der Agentur für Arbeit
- Mindestens 10% eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung müssen betroffen sein
Kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht:
- wenn der Arbeitsausfall auf andere Ursachen zurückzuführen ist,
- wenn der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend ist,
- wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist oder der betreffende Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat,
- wenn der Arbeitsausfall vermeidbar ist.
Unternehmen sollten nicht abwarten, bis Prüfungen oder gar Ermittlungen eingeleitet werden, sondern durch präventive Maßnahmen sicherstellen, dass die Voraussetzungen durchgängig erfüllt sind oder Änderungen umgehend an die zuständige Stelle gemeldet werden.
Beispiele für Compliancenachweise der Unvermeidbarkeit
Komplex wird es im Detail, beispielsweise bei der Voraussetzung der Unvermeidbarkeit. Befand sich das Unternehmen bereits vor Covid-19 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder lässt sich die Geschäftstätigkeit nicht offensichtlich einer „Corona-betroffenen“ Branche zuordnen, so sollte der Antragsteller die Unvermeidbarkeit besonders gewissenhaft belegen. Die Darstellung der Auftragseingänge allein genügt nicht. Ergänzend sollten automatisierte Analysen und regelmäßige Prüfungen anderer Faktoren hinzukommen, etwa von Stornierungen, Materialeingängen oder Produktionsmengen.
Die Unternehmensführung sollte ihre unternehmerischen Entscheidungen permanent hinterfragen: Hätten wir die Auswirkungen durch das Einführen von Home-Office einschränken können? Hätten wir vorproduzieren können, oder haben wir Auftragsrückstände abgearbeitet? Wurde vor der Einführung von Kurzarbeit erhebliche Mehrarbeit geleistet, und verfälscht diese Mehrarbeit die Coronaeffekte?
Personalabteilungen sollten besonderes Augenmerk auf die Urlaubskontingente betroffener Mitarbeiter legen, denn Vorjahresurlaub muss zunächst genutzt werden. Bei bestehender Urlaubsplanung im Betrieb oder bei nachgewiesenen Urlaubsbuchungen des Arbeitnehmers besteht keine Pflicht zur Nutzung des Urlaubsguthabens. Anders sieht es aus, wenn bereits genehmigter Urlaub zurückgenommen wird, was sich in der Regel durch die Auswertung von Stornierungskennzeichen schnell nachvollziehen lässt – dann fragt sich, ob die Kurzarbeit wirklich unvermeidbar war. Und natürlich ändert sich diese Betrachtung, wenn die Kurzarbeit über den Jahreswechsel 2020/21 hinaus fortgesetzt wird.
Gleiche Fragen dürften auch nicht in Anspruch genommene Arbeitszeitguthaben aufwerfen, wobei oftmals eine Analyse unterschiedlicher Arbeitszeitkonten notwendig wird. Unternehmen sollten deshalb jede Woche Arbeitszeiten und Überstundenbestände anhand von Zeitnachweislisten analysieren.
Vertrauensarbeitszeiten und Home-Office-Regelungen erschweren den Nachweis der Ist-Arbeitszeiten zusätzlich. Es ist ratsam, interne Revisoren und Arbeitsrechtler einzubeziehen, die weitere Details und Auffälligkeiten im Blick behalten können, etwa nachträglich gebuchte Arbeitszeiten, geänderte Soll-Arbeitszeiten oder angepasste Arbeitszeitstammsätze kurz vor Beginn oder nach Bezug von Kurzarbeitergeld. Besonders sorgfältig sollten auch Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ausgewertet werden, ebenso wie Altersteilzeitmodelle und Schichtmodelle sowie Umschichtungen und Aufgabenumverteilungen. Um betrügerischen Absprachen und deren Kompensation entgegenzuwirken, sollten zudem die Abhebung großer Beträge, ein Absinken von flüssigen Mitteln oder sonstige Ausgleiche mit in die Auswertung einbezogen werden.
nkiehne@kpmg.com
smiddendorf@kpmg-law.com