Einstweiliger Rechtsschutz bei streitigen Gesellschafterversammlungen: Fallstricke für Gesellschafter und Geschäftsführer

Von Dr. Thomas Bunz, Dr. Robert Fischer und Dr. Tilman Steinert

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Im ersten und zweiten Teil dieser Beitragsreihe haben wir uns mit typischen Fallstricken vor und während einer Gesellschafterversammlung auseinandergesetzt. In den Mittelpunkt des vorliegenden dritten Teils rücken nun die Rechtsschutzmöglichkeiten, die sich Gesellschaftern im Zusammenhang mit streitigen Gesellschafterversammlungen bieten. Um den Beitrag nicht zu überfrachten, werden wir den Fokus dabei auf denkbare Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes legen und uns der Frage widmen, was Gesellschafter unternehmen können, wenn ohne schnelle gerichtliche Intervention ein Rechtsverlust droht. Während das eigentliche Beschlussmängelrecht im Hauptsacheverfahren (also der Erhebung von Anfechtungs- und/oder Feststellungsklagen) zum „Handwerkszeug“ des gesellschaftsrechtlich tätigen Praktikers gehört, herrscht bei der Frage, inwieweit Eilrechtsschutz erlangt werden kann, häufig Unsicherheit.

Der Ausgangspunkt: Lange Verfahrensdauer kann zu Rechtsverlust führen

Gerade bei Gesellschafterauseinandersetzungen kommt das Hauptsacheverfahren vielfach zu spät. Denn eine Verfahrensdauer von mehr als einem Jahr allein in erster Instanz (!) ist bei Beschlussmängelklagen alles andere als eine Seltenheit. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung wollen und können die Gesellschafter häufig nicht warten. Deshalb kann zum einen erwogen werden, bereits im Vorfeld der Gesellschafterversammlung bestimmte Beschlüsse zu verhindern (etwa wenn Tagesordnungspunkte unrechtmäßig im Wege der Selbstvornahme ergänzt worden sind); zum anderen kann ein schnelles Tätigwerden unmittelbar nach einer Gesellschafterversammlung notwendig sein, um die Umsetzung einmal gefasster Beschlüsse zu unterbinden (etwa die Verhinderung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zum Handelsregister nach der Einziehung von Geschäftsanteilen). Im Übrigen kann in diesen Fällen ein rasches Tätigwerden nicht nur im Interesse eines Gesellschafters, sondern auch in dem der Gesellschaft selbst geboten sein. Denn besteht etwa Unklarheit über die Vertretungsbefugnis, droht der Gesellschaft die Handlungsunfähigkeit.

Praxistipp: Bei Gesellschafterstreitigkeiten ist aus anwaltlicher Sicht stets sorgfältig zu prüfen, ob neben dem Hauptsacherechtsschutz auch ein einstweiliges Verfügungsverfahren in Betracht kommt, um den Rechtsverlust des eigenen Mandanten zu verhindern.

Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes

Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Antragsteller einen „Verfügungsanspruch“ und einen „Verfügungsgrund“ glaubhaft machen. Während der Verfügungsanspruch dem zu sichernden Individualanspruch entspricht, setzt der Verfügungsgrund eine besondere Eilbedürftigkeit voraus. In der Praxis erfordert insbesondere die Glaubhaftmachung dieser Eilbedürftigkeit hohen Begründungsaufwand. Erforderlich ist, dass die Verfügung „zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint“ (§ 940 ZPO). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumutbar.

Zugleich darf die einstweilige Verfügung im Grundsatz nicht zur „Vorwegnahme der Hauptsache“ führen. Wird durch eine einstweilige Verfügung beispielsweise eine Beschlussfassung verhindert, ist dieser Zustand endgültig. Auch eine anderslautende Entscheidung im Hauptsacheverfahren (konkret: die nicht erfolgte Beschlussfassung wäre doch rechtmäßig gewesen) wird an der unterbliebenen Beschlussfassung nichts mehr ändern können – die Hauptsache wurde daher „vorweggenommen“. Da der Eilrechtsschutz aber ein vorläufiger Rechtsschutz sein soll, herrscht das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs. Wird sich der Gesellschafter auch gegen den späteren Vollzug eines Beschlusses erfolgreich zur Wehr setzen können, wird die Beschlussfassung selbst im Regelfall nicht verhindert werden können.

Unter Berücksichtigung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache und des Gebots des geringstmöglichen Eingriffs wollen wir nun chronologisch die einzelnen Anknüpfungspunkte für einen Eilrechtsschutz untersuchen.

Verhinderung einer Gesellschafterversammlung?

Nicht selten treten Mandanten mit dem Wunsch an uns heran, eine bevorstehende streitige Gesellschafterversammlung zu verhindern. Ein Grund mag etwa sein, dass die erklärtermaßen beabsichtigte Ausschließung eines Gesellschafters als nicht gerechtfertigt angesehen wird.

Die Verhinderung einer Gesellschafterversammlung wird aber in der Regel nicht erreicht werden können. In obergerichtlichen Urteilen heißt es zwar bisweilen, es sei nicht schlichtweg ausgeschlossen, die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung im Wege der Unterlassungsverfügung zu unterbinden. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch zu Recht äußerst hoch. Aussicht auf Erfolg wird in diesen Fällen nur dann bestehen, wenn die formalen Einberufungsvorschriften evident nicht eingehalten wurden.

In den in der Praxis wichtigen Fällen, in denen die Ausschließung eines Gesellschafters oder die Abberufung eines Geschäftsführers auf der Tagesordnung steht und die Gründe dafür in materieller Hinsicht unzureichend erscheinen, wird eine Verhinderung der Versammlung nicht gelingen. Schließlich ist die Gesellschafterversammlung genau der richtige Ort, um diese Themen zu diskutieren, und sie ist das kompetente Organ, um darüber zu befinden.

Verhinderung einer bestimmten Stimmabgabe?

Kann eine Gesellschafterversammlung in der Regel nicht verhindert werden, stellt sich die Frage, ob einem Mitgesellschafter im Wege der einstweiligen Verfügung nicht wenigstens verboten werden kann, in einer bestimmten Weise abzustimmen, also ob auf dessen Stimmverhalten inhaltlich Einfluss genommen werden kann.

Auch hier ist allerdings Zurückhaltung geboten. Denn durch eine entsprechende einstweilige Verfügung würde in den innersten Bereich der Gesellschafterrechte eingegriffen. Dabei ist zudem zu beachten, dass durch die Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten zwangsläufig eine endgültige Rechtslage geschaffen wird. Tritt die einstweilige Verfügung außer Kraft, wird hierdurch ein einmal gefasster Beschluss nicht hinfällig. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache wird daher im Regelfall eine einstweilige Verfügung, mittels derer auf das Abstimmungsverhalten eingewirkt wird, nicht zulassen.

Denkbar und aussichtsreich erscheint ein solcher Antrag daher allein in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn der Antragsteller ein besonderes Schutzbedürfnis hat oder die Rechtslage hinsichtlich des Gesellschafterbeschlusses eindeutig ist und dem Vorgehen die Rechtsmissbräuchlichkeit „auf die Stirn geschrieben steht“. Auch wenn ein Mitgesellschafter aufgrund einer Stimmbindungsvereinbarung zu einer bestimmten Abstimmung schuldrechtlich verpflichtet ist, fühlen sich Gerichte tendenziell eher imstande, in die Beschlussfassung einzugreifen.

Erfolgversprechend sind Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch bei unrechtmäßigen Ergänzungen der Tagesordnung. So kürzlich in unserer eigenen Beratung: Der Mitgesellschafter begehrte von unserem Mandanten, der zugleich einziger Geschäftsführer der GmbH ist, die Ergänzung der Tagesordnung einer bereits einberufenen Gesellschafterversammlung binnen 24 Stunden. Nach Ablauf der kurzen Frist ergänzte der Mitgesellschafter die Tagesordnung selbst. Durch eine einstweilige Verfügung wurde erreicht, dass die im Wege des Selbsthilferechts ergänzten Tagesordnungspunkte nicht zur Abstimmung gestellt werden durften. Die Prüfungsfrist von 24 Stunden war nach Auffassung des Gerichts zu kurz bemessen und folglich nicht „angemessen“.

Vermeidung der Umsetzung eines Gesellschafterbeschlusses

Häufig wird sich im Eilrechtsschutz eine bestimmte Beschlussfassung nicht verhindern lassen. Hier gilt es dann, die Umsetzung des Beschlussergebnisses zu unterbinden.

Ist etwa die Eintragung im Handelsregister konstitutiv für eine Rechtsänderung, so kann und sollte der betroffene Gesellschafter versuchen, diese Eintragung zu verhindern. Hierdurch wird in vielen Fällen dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs entsprochen.

Der praktisch wichtigste Anwendungsfall ist die Verhinderung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste nach erklärter Einziehung von Geschäftsanteilen. Bleibt der ausgeschlossene Gesellschafter nach der Versammlung untätig, greift § 16 I 1 GmbHG. Hiernach gilt im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Der von der Einziehung des Geschäftsanteils betroffene Gesellschafter gilt nach Änderung der Gesellschafterliste im Verhältnis zur Gesellschaft nicht mehr als Gesellschafter. Zu Gesellschafterversammlungen wird er folglich nicht mehr eingeladen, seine Gesellschafterrechte gehen (soweit sie nicht die Sicherstellung der Abfindung direkt betreffen) weitestgehend verloren.

„Verschläft“ der Gesellschafter den entscheidenden Moment und gelingt es dem Mitgesellschafter, eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, so wird nicht einheitlich beurteilt, ob der geschasste Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiedereinreichung der „alten“ (und aus seiner Sicht richtigen) Gesellschafterliste verlangen kann. Das Kammergericht Berlin hat dies im Ergebnis verneint, sei es doch ein Unterschied, ob die Einreichung einer „unrichtigen“ Gesellschafterliste verhindert werden solle, oder ob der Gesellschafter den Inhalt des Handelsregisters positiv zu seinen Gunsten durch Einreichung der „alten“ Gesellschafterliste ändern wolle. Dies könne nur erfolgen, wenn unzweifelhaft feststehe, dass die „alte“ Gesellschafterliste die richtige sei – und diese Entscheidung sei dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dieser Diskussion sollte man sich tunlichst nicht stellen müssen und deshalb Vorsorge treffen.

Praxistipp: Im Fall der Einziehung von Geschäftsanteilen aus wichtigem Grund ist mit Blick auf § 16 I 1 GmbHG besondere Vorsicht geboten. Gelingt es dem Mitgesellschafter, nach beschlossener und erklärter Einziehung eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, die den „geschassten“ Gesellschafter nicht mehr aufführt, wird dieser weitgehend seiner Rechte beraubt. Der Fall der Einziehung dürfte daher der praktisch wichtigste (und für den Berater haftungsträchtigste) Anwendungsfall der einstweiligen Verfügung im Rahmen von Gesellschafterstreitigkeiten sein.

Unterbindung des Geschäftsführerhandelns

Sind Gesellschafter zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft, wird im Rahmen von Gesellschafterauseinandersetzungen regelmäßig versucht, den Gesellschafter als Geschäftsführer abzusetzen. Auch hierbei spielt der einstweilige Rechtsschutz eine wichtige Rolle.

Als unzulässig angesehen wird eine „einstweilige Abberufung“ des Geschäftsführers, also seine vorübergehende „Ausschaltung“ per einstweiliger Verfügung. Ein darauf gerichteter Antrag im Eilrechtsschutz ist unzulässig.

Ist die Abberufung des Geschäftsführers aber in einer streitigen Gesellschafterversammlung bereits beschlossen worden, ist es gegebenenfalls ratsam, die Abberufung durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes praktisch abzusichern. Welche Verfügungen in solchen Fällen im einstweiligen Verfahren durchsetzbar sind, bestimmt sich nach den vorgenannten allgemeinen Voraussetzungen. Häufig wird versucht, dem Geschäftsführer die Vertretung des Unternehmens generell oder jedenfalls mit Blick auf konkrete Maßnahmen und Entscheidungen zu untersagen. Die Möglichkeiten sind hier vielfältig. Allerdings ist Vorsicht geboten: Bei der Beantragung der einstweiligen Verfügung ist darauf zu achten, dass die Gesellschaft am Ende nicht ohne handlungsfähige Geschäftsführung dasteht.

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