Fünf Fragen an: Hellmuth Wolf, Managing Partner Signium
Der juristische Personalmarkt in Deutschland ist in Bewegung und dadurch gekennzeichnet, dass ein Nachfrageüberhang insbesondere in den Kanzleien auf zu wenige hochkarätige Kandidaten trifft. Hinzu kommt, dass sich die Karrierevorstellungen der Kandidaten geändert haben: Eine gute Work-Life-Balance ist in viel größerem Maße als früher eine Alternative zum beschwerlichen Partner-Track. Thomas Wegerich sprach zu dieser Entwicklung mit Hellmuth Wolf, Managing Partner der Personalberatung Signium.
Deutscher AnwaltSpiegel: Wie schätzen Sie die Situation im Recruiting innerhalb des deutschen Rechtsmarkts aktuell ein?
Wolf: Die aktuelle Situation deckt sich mit den Trends der vergangenen Jahre: Die Kanzleien möchten auf Partnerebene wachsen und hier vorzugsweise mit starken Partnern, also mit solchen Kollegen, die bereits über ein etabliertes Mandantennetzwerk verfügen und idealerweise auch ein eingespieltes Team mitbringen. Ein weiteres Augenmerk liegt kanzleiseitig sicherlich auf der Thematik des Standorts: Man versucht, an den großen Wirtschaftsstandorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, München und zunehmend auch in Hamburg stärker zu werden. Bezogen auf die Rechtsgebiete, stellen wir eine verstärkte Suche in folgenden Bereichen fest: M&A, Private Equity, Corporate, Real Estate, Litigation und Banking.
Etwas anders stellt es sich in den Linienunternehmen dar: Große Unternehmen und Konzerne versuchen zunehmend, ihre Rechtsabteilungen aufzustocken, um sich beraterunabhängiger aufzustellen bei einem gleichzeitig fachlich höheren Spezialisierungsgrad des Einzelnen.
Bei mittelständischen Unternehmen sieht es ähnlich aus: Auch sie wachsen, um intern Know-how aufzubauen und ebenfalls beraterunabhängiger zu werden, um also Kosten zu senken. Sie suchen aber nach wie vor eher nach Generalisten mit umfangreichen Erfahrungen im internationalen Wirtschaftsrecht, insbesondere des Vertrags- und Gesellschaftsrechts, oder auch in der Betreuung von Fusions- und Akquisitionsaktivitäten sowie von Rechtsstreitigkeiten.
Deutscher AnwaltSpiegel: Wenn Sie auf einen Zeitraum von fünf Jahren zurückschauen, welche signifikanten Veränderungen und Trends haben Sie erlebt?
Wolf: Sprechen wir aus Sicht des Executive Search und solcher Kandidaten, die über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung oder mehr verfügen, so konnten wir feststellen, dass vor allem das übergeordnete Thema „Wechselbereitschaft“ anspruchsvoller geworden ist. Die Kandidaten sind teilweise weniger karriereorientiert als früher, wägen ab, ob ein Wechsel ihrer aktuellen Lebenssituation entspricht und in „ihr“ Modell der Work-Life-Balance passt. Dabei kann es um Elternzeit gehen oder auch um Fragen der allgemeinen Lebensgestaltung. In jedem Fall ist die Bereitschaft zu wechseln – und das vielleicht auch noch an einen anderen Ort – weniger hoch als noch vor einigen Jahren. Kandidaten wissen um die aktuelle Situation und damit auch um ihren Wert. Sie entscheiden sich mitunter für längere Auszeiten, für eine Weltreise oder Ähnliches, und müssen sich schlicht keine Sorgen machen: Nach ihrer Rückkehr werden sie wieder eine interessante Herausforderung oder Position finden, denn ihr Wissen ist am Markt begehrt.
Auf Kanzleiseite haben wir festgestellt, dass heute eher geprüft wird, wie belastbar ein vom Partnerkandidaten vorgestellter Business-Case wirklich ist. Für unsere Gespräche mit den Kandidaten folgt daraus, dass wir darauf achten, dies schon in den ersten Gesprächen herauszuarbeiten.
Deutscher AnwaltSpiegel: Gehen Kanzleien und Rechtsabteilungen richtig um mit den Anforderungen und Erwartungen der aktuellen Nachwuchsgeneration? – Welche Empfehlungen haben Sie, und welche Rolle spielt das Thema „Kultur“ in Kanzleien und Unternehmen in einem Wechselprozess?
Wolf: Der Markt bestimmt tendenziell das Handeln der Kanzleien und Rechtsabteilungen, wobei man sagen kann, dass die Unternehmen damit früher begonnen haben, es gegenüber den Kollegen aus den Kanzleien aber auch ein klein wenig leichter haben. Die Kanzleien haben aufgrund ihrer Struktur und der Abläufe im Tagesgeschäft andere Anforderungen zu erfüllen. Deshalb ist es besonders zu begrüßen, dass zahlreiche Kanzleien bereits nachgezogen haben und beispielsweise schon Partnermodelle in Teilzeit anbieten. Die Unternehmen geben sich häufig sehr familienfreundlich, nehmen Aspekte der Work-Life-Balance auf und haben schon vor einiger Zeit mit der Umsetzung begonnen. Man darf aber eines nicht vergessen: Auf dem Markt finden sich auch sehr unterschiedliche Kandidaten mit ebenso unterschiedlichen Persönlichkeiten, die zur jeweiligen Kultur passen müssen. Genau hier setzt unser Beratungsfokus an: Ich unterscheide gerne zwischen dem Beratertyp, der ganz fokussiert den Aufbau seines Business-Case verfolgt, und dem potentiellen Justitiar, der überwiegend fachlich, aber weniger marktorientiert ist und einen anderen Fokus auf seine Tätigkeit legt. Beiden Persönlichkeitstypen müssen Rechtsabteilungen wie auch Kanzleien gerecht werden. Wir schauen deshalb bei der Beratung immer sehr genau darauf, um welchen „Typ“ es sich bei den angesprochenen Kandidaten handelt.
Deutscher AnwaltSpiegel: Was raten Sie Kandidaten bei einem Wechsel innerhalb des Rechtsmarkts? – Gibt es einen richtigen Zeitpunkt, und was sind nach Ihrer Erfahrung die Dos and Don’ts ?
Wolf: Grundsätzlich empfehle ich, nach fünf bis sieben Jahren in einer Kanzlei zu beginnen, die Entscheidung zu treffen, ob man Partner werden beziehungsweise angestellter Anwalt in einer Kanzlei bleiben möchte oder einen Wechsel in die Linie anstrebt. Das hat schlicht und ergreifend folgenden Hintergrund: So lange benötigt man erfahrungsgemäß, um zu wissen, ob man eine Partnerposition anstrebt und das Potential hat, den notwendigen Business-Case aufzubauen. Möchte man Partner werden, ist diese Zeitspanne ein wichtiger Parameter. Von der Beratung in die Linie zu wechseln ist grundsätzlich möglich, umgekehrt ist es jedoch eher untypisch. Insofern wäre das sicher ein Don’t. In jedem Fall sollten sich die Kandidaten regelmäßig Gedanken über ihre mittelfristige Planung machen und auch Gespräche suchen, um sich über etwaige Wechsel zu informieren und darauf vorbereiten zu können. Sie können immer entsprechende Beratung von ihrem betreuenden Executive-Search-Partner erwarten. Er wird sie unterstützen und im Fall eines Wechsels von Beginn an begleiten.
Deutscher AnwaltSpiegel: Lassen Sie uns in die Glaskugel schauen. Bitte vervollständigen Sie diesen Satz. In zwei Jahren wird der Rechtsmarkt in Deutschland in Bezug auf das Recruiting …
Wolf: … vermutlich schwieriger sein für Kanzleien, sofern sie auch weiterhin nur Kandidaten mit Prädikatsexamen einstellen, und für Rechtsabteilungen aller Wahrscheinlichkeit nach einfacher werden, da diese Funktionen weniger Prädikatsexamen voraussetzen. Bei Positionen, in denen Prädikatsexamen Voraussetzung sind, stehen die Kanzleien zunehmend im Wettbewerb mit dem Öffentlichen Dienst, da viele Kandidaten mit einem Richteramt, einer Stelle als Staatsanwalt oder bei einer Behörde liebäugeln. Diese Entwicklung geht einher mit den weiter oben beschriebenen Wünschen einer gesunden Work-Life-Balance und der tendenziell niedrigeren Karriereorientierung.
Deutscher AnwaltSpiegel: Herr Wolf, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.