Im Blickpunkt: Betriebliche Hinterbliebenenversorgung auf dem Prüfstand
Von Nina Marcus
Der dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG), der ausschließlich für Streitigkeiten im Sachgebiet der betrieblichen Altersversorgung zuständig ist, hat zuletzt zwei interessante Urteile gefällt.
Kürzung der Witwenrente durch eine Altersabstandsklausel
Mit Urteil vom 11.12.2018 (3 AZR 400/17) bestätigte das BAG seine bisherige Rechtsprechung zu den sogenannten Altersabstandsklauseln, zeigte jedoch auch einen Weg auf, vergleichbare Fälle eventuell künftig anders entscheiden zu können.
Im Fall stritt die 1945 geborene Klägerin mit dem Arbeitgeber ihres 1930 geborenen und inzwischen verstorbenen Ehemanns um die Höhe der ihr zustehenden Witwenrente. Die ihrem Mann geleistete Versorgungszusage enthielt eine Witwenrente in Höhe von 60% der dem Ehemann zustehenden betrieblichen Altersrente. Eine weitere vertragliche Regelung sah die Kürzung bei zunehmendem Altersunterschied der Ehepartner vor. Festgesetzt war die Kürzung zu Lasten der Ehefrau, die mehr als zehn Jahre jünger war als ihr Mann, um 5% für jedes volle Jahr, das über diese zehn Jahre Altersabstand hinausging. Der beklagte Arbeitgeber hatte nach ursprünglich ungekürzter Zahlung die Höhe der monatlichen Witwenrente auf 40% der Betriebsrente des Ehemanns gekürzt.
Die Klägerin sah in dieser Klausel eine unmittelbare Diskriminierung des Alters im Sinne der §§ 1, 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), hielt die Klausel nach § 7 Abs. 2 AGG für unwirksam und verlangte die ungekürzte Witwenrente in Höhe von 60% der betrieblichen Altersversorgung. Die Vorinstanzen entschieden uneinheitlich: Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das Landesarbeitsgericht der Klage im noch rechtshängigen Umfang statt. Der beklagte Arbeitgeber ging hiergegen in Revision.
Das BAG hielt die strittige Altersabstandsklausel für zulässig. Die Klägerin kann zwar ein abgeleitetes – eigenes – Recht ihres verstorbenen Mannes gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG geltend machen. Die Regelung, die an einen Altersabstand und damit an ein Kriterium anknüpft, das in untrennbarem Zusammenhang mit dem Merkmal „Alter“ steht, hat auch zwangsläufig eine unmittelbare Benachteiligung zur Folge. Eine ungleiche Behandlung wegen des Alters ist jedoch nach § 10 Satz 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Dies sah das BAG in diesem Fall als gegeben an: „Insbesondere sind Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, als legitim im Sinne von § 10 Satz 1 AGG anzusehen“.
Dies beinhaltet, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen (vgl. EuGH vom 13.07.2017 – C-354/16 – „Kleinsteuber“). Die Kürzung begrenzt die mit der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung verbundenen finanziellen Risiken des Arbeitgebers und dient seinem Interesse an einer berechenbaren Versorgungslast. Insoweit bewegte sich das BAG innerhalb bisheriger Rechtsprechung (unter anderem Urteil vom 20.02.2018 – 3 AZR 43/17).
Interessant ist die Entscheidung speziell aus einem anderen Grund. In Randziffer 20 der Urteilsgründe zeigt das BAG auf, dass eine solche Altersabstandsklausel möglicherweise nach den Kriterien der Diskriminierung wegen des Geschlechts gegen das AGG verstoßen könnte: „Ob [die Kürzungsmöglichkeit in] der Versorgungszusage darüber hinaus auch zu einer mittelbaren Benachteiligung von Männern und damit wegen des Geschlechts nach §§ 1, 3 Abs. 2 AGG führt, hat der Senat nicht zu prüfen. Die Klägerin hat keinen Sachvortrag dazu gehalten, dass bei der Beklagten typischerweise erheblich mehr Männer jüngere Frauen geheiratet haben und damit von der Klausel nachteilig betroffen waren“.
Relevanz hat diese Aussage insbesondere, da das AGG – entgegen den Regelungen des § 10 AGG zur zulässigen unterschiedlichen Behandlung aufgrund des Alters – keine Rechtfertigungsmöglichkeit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorsieht. Sollte so in einem künftigen Fall der Kläger oder die Klägerin entsprechenden Sachvortrag unter Beweis stellen können, ist ein anderer Ausgang eines Verfahrens denkbar.
Begrenzung der Witwenrente durch Regelung einer Mindestehedauer
Mitte Februar entschied das BAG erneut über die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung (Urteil vom 19.02.2019 – 3 AZR 150/18 – bisher als Pressemitteilung 8/19 verfügbar). Es ging um die Wirksamkeit einer in vielen Versorgungszusagen enthaltenen Klausel zu einer sogenannten Mindestehedauer. Die Witwe klagte auf Zahlung einer monatlichen Witwenrente. Ihr Ehemann war 2015 verstorben. Nach einer Klausel in der Versorgungszusage, die neben betrieblicher Altersversorgung zugunsten des Ehemanns auch die Hinterbliebenenversorgung vorsah, entfällt die Witwenversorgung jedoch vollständig, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten nicht mindestens zehn Jahre Bestand hatte. Die im Juli 2011 geschlossene Ehe erfüllte diese Mindestdauer nicht. Die Klage der Witwe wurde von beiden hessischen Vorinstanzen abgewiesen.
Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen sah das BAG die Klausel als unwirksam an und bestätigte den Anspruch der Klägerin. Die streitgegenständliche Versorgungsregelung stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar, die der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Die Regelung, nach der die Hinterbliebenenversorgung bei Nichterreichen der Mindestehedauer entfällt, benachteilige den unmittelbar Versorgungsberechtigten unangemessen und sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Das BAG begründete dies wie folgt: Sagt der Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung zu, entspricht es der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass der Ehepartner abgesichert ist. Wird darüber hinaus der erfasste Personenkreis zu Lasten des Arbeitnehmers weiter eingeschränkt, muss diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten. Die Beschränkung der Zusage auf Ehepartner, mit denen der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Todes mindestens zehn Jahre verheiratet war, weicht von der die Hinterbliebenenversorgung kennzeichnenden Vertragstypik (Absicherung des Ehepartners) deutlich ab. Der Zweck der Hinterbliebenenversorgung wird durch diese zehnjährige Mindestehedauer gefährdet, wenn sich die Ausschlussklausel nach „willkürlich gegriffenen Zeitspannen ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck“ richtet.
Im Rahmen älterer Rechtsprechung hatte das BAG Mindesteheklauseln in Leistungszusagen im Wege der Betriebsvereinbarung für rechtens erklärt (zwei Jahre Mindestehedauer: BAG vom 11.08.1987 – 3 AZR 6/86; zehn Jahre bei nach Vollendung des 50. Lebensjahrs geschlossenen Ehen: BAG vom 28.07.2005 – 3 AZR 457/04). Jedoch unterliegen Betriebsvereinbarungen auch nicht der gerichtlichen Überprüfung nach § 307 BGB. Ob sich das BAG dazu äußert, welche Mindestehedauer nun zu einer Versagung der Hinterbliebenenversorgung berechtigt, kann vielleicht den Urteilsgründen entnommen werden – die Pressemitteilung gab hierzu keine Auskunft. Der Zweck der Klausel, eine sogenannte Versorgungsehe von den Ansprüchen auszuschließen, lag im konkreten Fall zehnmal höher als die Bestimmung zur gesetzlichen Hinterbliebenenrente nach § 46 Abs. 2a SGB VI, welche eine Mindestehedauer von einem Jahr vorsieht. Wenn Arbeitgeber auf der sicheren Seite sein wollen, sollten sie von dieser gesetzlichen Regelung nicht weit abweichen.
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