BGH überträgt Rechtsprechung bei Verbraucherkrediten auf gewerbliche Darlehen

Dr. Florian Weichselgärtner und Carolin Lang

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Bereits 2014 hat der BGH entschieden, dass die Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren in Verbraucherkreditverträgen unwirksam ist. In der Folge mussten zahlreiche Kreditinstitute viele Milliarden Euro an private Darlehensnehmer zurückerstatten. In der Rechtsprechung und Literatur war seither höchst umstritten, ob die BGH-Rechtsprechung zu Verbraucherkreditverträgen auch auf gewerbliche Darlehensverträge übertragbar ist. Mit zwei Grundsatzentscheidungen (BGH, Urteil vom 04.07.2017 – XI ZR 233/16, und BGH, Urteil vom 04.07.2017 – XI ZR 562/15) hat der BGH nun diesbezüglich Rechtssicherheit geschaffen. Er hat entschieden, dass formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsgebühren nach § 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch bei gewerblichen Darlehensverträgen unwirksam sind.

BGH-Rechtsprechung zu Verbraucherkrediten

Seit Anfang der 80er Jahre war es richterlich unbeanstandete Praxis, in Darlehensverträgen neben dem Darlehenszins eine einmalige Bearbeitungsgebühr für den Abschluss oder die Bearbeitung des Darlehensvertrags zu vereinbaren. Am 13.05.2014 hat der BGH – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung – mit zwei medienwirksamen Urteilen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2014 – XI ZR 405/12 und Urteil vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13) entschieden, dass die Vereinbarung eines formularmäßigen laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts bei Verbraucherkreditverträgen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Der BGH bestätigte mit seinen Urteilen eine seit 2011 dahingehend gefestigte Rechtsauffassung verschiedener Oberlandesgerichte (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.02.2016 – 3 U 110/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2016 – 7 U 109/15; Hanseatisches OLG in Bremen, Urteil vom 17.05.2017 – 1 U 70/16).

Übertragung dieser Rechtsprechung auf gewerbliche Darlehen

Seither herrschte Uneinigkeit über eine mögliche Übertragbarkeit der BGH-Rechtsprechung zu Verbraucherkreditverträgen auf gewerbliche Darlehensverträge (hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 04.07.2017 – XI ZR 562/15, Rn. 19 ff.). Ein Teil der Literatur und Rechtsprechung vertrat die Auffassung, dass die in den beiden BGH-Urteilen vom 13.05.2014 niedergelegten Grundsätze auch auf Darlehen mit Unternehmern Anwendung fänden. Die überwiegende Literatur und Rechtsprechung lehnte hingegen eine Übertragung der bisherigen BGH-Rechtsprechung zu Verbraucherkrediten auf gewerbliche Darlehen mit teilweise unterschiedlichen Begründungen ab.

Mit seinen Urteilen vom 04.07.2017 (XI ZR 233/16 und XI ZR 562/15) hat der BGH nun  – entgegen der bislang überwiegenden Rechtsauffassung in Literatur und Rechtsprechung – klargestellt, dass auch formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsentgelte bei gewerblichen Darlehen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind. Der BGH begründet dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei einem – neben dem Darlehenszins – vereinbarten Bearbeitungsentgelt um eine Preisnebenabrede handele, die einer (AGB-)Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB aus folgenden Gründen nicht standhalte.

Bei vorformulierten und von den Banken gestellten Darlehensverträgen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen.

Nach Auffassung des BGH ist die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), da das gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Darlehensgewährung vorsieht. Dieses gesetzliche Leitbild gilt laut BGH für gewerbliche Darlehen in gleicher Weise wie für Verbraucherdarlehen.

Der BGH hält Bearbeitungsgebühren in Darlehensverträgen auch deswegen für unwirksam, weil die Bank damit Kosten auf den Kunden abwälzt, die für die Erfüllung einer eigenen Hauptleistungspflicht der Bank anfallen. Laut BGH gehört es zu den wesentlichen Grundlagen des dispositiven Gesetzesrechts, dass jeder Rechtsunterworfene für Tätigkeiten, zu denen er gesetzlich oder nebenvertraglich verpflich-tet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt, kein gesondertes Entgelt verlangen kann.

Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass die Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners grundsätzlich indiziere und die Vermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nur dadurch widerlegt werden könne, wenn das vereinbarte Bearbeitungsentgelt auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung den Kunden nicht unangemessen benachteilige. Hierzu muss die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild laut BGH entweder sachlich gerechtfertigt oder der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt sein. In den Entscheidungsgründen hat sich der BGH sehr ausführlich mit diesem Thema befasst, letztlich jedoch sämtliche von der Bank vorgetragenen Argumente zur Rechtfertigung des Bearbeitungsentgelts als nicht ausreichend erachtet.

Verjährung

Im Hinblick auf die Verjährung hat der BGH in seinen Urteilen vom 04.07.2017 (XI ZR 233/16 und XI ZR 562/15) klargestellt, dass die kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres 2011 zu laufen begonnen habe und wegen der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB insoweit vor 2014 entstandene Ansprüche grundsätzlich verjährt seien. Der BGH begründet dies damit, dass aufgrund der seit 2011 gefestigten OLG-Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Bearbeitungsentgelten eine Klageerhebung auch für gewerbliche Darlehensnehmer zumutbar gewesen sei und insoweit die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgelegen hätten.

Fazit

Mit seinen Urteilen vom 04.07.2017 hat der BGH nunmehr Gewissheit geschaffen, dass auch formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsentgelte bei gewerblichen Darlehen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind und insoweit auch alle gewerblichen Kreditnehmer von ihren Banken die Bearbeitungsgebühren zzgl. Zinsen zurückverlangen können.

Aufgrund der dreijährigen Verjährung können jedoch zum aktuellen Zeitpunkt – sofern nicht zuvor verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen wurden – nur noch Bearbeitungsentgelte zurückverlangt werden, die ab 2014 gezahlt wurden. Ferner ist zu beachten, dass nicht alle Arten von Bearbeitungsgebühren von der neuen BGH-Rechtsprechung erfasst werden. So hatte der BGH in seinen Urteilen vom 04.07.2017 (XI ZR 233/16 und XI ZR 562/15) nur über solche Bearbeitungsentgelte zu entscheiden, welche die Bank für „überwiegend im eigenen Interesse“ zu erbringende Tätigkeiten erhoben hatte. Bearbeitungsentgelte, die für Tätigkeiten erhoben werden, die eine echte (Gegen-)Leistung darstellen und damit nicht im überwiegenden Interesse der Bank, sondern des Darlehensnehmers erbracht werden, können durchaus gerechtfertigt und insoweit wirksam vereinbart sein (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2004 – XI ZR 398/02).

Florian.weichselgaertner@bblaw.com

Carolin.lang@bblaw.com

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