Im Blickpunkt: BGH bejaht Haftung der Geschäftsleitungsorgane einer insolvenzrechtlich eigenverwalteten GmbH oder AG
Von Robert M. Gillmann
Die Vorteile des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) liegen auf der Hand: Die Restrukturierung von Unternehmen (auch) im gerichtlichen Verfahren im Rahmen der Eigenverwaltung soll erleichtert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass vom Unternehmen unterhaltene Marktbeziehungen weitgehend unbelastet bleiben. Der Kundenstamm und das Vertrauen in die Schaffenskraft des betroffenen Unternehmens bleiben erhalten. Es ist keine kostenintensive Einarbeitungszeit für einen Fremdverwalter erforderlich. Vielmehr können das vorhandene Know-how und die spezifischen Erfahrungen der Geschäftsleitung weitergenutzt werden. Den Stimmen, die meinen, man könne „den Bock nicht zum Gärtner machen“, ist entgegenzuhalten, dass eine Krise keineswegs ein Indiz für eine unqualifizierte Geschäftsführung ist. Sehr häufig spielen unternehmensexterne Gründe die maßgebliche Rolle für den Kriseneintritt.
Gleichwohl ist die Frage zu beantworten, welche Konsequenzen an ein Fehlverhalten des Eigenverwalters im Insolvenzverfahren geknüpft werden. Wenn etwa begründete Forderungen nicht im Fälligkeitszeitpunkt bedient werden können, da der verantwortliche Eigenverwalter eine entsprechende Liquiditätsplanung nicht ordnungsgemäß erstellt hat, können den Gläubigern im Insolvenzverfahren erhebliche Schäden drohen.
Es liegt auf der Hand, dass der Eigenverwalter die Ausübung seines Amts unter Einhaltung der rechtlichen, insbesondere der insolvenzrechtlichen Vorschriften mit größtmöglicher Sorgfalt vorzunehmen hat. Während §§ 60 und 61 InsO entsprechende Haftungsnormen für das Handeln eines Insolvenzverwalters respektive Sachwalters vorsehen, ist seit einiger Zeit umstritten, ob diese Haftungsnormen auch auf den (vorläufigen) Eigenverwalter anwendbar sind.
Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einer Grundsatzentscheidung nunmehr Licht ins Dunkel gebracht. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 30.03.2014 unter Anordnung der Eigenverwaltung ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde mit Wirkung zum 17.09.2014 zum weiteren Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin berufen, nachdem er zuvor für sie als Sanierungsexperte tätig gewesen war. Einem von dem Beklagten und den übrigen Geschäftsführern am 14.10.2014 erstellten Insolvenzplan, der neben der Befriedigung der Gläubiger und dem Erhalt der Arbeitsplätze eine Fortführung der Schuldnerin ermöglichen sollte, stimmte die Gläubigerversammlung am 04.11.2014 zu. Das Amtsgericht hob nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 28.01.2015 auf. Zwischenzeitlich bestellte die Schuldnerin am 09.12.2014 bei der Klägerin Damenoberbekleidung, deren Lieferung am 30.04.2015 zu erfolgen hatte. Der von der Klägerin nach Ausführung der Leistung am 06.05.2015 vereinbarungsgemäß der Schuldnerin in Rechnung gestellte Betrag von 87.120,49 Euro blieb unbeglichen. Auf einen eigenen Antrag vom 18.06.2015 wurde über das Vermögen der umfirmierten Schuldnerin erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Nachdem die Vorinstanzen den Anspruch mangels Anspruchsgrundlage noch ablehnten, bejahte der BGH einen Anspruch gegen den während der Eigenverwaltung hinzugetretenen Geschäftsführer.
Rechtliche Würdigung
Die Auffassung, dass die genannten Vorschriften bei zutreffender Auslegung des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO, der auf die für das Verfahren geltenden allgemeinen Vorschriften der Insolvenzordnung verweist, auch im Rahmen der Eigenverwaltung und somit für den in Ausübung seines Amtes handelnden Eigenverwalter anwendbar sind, ist als vorzugswürdig zu betrachten.
Entscheidend für die Annahme einer Ausdehnung der Haftungsnormen der §§ 60, 61 InsO auf die Geschäftsleiter in der Eigenverwaltung ist nach der von der Vorinstanz abweichenden Auffassung des BGH der erweiterte und geänderte Pflichtenkreis des GmbH-Geschäftsführers in der Eigenverwaltung. Der BGH führt hierzu aus: „Die Geschäftsleiter werden nach Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens nicht mehr allein aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Leitungsmacht tätig, sondern nehmen auch und vor allem insolvenzrechtliche Rechte und Pflichten für die Gesellschaft wahr.“
Das OLG Düsseldorf argumentierte noch damit, dass die Haftung des (Sanierungs-)Geschäftsführers vom Gesetzgeber eben nicht übersehen worden und daher eine von der Innenhaftung nach Maßgabe des § 43 GmbHG abweichende Haftungsentscheidung getroffen worden sei. Der Gesetzgeber habe wiederholt weder zu § 270 InsO noch zu den nachfolgenden Normen haftungsrechtliche Konsequenzen vorsehen wollen. Bei Abschluss von Rechtsgeschäften im Rahmen des eigenverwaltenden Geschäftsbetriebs handele der Geschäftsführer als solcher, nicht als eigenständiger Amtswalter. Für den Schutz vor leichtfertigem Handeln des Geschäftsführers würden die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln ausreichen, insbesondere das Deliktsrecht und die Geschäftsführerhaftung gegenüber der Gesellschaft. Vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Verträgen mit Gläubigern der Gesellschaft würden nicht ohne weiteres zur Begründung einer Garantenpflicht der Geschäftsleiter genügen.
Der BGH stellt hingegen darauf ab, dass der Geschäftsführer im Rahmen der Eigenverwaltung frei von Anordnungen der gesellschaftsrechtlichen Überwachungsorgane handele. Er könne ständig über die Erfüllung beiderseits nicht vollständig abgewickelter Verträge sowie über die Ausübung von Sonderkündigungsrechten entscheiden. Überdies könne er die Feststellung einer Forderung zur Tabelle kraft Widerspruchs verhindern.
Unter Berücksichtigung dieser Prämissen erscheint es nicht unangemessen, wenn man den Geschäftsführer, vergleichbar dem Insolvenzverwalter, in der Eigenverwaltung dem persönlichen Haftungsregime unterwirft. Dem entsprechend, schlussfolgert der BGH: „Verantwortet die Geschäftsleitung einer eigenverwalteten Gesellschaft im weiten Umfang Funktionen eines Insolvenz- verwalters, muss sie notwendigerweise für etwaige Pflichtverletzungen in diesem Bereich gleich einem Insolvenzverwalter haften.“
Eigene Auffassung
Nach zutreffender Rechtsauffassung sollte bei juristischen Personen und Personengesellschaften eine Erstreckung der persönlichen Haftung der Geschäftsführerorgane des schuldnerischen Unternehmens bejaht werden, um so eine zusätzliche Haftungsmasse für Ansprüche aus den §§ 60, 61 InsO zu schaffen.
Der Eigenverwalter muss sich bei Ausübung seines Amts über seine Verantwortung für dieses Verfahren im Klaren sein. Er trägt die Bürde, die insolvenzrechtlichen Vorschriften wie ein Insolvenzverwalter einzuhalten. Durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen ist der Eigenverwalter eine Art „Amtswalter in eigener Sache“.
Das deutsche Insolvenzrecht ist nun gerade auf dem Gedanken der Verantwortlichkeit (und Haftung) von natürlichen Personen für die Abwicklung eines Insolvenz-verfahrens begründet. Nicht lediglich im Rahmen der Regelinsolvenz, sondern auch bei der Eigenverwaltung kommt es aus der Sicht des Geschäftsverkehrs maßgeblich auf die handelnden natürlichen Personen an. Der Vorstand oder Geschäftsführer, der Gläubiger und Stakeholder von der Durchführung des Verfahrens in Eigenverwaltung überzeugt, ist „der Eigenverwalter“. Die Geschäftsleitung hat nach der Rechtsänderung des ESUG die Möglichkeit, weitgehend ohne Einflussnahme der anderen am Insolvenzverfahren Beteiligten im Interesse der Gläubiger zu schalten und zu walten. Dann erscheint es auch nur recht und billig, dass sie wie ein Insolvenzverwalter nach §§ 60, 61 InsO haftet.
Fazit
Eine verschärfte Organhaftung im Rahmen der Eigenverwaltung erachte ich für erforderlich, um der Gefahr, dass die tatsächlich handelnden Personen für ihr Fehlverhalten nicht zur Rechenschaft gezogen werden können und die geschädigten Gläubiger lediglich auf einen Zugriff auf die unzulängliche Masse des Schuldnerunternehmens verwiesen sind, zu begegnen. Der Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft, der die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung anstrebt, muss daher für sich prüfen, ob er die nicht geringen Anforderungen an die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines eigenverwaltenden Geschäftsleiters zur Durchführung des Insolvenzverfahrens in Eigenregie erfüllt. Zumeist wird er darauf angewiesen sein, sich insolvenz –
rechtlichen Sachverstand mittels Beauftragung eines Sanierungsberaters einzukaufen. In der Folge ist es auch an ihm zu gewährleisten, dass bei Fehlleistungen das schuldnerische Unternehmen Schadenersatzansprüche gegen die Berater geltend machen kann. Dem Eigenverwalter steht es ja schließlich frei, sich gegen die sich aus der Geschäftsleitertätigkeit ergebenden Risiken mit Hilfe einer Vermögenshaftpflichtversicherung abzusichern.
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