BGH äußert sich zur Zulässigkeit von „framenden“ Links auf Websites
Von Dr. Alexander R. Klett, LL.M., und Kathrin Schlüter, LL.M.
„Framende“ Links können urheberrechtlich zulässig sein. Das hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf einen Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) hin (BGH, Beschluss vom 16.05.2013, Az. I ZR 46/12, abgedruckt in: GRUR 2013, 818) mit Urteil vom 21.10.2014 entschieden (EuGH, Urteil vom 21.10.2014, Rs. C-348/13 – BestWater, abgedruckt in: GRUR 2014, 1196; hierzu: Klett/Schlüter in: Deutscher AnwaltSpiegel, Ausgabe 01/2014, Seite 11–12). Über dieses Urteil freuten sich zahlreiche Betreiber von Websites, aber auch Nutzer von sozialen Netzwerken wie Facebook, unter welchen die Verwendung von sogenannten „framenden“ Links unter anderem hin zu Videoplattformen wie YouTube oder auf sonstige Internetseiten Dritter weit verbreitet ist, um Freunde auf der eigenen Profilseite auf bestimmte Videos aufmerksam zu machen.
Am 09.07.2015 hat sich der BGH nun mit den in dem „BestWater“-Urteil enthaltenen Antworten des EuGH auf seine im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellten Fragen auseinandergesetzt. Der BGH sieht die „BestWater“-Entscheidung differenziert und hält „framende“ Links nicht ausnahmslos für zulässig, zumindest nicht mit Sicherheit.
Sachverhalt
Zur Erinnerung: Der Kläger des Verfahrens vor dem BGH war BestWater International, ein Unternehmen, das Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt. BestWater hatte zu Werbezwecken einen Film mit dem Titel „Die Realität“ zum Thema Wasserverschmutzung hergestellt; ihm stehen die ausschließlichen Rechte an diesem Film zu. Die Beklagten, Handelsvertreter eines Wettbewerbers des Klägers, stellten im Wege des sogenannten Framings den Film des Klägers, welcher auf der Videoplattform YouTube – nach Vorbringen des Klägers ohne seine Zustimmung – abrufbar war, auf ihrer Website zur Verfügung. Klickten die Besucher der Website der Beklagten auf den Link, so wurde der Film des Klägers in einem auf der Website der Beklagten erscheinenden Rahmen (Frame) abgespielt, was der Kläger als urheberrechtsverletzend ansah.
Das „BestWater“-Urteil des EuGH vom 21.10.2014, Rs. C-348/13
Der EuGH machte in seinem auf den Vorlageschluss des BGH hin ergangenen Urteil in dieser Sache deutlich, dass „framende“ Links urheberrechtlich zulässig sein können, wenn der betreffende Film dadurch nicht einem neuen Publikum zugänglich gemacht und zugleich keine neue Technik verwendet wird. Nach Ansicht des EuGH wird ein Film keinem neuen Publikum zugänglich gemacht, wenn der Inhaber des Urheberrechts die frei zugängliche Wiedergabe des Films auf der Internetseite, auf welche der Link verweist, erlaubt hat, da in diesem Fall davon auszugehen ist, dass der Inhaber an alle Internetnutzer als Publikum gedacht hat. Der EuGH verwies insoweit auf sein „Svensson“-Urteil vom 13.02.2014 (EuGH, Urteil vom 13.02.2014, Rs. C-466/12, abgedruckt in: GRUR 2014, 360), welches sich auf das Setzen von Hyperlinks bezog.
Das Urteil „Die Realität II“ des BGH vom 09.07.2015, Az. I ZR 46/12
Unter Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH in seinem „BestWater“-Urteil stellte der BGH daher mit Urteil vom 09.07.2015 (Az. I ZR 46/12) fest, dass in dem Einbinden urheberrechtlich geschützter Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechteinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, in die eigene Internetseite im Wege des „Framings“ keine Urheberrechtsverletzung zu sehen sei. Anders verhält es sich nach Ansicht des BGH, wenn keine Zustimmung des Urheberrechtsinhabers vorliegt, wenn also im zu entscheidenden Fall der Film „Die Realität“ bei YouTube ohne die Zustimmung des Rechteinhabers eingestellt worden sein sollte. Dies entnimmt der BGH den Ausführungen des EuGH in seinem „BestWater“-Urteil.
Ganz sicher scheint sich der BGH seiner Sache allerdings nicht gewesen zu sein. Wie sonst lässt sich erklären, dass der BGH einerseits aus der „BestWater“-Entscheidung des EuGH herauszulesen vermag, dass in Fällen, in welchen ein Video ohne Zustimmung des Rechteinhabers bei YouTube eingestellt wurde, eine Urheberrechtsverletzung vorliege (so die Pressemitteilung des BGH; das vollständige Urteil des BGH mit Gründen war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch nicht veröffentlicht), andererseits jedoch (ebenfalls laut Pressemitteilung) sogar darüber nachgedacht hat, das Verfahren aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Hoge Raad der Niederlande auszusetzen, in welchem der EuGH demnächst zu entscheiden haben wird, ob selbst bei fehlender Zustimmung eine Urheberrechtsverletzung ausscheidet.
Der Hoge Raad der Niederlande hatte trotz des „BestWater“-Urteils des EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen vom 07.04.2015 (Rs. C-160/15 – GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a.) die Frage aufgeworfen, ob eine Urheberrechtsverletzung in Fällen anzunehmen sei, in denen eine Person mittels eines Hyperlinks auf ihrer Website auf eine von Dritten betriebene, für das allgemeine Internetpublikum zugängliche Website verweist, auf welcher das urheberrechtlich geschützte Werk ohne Zustimmung des Rechteinhabers zugänglich gemacht wurde. Die Entscheidung des EuGH wird voraussichtlich im Herbst 2016 ergehen.
Der BGH sah schließlich von einer Aussetzung ab. Wie sich der Pressemitteilung vom 09.07.2015 des BGH entnehmen lässt, war Grund für das Absehen von der Aussetzung, dass das Berufungsgericht noch keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob das Einstellen des Videos „Die Realität“ ohne Zustimmung des Klägers erfolgt war, was der Kläger behauptete. Denn die dem EuGH vom Hoge Raad der Niederlande gestellten Fragen sind nur dann für das Verfahren „Die Realität“ von Bedeutung (so der BGH), wenn das Video „Die Realität“ ohne die Zustimmung des Klägers auf YouTube zur Verfügung gestellt worden sein sollte.
Aus diesem Grund hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG München zurück, damit dieses nun die noch erforderliche Feststellung zur Frage des Vorliegens einer Zustimmung treffen kann.
Fazit
Nachdem die „BestWater“-Entscheidung des EuGH der Freiheit der Internetnutzer zugutezukommen schien, muss man nun der „Realität“ ins Auge sehen. Mit seinem Urteil vom 09.07.2015 „Die Realität II“ hat der BGH den Internetnutzern die Verwendung von „framenden“ Links potentiell erheblich erschwert, indem er aus dem „BestWater“-Urteil ableitete, dass es für die Zulässigkeit von „framenden“ Links auf die Zustimmung der Rechteinhaber zur ursprünglichen Veröffentlichung auf der Website, auf welche verlinkt wird, ankomme. So wären die Internetnutzer nun gezwungen, vor der Verwendung von „framenden“ Links zu recherchieren, ob der Rechteinhaber seine Zustimmung zur öffentlichen Wiedergabe erteilt hat. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass solche Recherchen häufig ergebnislos verlaufen werden. Dieses für die Internetgemeinde unbefriedigende Ergebnis könnte sich durch eine Entscheidung des EuGH in dem vom Hoge Raad der Niederlande eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren ändern. Zwar betrifft das Vorabentscheidungsverfahren die Verwendung von Hyperlinks. Jedoch sollte sich das Ergebnis auf „framende“ Links übertragen lassen, was auch der BGH so zu sehen scheint.
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