Die Bundesregierung hat am 12.06.2020 das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz als Teil des Konjunkturpakets zur Verringerung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Krise beschlossen (Regierungsentwurf abrufbar hier). Dieses Paket enthält – neben einer Vielzahl weiterer Maßnahmen – auch die Absenkung des regulären Umsatzsteuersatzes von derzeit 19% auf 16% sowie des ermäßigten Steuersatzes von aktuell 7% auf 5%. Der Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens wurde mit Stand zum 11.06.2020 inzwischen ebenfalls veröffentlicht (Entwurf abrufbar hier). Die Idee hinter der Umsatzsteuersenkung ist nachzuvollziehen, erhofft sich die Bundesregierung doch durch die Maßnahme eine Steigerung des Konsums, der die durch Covid-19 geschwächte Wirtschaft ankurbelt. Dies setzt jedoch voraus, dass die Steuersenkung über eine Preissenkung an die Konsumenten weitergegeben wird und bei den Unternehmen der Umstellungsaufwand, der durch die Änderung verursacht wird, den wirtschaftlichen Vorteil nicht vollständig aufzehrt.
Umstellungsaufwand in den Unternehmen
Der bei den Unternehmen durch die Umsatzsteuersenkung verursachte Umstellungsaufwand trifft viele Bereiche des Unternehmens, insbesondere die Buchhaltung und die Steuerabteilung. So sind die Buchhaltungs- und Warenwirtschaftssysteme, aber auch Dauerrechnungen und -aufträge, Lastschriftverfahren und der automatisierte Umsatzsteuerprozess im Unternehmen anzupassen. Auch Verträge mit Kunden und Lieferanten sind zu überprüfen. Insbesondere die technische Umstellung kann Probleme bereiten, so konnte etwa bereits festgestellt werden, dass in mancher Buchhaltungssoftware kein zweiter (regulärer) Umsatzsteuersatz hinterlegt werden kann oder dass für die Übergangszeit nicht zwei Steuersätze parallel verwendet werden können. Zumindest zeichnet es sich aber ab, dass der Einzelhandel mit Blick auf die begrenzte zeitliche Geltungsdauer der reduzierten Steuersätze keine aufwendige Umetikettierung seiner Waren vornehmen muss. Es soll vielmehr zulässig sein, die gesenkten Umsatzsteuersätze über pauschale Rabatte an der Kasse an den Kunden weiterzugeben. Ob die Umsatzsteuersenkung an den Kunden weitergegeben werden soll, ist eine Grundsatzentscheidung des Unternehmens, die zeitnah von der Unternehmensleitung getroffen werden muss. In diesen Prozess sollte auch die Marketingabteilung eingebunden werden. Neben diesen praktischen Aspekten bei der Implementierung der geänderten Steuersätze müssen auch die umsatzsteuerrechtlichen Folgen für das Tagesgeschäft bedacht werden.
Ab wann ist der reduzierte Steuersatz anzuwenden?
Grundsätzlich ist ein vom Unternehmer bewirkter Umsatz in dem Zeitpunkt zu besteuern, in dem der Umsatz ausgeführt wird. Auf die Bezahlung der Leistung sowie den Zeitpunkt der Rechnungsstellung kommt es hingegen nicht an. Dies bedeutet, dass auf alle Leistungen, die nach dem geplanten Inkrafttreten der Umsatzsteuersenkung zum 01.07.2020 erbracht werden, der verringerte Steuersatz von 16% bzw. von 5% angewendet werden muss. Werden die Leistungen hingegen noch bis zum 30.06.2020 bewirkt, so finden auf diese Leistungen die derzeit noch geltenden Steuersätze von 19% bzw. 7% nach wie vor Anwendung. Daher ist es wichtig, den Leistungszeitpunkt eindeutig zu bestimmen, und es empfiehlt sich, Leistungen vor und nach dem Stichtag getrennt in Rechnung zu stellen. Wird in einer Rechnung auch für Leistungen, die nach dem 30.06.2020 erbracht wurden, der alte Steuersatz zugrunde gelegt, so muss der Unternehmer auch den überhöhten Umsatzsteuerteil an das Finanzamt abführen. Abhilfe kann in diesen Fällen nur eine Rechnungskorrektur schaffen. Auf der Vorsteuerseite kann – ungeachtet des höheren Steuerausweises – nur die Umsatzsteuer in Höhe von 16% bzw. 5% geltend gemacht werden.
Anzahlungen und Berechnung nach vereinnahmten Entgelten
Umsatzsteuerlich komplexer stellen sich Leistungsbeziehungen dar, in denen ein Unternehmer bis zum 30.06.2020 eine Anzahlung oder ein sonstiges Entgelt für Leistungen vereinnahmt, die er erst nach dem 30.06.2020 erbringt, oder wenn ein Unternehmer seine Umsätze nach dem Prinzip der Ist-Besteuerung, also nach Maßgabe der von ihm vereinnahmten Entgelte versteuert. Es ist anzunehmen, dass Anzahlungsrechnungen für nach dem 30.06.2020 zu erbringende Leistungen bislang noch den derzeit gültigen Steuersatz von 19% bzw. 7% enthalten und der Kunde diesen höheren Betrag zahlen wird. Dementsprechend muss der Unternehmer den höheren Umsatzsteuerbetrag auch abführen. Da die Leistung des Unternehmers jedoch erst nach dem 30.06.2020 erbracht wird, unterliegt diese Leistung nur noch dem reduzierten Steuersatz von 16% bzw. 5%. Dies hat zur Folge, dass die bis zum 30.06.2020 erhaltene Anzahlung einen zu hohen Umsatzsteueranteil enthält und damit der Unternehmer bisher im Ergebnis zu viel Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat. Dies gilt auch für Unternehmer, die die Ist-Besteuerung anwenden. Denn obwohl diese ihre Umsätze mit Vereinnahmung der Zahlung versteuern müssen, muss für die Bestimmung des Steuersatzes auch hier auf den Zeitpunkt der Leistung abgestellt werden. Sofern in der (Anzahlungs-)Rechnung Umsatzsteuer zu hoch ausgewiesen ist, kommt eine Erstattung durch den Fiskus erst in Betracht, wenn die Rechnung korrigiert wurde. Bei Nettovereinbarungen hat der Unternehmer seinem Kunden die überhöhte Umsatzsteuer entsprechend zu erstatten. Bei Bruttovereinbarungen hingegen ändert sich nur die Umsatzsteuer, während der Gesamtbetrag gleich bleibt. Die Differenz gehört dann grundsätzlich dem Unternehmer, außer der Kunde macht einen (zivilrechtlichen) Ausgleichsanspruch geltend. Ist dies der Fall, kommt es zu einer beim Unternehmer zu berücksichtigenden Änderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Laut dem Entwurf des BMF-Schreibens (Tz. 8) wird es die Finanzverwaltung zur Vereinfachung auch für zulässig erachten, wenn eine Rechnungskorrektur nicht erfolgt, sondern in der Schlussrechnung für die Gesamtleistung der reduzierte Steuersatz insgesamt ausgewiesen und berechnet wird, so dass die Leistung mit Erstellung der Schlussrechnung umsatzsteuerlich korrekt abgebildet wird.
Teilleistungen
Im Gegensatz zu Anzahlungsrechnungen wurde bei Teilleistungen im Zeitpunkt der Rechnungsstellung bereits ein Teil der vereinbarten Leistungen bewirkt. Mit Blick auf die anstehende Umsatzsteuerreduktion bedeutet dies, dass Teilleistungen, die bis zum 30.06.2020 erbracht wurden, noch dem derzeit geltenden Steuersatz unterliegen, auch wenn diese Leistungen erst im Juli 2020 abgerechnet werden. Werden Leistungen nach dem 30.06.2020 erbracht, so unterliegen diese dem reduzierten Steuersatz. Mithin kann es dazu kommen, dass Teilleistungen, die im Rahmen eines größeren Projekts „zusammengehören“, nach unterschiedlichen Steuersätzen versteuert werden, wenn eine Teilleistung vor und eine nach dem 01.07./30.06.2020 ausgeführt wird. Bestehende und neue längerfristige Verträge sollten auf die Möglichkeit von Teilleistungen hin geprüft werden, um sich den reduzierten Steuersatz durch Ausführung der Teilleistung bis zum 31.12.2020 zu sichern.
Dauerschuldverhältnisse
Besonders betroffen von der Änderung des Umsatzsteuersatzes sind Leistungen im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen, wie etwa die turnusmäßige Lieferung von Waren oder Leistungen, die im Rahmen von dauerhaften Leistungsvereinbarungen erbracht werden. Dauerleistungen in Form einer sonstigen Leistung werden, soweit sie dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht werden, spätestens mit dem Ablauf eines jeden Kalenderjahrs, in dem sie tatsächlich erbracht werden, besteuert. Soweit eine Rechnungsstellung nach einem festen Turnus, etwa monatsweise, vereinbart ist, entsteht die Steuer mit Ablauf dieses Zeitraums. Dies ist unter anderem bei im Voraus zu zahlenden Mieten zu beachten. Leistungen in Form von wiederkehrenden Lieferungen – sogenannte Sukzessivlieferungen – gelten (mit Ausnahme der Lieferungen von elektrischem Strom, Gas, Wärme und Wasser) als am Tag der einzelnen Lieferung erbracht. Werden die einzelnen Leistungen für bestimmte Zeitabschnitte gemeinsam abgerechnet, ist darauf zu achten, dass die richtigen Steuersätze entsprechend den obigen Grundsätzen berechnet werden. Der Entwurf des BMFSchreibens enthält insoweit weitere Hinweise (Tz. 22 ff.). Bei Fehlern sind die zeitraumübergreifenden Abrechnungen unverzüglich zu korrigieren. Bei Bruttovereinbarungen in Dauerschuldverhältnissen sind diese anzupassen, sofern der Vorteil aus der Steuersatzsenkung an den Kunden weitergegeben werden soll. Insoweit ist zu beachten, dass bei Entgeltvereinbarungen ohne weitere Zusätze wie „Das vereinbarte Entgelt enthält keine Umsatzsteuer“ von einer Bruttovereinbarung auszugehen ist. Soweit Bruttovereinbarungen mit gesondertem Steuerausweis vorliegen – etwa weil der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist –, sind diese zu berichtigen, da ansonsten die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet wird und der Leistungsempfänger nur den geringeren Vorsteuerabzug geltend machen kann. Gleiches gilt für sogenannte „Dauerrechnungen“.
Fazit
Die Umsatzsteuersenkung zum 01.07.2020 birgt einige Fallstricke, die mit dem (steuer-)rechtlichen Berater des Unternehmens im Detail besprochen werden sollten. Insbesondere ist der Umstellungsaufwand im Unternehmen nicht zu unterschätzen, vor allem wenn man den beschränkten Anwendungszeitraum der Steuersatzsenkung berücksichtigt. Erfreulich ist, dass die Finanzverwaltung mit dem Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens bereits erste Hinweise zur praktischen Handhabung der Steuersatzsenkung sowie Vereinfachungs- und Übergangsregelungen für diverse Bereiche zeitnah zur Verfügung gestellt hat.
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