Im Blickpunkt: Eine für die Unternehmenspraxis wichtige aktuelle Entscheidung des BAG
Von Dr. Christian Bloth
Bei Arbeitsverträgen mit Führungskräften, Spezialisten und Vertriebsmitarbeitern spielt häufig die Frage eine Rolle, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot (im Folgenden nur „Wettbewerbsverbot“) vereinbart werden soll. Solche Mitarbeiter können für das Unternehmen „wertvoll“ sein, werden zu wirklichen „Assets“. Ihr Weggang direkt zu einem Wettbewerber kann, sofern kein Wettbewerbsverbot vereinbart ist, beim „Altarbeitgeber“ zu erheblichen Einbußen führen. Da die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers einschränkt, hat der Gesetzgeber solchen Vereinbarungen gewisse Rahmen gesetzt, die dazu beitragen sollen, die Interessen des Unternehmens bezüglich des Schutzes seines Geschäfts und die Interessen des Arbeitnehmers zum Ausgleich zu bringen. Allgemein bekannt ist, so sollte man jedenfalls meinen, dass die Vereinbarung eines solchen Verbots nur möglich ist, wenn dem Arbeitnehmer für die Zeitdauer des Verbots eine Entschädigung, die sogenannte Karenz-entschädigung, zugesagt wird. Als Minimum wird vom Gesetz „die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“ bezeichnet.
Es löst daher in der anwaltlichen Praxis immer wieder Erstaunen aus, dass es Fälle gibt, in denen Arbeitsverträge Klauseln enthalten, in denen eine solche Entschädigung nicht vereinbart wird. Dies kommt bei Verträgen mit in Deutschland tätigen Führungskräften ausländischer Konzerne vor, die zum Teil über Arbeitsverträge verfügen, die standardmäßig einer vom ausländischen Recht geprägten Konzernrichtlinie folgen, die vorsieht, dass Wettbewerbsverbote nicht entschädigt werden, aber, wie hier gezeigt wird, auch bei „normalen Inlandssachverhalten“.
Andere, häufiger vorkommende Konstellationen, sehen eine zu niedrig bemessene Entschädigung vor, sei es auch nur, dass auf die Hälfte der letzten „Festvergütung“ des Arbeitnehmers verwiesen wird, so dass andere Gehaltsbestandteile, insbesondere Variablen, ausgeblendet werden. Bei einer zu niedrigen Entschädigung ist es heute allgemein anerkannt (im Einzelnen ist vieles jedoch streitig), dass dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zusteht, ob er sich an das Verbot hält, er hat dann aber lediglich auf die geringere Entschädigung Anspruch. Andere Konstellationen als die hier besprochene sind bisher nicht letztgültig geklärt: Eine Entschädigung wurde im Vertrag nicht zugesagt, gleichwohl hält sich der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot. Hat er dann Anspruch auf Entschädigung und, wenn ja, in welcher Höhe?
Sachverhalt
In dem besprochenen Urteil des BAG vom 22.03.2017 (AZR 448/15) beschäftigt sich das BAG, soweit erkennbar, erstmals mit der Frage, ob eine sogenannte Teilnichtigkeitsklausel – zumeist zu finden am Ende des Vertrags – ausreicht, um dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Entschädigung zu geben. Hintergrund: Es ist anerkannt, dass, anders als bei einer zu niedrigen Entschädigung, das Wettbewerbsverbot nicht nur unverbindlich ist, sondern nichtig, wenn eine Entschädigung nicht vereinbart ist. Dies heißt auch, dass weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer daraus Rechte herleiten können, also auch keinen Entschädigungsanspruch. Hier kommt die Teilnichtigkeitsklausel ins Spiel, oft als Standard vereinbart – ohne genau zu wissen, was sie bedeuten kann. In dieser Klausel heißt es – kurz gefasst: Sollte eine Bestimmung des Vertrags nichtig sein, so gilt eine angemessene Regelung als vereinbart, die die Parteien vereinbart hätten, wäre ihnen die Nichtigkeit bekannt gewesen. Interessant ist, ob eine solche Klausel dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung – wenn ja, in welcher Höhe – beanspruchen kann, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien sie bei Kenntnis der Nichtigkeit vereinbart hätten. Immerhin lässt sich wegen der schriftlichen Vereinbarung der Teilnichtigkeitsklausel argumentieren, dass die erforderliche Schriftform für die Wettbewerbsklausel gewahrt wurde.
Die klagende Arbeitnehmerin war durch Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis zum 31.12. ausgeschieden. Im März des Folgejahres machte sie Entschädigungsansprüche für Januar und Februar geltend. Als Arbeitslose übte sie keine Wettbewerbstätigkeit aus, befolgte, wie sie argumentierte, das sich aus dem Vertrag ergebende Verbot. Der Arbeitgeber machte geltend, mangels Vereinbarung einer Entschädigung sei die Vereinbarung nichtig, so dass Ansprüche nicht gegeben seien. Die Arbeitnehmerin argumentierte hingegen mit der Teilnichtigkeitsklausel. Bei Auslegung des Vertrags im Übrigen sei, so führte sie aus, davon auszugehen, dass ein Wettbewerbsverbot bei Kenntnis der Nichtigkeit vereinbart worden wäre, das ihr einen Entschädigungsanspruch ermöglicht hätte. Sie verlangte somit für den Zeitraum 50% der zuletzt bezogenen Vergütung.
Entscheidung
Das BAG folgte, anders als die Vorinstanzen, der Argumentation der Klägerin nicht. Zum einen stellte das BAG – entsprechend der bisherigen Rechtsprechungspraxis – fest, dass ein Verbot, das keine Entschädigung vorsieht, nichtig sei und keine der Parteien daraus Rechte herleiten könne. In diesem Punkt stimmten die Entscheidungen der Vorinstanz, LAG Hamm (Urt. v. 05.06.2015, 10 Sa 67/15), und des BAG überein.
Das LAG kam jedoch aufgrund der Teilnichtigkeitsklausel zu der Auffassung, unter Auslegung der möglichen Interessen der Parteien, wie sie sich im Vertragswortlaut im Übrigen manifestiert hätten, hätten die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit eine Entschädigung in der „gesetzlichen Höhe“ vereinbart. Unter anderem die Vereinbarung einer hohen Vertragsstrafe weise auf das Interesse des Arbeitgebers an einer solchen Regelung hin. Das LAG erwähnt, das Hoffen des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer erkenne eventuell die Nichtigkeit nicht, halte sich dann an das „entschädigungslose“ Wettbewerbsverbot, sei unseriös und nicht schutzwürdig.
Aus der als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung des BAG lässt sich keine Begründung im Einzelnen erkennen. Wenn man die Hinweise in der Mitteilung richtig versteht, so begründet das BAG sein Urteil damit, dass sich die Unwirksamkeit – klar erkennbar – aus der Vereinbarung ergeben müsse, was bei einer salvatorischen Klausel im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht der Fall sei. Hier sei wertend zu entscheiden, ob die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit eine wirksame Vereinbarung abgeschlossen hätten, so dass damit eine Entscheidung zur Einhaltung des Verbots unmittelbar nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht möglich sei. Mit aller zu Gebot stehenden Vorsicht kann daraus nur geschlossen werden, dass das BAG gerade dem Schriftformerfordernis der Vereinbarung hohe Bedeutung beimisst, das durch eine Teilnichtigkeitsklausel nicht ausreichend gewahrt werde. Die Frage des Formerfordernisses hatte auch das LAG gesehen, sie aber dahinstehen lassen, da es der Auffassung war, dass sich der Arbeitgeber, der sich der Nichtigkeit bei Abschluss des Vertrags bewusst war, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben darauf nicht berufen könne.
Anmerkung
Die Konsequenz dieser Entscheidung könnte sein, dass, sollte sich ein Arbeitnehmer trotz Nichtigkeit, die ihm eventuell nicht bekannt ist, an das durch seine Unterschrift bestätigte Wettbewerbsverbot halten, er entschädigungslos ausgehen kann. Kann der Arbeitgeber, der hofft, der Arbeitnehmer werde die Nichtigkeit nicht bemerken, also „umsonst“ die Vorteile des Verbots nutzen? Es ist abzuwarten, ob sich das BAG zu dieser Konsequenz in seiner Begründung äußern wird, auch welche Hinweise es gibt. Könnten Ansprüche aus möglicher ungerechtfertigter Bereicherung in das Blickfeld geraten? Hinzuweisen bleibt darauf, dass die Frage wiederum anders zu entscheiden sein könnte, wenn der Vertrag eine Entschädigung ausdrücklich nicht regelt, sondern nur allgemein auf die gesetzlichen Bestimmungen zum Wettbewerbsverbot verweist.
christian.bloth@kallan-legal.de
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