Im Überblick: Die Kernergebnisse einer aktuellen Befragung der deutschen Top-100-Kanzleien

Von Catrin Weckesser

Beitrag als PDF (Download)

Bereits viele wirtschaftsberatende Kanzleien nutzen digitale Technologien, um ein wirtschaftliches sowie nachhaltiges Kanzleimanagement zu gewährleisten und um effizienter zu arbeiten. Der Einsatz digitaler Technologien nimmt bereits zu und wird zukünftig weiterhin an Bedeutung gewinnen. Dies wurde basierend auf einer empirischen Untersuchung der umsatzstärksten 100 Sozietäten Deutschlands aus den Jahren 2015/2016 deutlich. Sie wurde mit dem Ziel durchgeführt, den Einsatz von digitalen Prozessen und digitalen Geschäftsmodellen in wirtschaftsberatenden Kanzleien zu untersuchen. Somit birgt die Digitalisierung Chancen, neue digitale Geschäftsmodelle im Rechtsmarkt zu verwirklichen.

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Der Literatur zufolge hält die Digitalisierung einen immer stärkeren Einzug in den deutschen Rechtsmarkt. Bereits heute zeigt sich, dass die fortschreitende Digitalisierung sowie die rapiden Veränderungen der markt­orientierten Rahmenbedingungen – aktuell diskutiert unter der unspezifischen Sammelbezeichnung Legal Tech – dazu führen, dass auch wirtschaftsberatende Kanzleien einen nachhaltigen Anpassungsprozess durchlaufen müssen, um weiterhin erfolgreich sein zu können. Dies bestätigt eine aktuell durchgeführte empirische Untersuchung, an der 75 der Top 100 der wirtschaftsberatenden Kanzleien Deutschlands teilnahmen. Die Auswirkungen von Legal Tech auf den wirtschaftsberatenden Rechtsmarkt wurden untersucht, um einen praxisorientierten Lösungsvorschlag in Bezug auf den Einsatz digitaler Geschäftsmodelle zu präsentieren. Hierbei wurden Kernfragen behandelt, die analysieren, wie die Top-100-Sozietäten dem fortschreitenden digitalen Wandel gegenüberstehen, ob bereits eine Anpassung der Geschäftsmodelle stattgefunden hat und ob eine Anpassung auf digitale Geschäftsmodelle zukünftig verlangt wird.

Es zeigt sich, dass die digitale Transformation und der damit verbundene Einsatz von Legal Tech an Bedeutung zunimmt. Dies wird dadurch belegt, dass der Großteil der wirtschaftsberatenden Kanzleien bereits erste digitale Initiativen konkretisiert und adaptiert hat, um die Digitalisierung des Unternehmens proaktiv voranzutreiben.

Diese Entwicklung wird maßgeblich durch den steigenden Kostendruck seitens der Mandanten, die zunehmende Wettbewerbsintensität sowie das veränderte Mandantenverhalten beeinflusst. Dies führt zu einer zunehmenden Veränderungsdynamik des Marktes, die jedoch teilweise als weniger disruptiv wahrgenommen und eingeschätzt wird, als derzeit durch unterschied­liche wirtschaftswissenschaftliche Publikationen und Fachexperten prognostiziert. Somit konnte nachgewiesen werden, dass sich die 100 umsatzstärksten Sozietäten über die gegenwärtigen Veränderungen des Rechtsmarkts bewusst sind, jedoch die Mehrheit noch keine adäquaten Maßnahmen definiert hat, um
einer möglichen disruptiven Entwicklung entgegenzu­treten.

Veränderung der Arbeitsweise

In Bezug auf das Marktumfeld von wirtschaftsberatenden Kanzleien zeigte die empirische Untersuchung, dass eine Vereinfachung oder Ablösung standardisierter Arbeiten in naher Zukunft alltäglich sein wird mit der Folge, dass der Fokus auf juristisch anspruchsvollere Arbeit gelegt werden könnte.

Weiterhin müsse die Digitalisierung zu einer einfacheren, schnelleren und transparenteren Arbeitsweise führen. Durch die steigende Transparenz der Wertschöpfungsprozesse bietet sich die Option, gemeinsam mit den Mandanten Leistungen zu erbringen. Hierdurch wird deutlich, dass sich durch die Art und Weise, wie die Top-100-Sozietäten zukünftig ausgerichtet sein sollten, Arbeitsinhalte und nicht zuletzt ganze Berufsbilder verändern werden. Um dem Wandel und den vielfältigen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen, sind Maßnahmen zu ergreifen, welche die Zukunfts- und somit die Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Chancen der Digitalisierung

Der Einflussgrad der digitalen Technologien auf die derzeitigen Geschäftstätigkeiten führt zu der Erkenntnis, dass – trotz eines differenzierten Meinungsbilds – ein digitaler Change-Management-Prozess notwendig ist, um die Geschäftsfähigkeit auf Dauer zu wahren. Damit dieser Change-Management-Prozess im unternehmerischen Gesamtkontext durchgeführt werden kann, ist die Integration des gesamten Unternehmens erforderlich.

Die Möglichkeiten, die sich durch den digitalen Wandel ergeben, sind vielfältig. Durch den gezielten Einsatz von technologischen und IT-basierten Lösungen können einerseits Prozess- und Arbeitsabläufe effizienter sowie zielgerichteter ausgestaltet werden und andererseits neue Beratungsansätze entwickelt werden. Zu diesem Zweck ist die organisatorische und strukturelle Adaption sowie die Entwicklung und Integration eines geeigneten digitalen Geschäftsmodells auf Basis eines planvollen schlüssigen Gesamtkonzepts mit ganzheitlicher, digitaler Strategie essentiell, um dem Trend der steigenden Komplexität und Internationalisierung erfolgreich zu begegnen. Weiterhin bietet die digitale Transformation im Rechtsmarkt zahlreiche Chancen. Diese sind in einem effizienteren und effektiveren Wirtschaften zu sehen. Durch den gezielten Einsatz von IT-basierten Lösungen können Prozess- und Arbeitsabläufe effizienter sowie zielgerichteter ausgestaltet werden und neue strategische Beratungsansätze entwickelt werden.

Fazit: Digitale Geschäftsmodelle entwickeln und adaptieren

Im Kontext des Untersuchungsgegenstands zeigte sich jedoch deutlich, dass die Nutzung von Legal Tech nicht primär zur Erweiterung des Geschäftsmodells, sondern als „Enabler“ der Geschäftsprozessoptimierung ange­sehen wird. Diese Divergenz könnte durch die fortschreitende digitale Transformation zu einem Wettbewerbsverlust führen, da eine Umstrukturierung mittels eines unternehmensweiten Gesamtkonzepts notwendig ist.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Marktentwicklung sowie der zukünftigen Veränderungspotentiale, wird die Erweiterung und Vermittlung digitaler Fähigkeiten und Expertise, insbesondere im Kontext von Legal Tech, als Schlüsselkompetenz angesehen. Eben daraus folgt für die Top 100 der wirtschaftsberatenden Kanzleien die schon skizzierte Herausforderung, dass sie ihre internen Prozesse auf Verbesserungspotentiale analysieren und eine sukzessive Adaption neuer Strukturen mittels Prozessoptimierung und Einsatz von gezieltem Projektmanagement bis hin zu einem neuen Geschäftsmodell veranlassen müssen.

Somit ist es für die Top-100-Sozietäten Deutschlands entscheidend, die Bedeutung des digitalen Wandels im deutschen Rechtsmarkt zu erkennen und zu verstehen, um ein wirtschaftliches sowie nachhaltiges Kanzlei­management zu gewährleisten. Unabdingbar erscheint hierbei, die bestehenden Organisationsstrukturen zielgerichtet zu optimieren, indem folglich die internen Prozesse auf Verbesserungspotentiale hin analysiert und eine sukzessive Adaption neuer Strukturen bis hin zu einem neuen Geschäftsmodell veranlasst werden.

weckesser.catrin@web.de

Hinweis der Redaktion:
Die Ergebnisse dieses Beitrags stammen aus einer Praxisuntersuchung im Rahmen einer wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorarbeit, die im September 2017 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt mit der Bestnote bewertet worden ist.
Prof. Dr.-Ing. Christine Wegerich betreute die Arbeit von der wissenschaftlichen Seite, Thomas Wegerich begleitete die Verfasserin im Markt.

Die Resultate der Studie werden in Q1/2018 im Rahmen eines AnwaltSpiegel-Panels in Frankfurt zur Diskussion gestellt. (tw)

Aktuelle Beiträge