Knalleffekt auf den zweiten Blick: Das Zusatzabkommen zum DBA Deutschland-Frankreich
Von Dr. Axel Schilder

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Am 31.03.2015 wurde ein Zusatzabkommen zum bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich (DBA) abgeschlossen, das schon länger überfällig war. Die Hauptvorgabe: Klarstellung zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Rentenempfängern in grenzüberschreitenden Situationen, also den sogenannten Grenzgängern. Die Ratifizierung soll 2015 erfolgen, um die Anwendung ab dem 01.01.2016 sicherzustellen.

Was sich per se von der Bezeichnung her harmlos liest, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als echter Knalleffekt. Die Einzelregelungen gehen nämlich weit über die Rentenbesteuerung hinaus, umfassen auch Grundsätze der Künstler- und Sportlerbesteuerung sowie Regelungen unter anderem zu Pensionsfonds. Von höchster Bedeutung aber sind die Auswirkungen für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, insbesondere bei Immobilieninvestitionen, sowie die Behandlung von Ausschüttungen seitens französischer SIIC (REIT)-/OPCI-Strukturen im deutsch-französischen Kontext. Hierauf konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen.

Besteuerung von Veräußerungsgewinnen

Bisher waren völlig übliche Strukturen für deutsche Investoren, die in französische Immobilien investierten, die sogenannten „Doppelstock-Strukturen“. Darunter versteht man den Erwerb von Immobilien sowie das Halten und Verwalten dieses Investments durch eine französische Gesellschaft – zumeist eine Kapitalgesellschaft in Form einer S.à.r.l. (vergleichbar der deutschen GmbH) oder eine S.A. (vergleichbar der deutschen AG). Die Anteile an dieser französischen Gesellschaft wurden wiederum von einer zweiten Kapitalgesellschaft gehalten, die in Deutschland steuerlich ansässig und damit steuerpflichtig ist; hier bot sich die Einschaltung einer deutschen GmbH an. Ziel dieser Investmentstruktur war es, sich eine weitgehende Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen in Frankreich und in Deutschland zu sichern, sofern die Veräußerung des Investments über den Verkauf der Gesellschaftsanteile an der französischen, die Immobilie haltenden Gesellschaft durch die deutsche Kapitalgesellschaft erfolgen konnte.

Für die Klärung der Besteuerungsfrage von Veräußerungsgewinnen musste daher bislang immer unterschieden werden, ob diese entweder aus der Veräußerung von materiellem unbeweglichem Vermögen (Gebäude, Grundstücke) sowie Beteiligungen an (steuertransparenten) Immobilien(personen)gesellschaften oder eben aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaften, deren Aktiva vorwiegend aus Immobilien bestehen, resultierten. Auf Letztere wurde in Artikel 3 DBA nicht ausdrücklich verwiesen, so dass die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen insoweit in den Anwendungsbereich von Artikel 7 DBA einzuordnen war. Nach Artikel 7
DBA steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers zu. Das Zusatzabkommen verändert den Anwendungsbereich des Artikels 7 DBA nun sehr grundlegend. Erfasste dieser bisher ausschließlich Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, sieht die Neufassung nun Bestimmungen zur Besteuerung verschiedener Veräußerungsgewinne vor, insbesondere die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem und beweglichem Vermögen, der Veräußerung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen und auch von Gewinnen, die „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung von Aktien oder vergleichbaren Anteilen bezieht, deren Wert zu mehr als 50 vom Hundert unmittelbar oder mittelbar auf unbeweglichem Vermögen beruht, das im anderen Vertragsstaat liegt“.

Praxisfolgen für Investitionsstrukturen

Was konkret bedeutet dies nun für die zuvor beschriebenen Investitionsstrukturen? Ein deutscher Investor, der in Frankreich Immobilien über eine französische Kapitalgesellschaft (S.à.r.l., S.A. oder auch S.A.S.) oder eine deutsche Kapitalgesellschaft hält, war mit den Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf der Gesellschaftsbeteiligung lediglich in seinem sogenannten Ansässigkeitsstaat (also Deutschland) steuerpflichtig oder – wie beschrieben – weitgehend steuerbefreit. Frankreich hatte keinen Zugriff auf die Besteuerung derartiger Veräußerungsgewinne. Nach der Neufassung des DBA wird das Besteuerungsrecht für diese Art von Veräußerungsgewinnen nun nicht mehr Deutschland, sondern Frankreich zustehen. Dies gilt für alle von einem deutschen Investor gehaltenen Kapitalgesellschaften, deren Vermögen vorwiegend aus in Frankreich belegenen Immobilien besteht. Dabei spielt der Sitz der Gesellschaft keine Rolle; er kann sich also in Frankreich, in Deutschland oder auch in einem anderen Staat (gängig ist etwa Luxemburg) befinden. Der Veräußerungsgewinn wird gemäß den nationalen Regelungen des französischen Steuergesetzbuchs (Code Général des Impôts (CGI)) besteuert werden, er unterfällt also einer Quellensteuer in Höhe von 331/3% für Gesellschaften und 19% für natürliche Personen. Dieser Steuereinbehalt kann, je nach Situation des Veräußerers, im Rahmen der normalen Einkommen- oder Körperschaftsteuerveranlagung auf die festgesetzte Steuer des Veräußerers nach den nationalen Anrechnungsmethoden angerechnet werden.

Steuerpflichtige Personen oder Kapitalgesellschaften, die eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft halten, deren Vermögen vorwiegend aus in Deutschland belegenen Immobilien besteht, haben entsprechend im Fall der Veräußerung ihrer Beteiligung ihren Veräußerungsgewinn in Deutschland der Besteuerung zu unterwerfen. Abhängig von der persönlichen Besteuerungssituation fällt somit Einkommensteuer (in der Regel in Form der Abgeltungsteuer in Höhe von 25% zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag, somit insgesamt 26,375%) oder aber Körperschaftsteuer (15% zuzüglich Solidaritätszuschlag, somit ingesamt 16,83%) an. Hinzu kommt gegebenenfalls noch Gewerbesteuer, die sich je nach Hebesatz der Gemeinde, in der der (Wohn-)Sitz des Steuerpflichtigen sich befindet, bei 11% bis 17% bewegen kann. Gegebenenfalls können hier aber besondere Steuerbefreiungstatbestände wie etwa § 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG) zur Anwendung kommen.

Eine besondere Ausnahme von der Besteuerung wird aber ausdrücklich geregelt: Unbewegliches Vermögen, das „von einem Rechtsträger unmittelbar zur Ausübung seiner Geschäftstätigkeit verwendet wird“, wird bei der Anwendung dieser neuen Besteuerungsregelungen (also insbesondere zur Ermittlung der Zusammensetzung des Vermögens der Kapitalgesellschaft aus Immobilien) nicht berücksichtigt. Das Zusatzabkommen nennt konkret als Beispiele hierfür Hotels oder Bergwerke. Dieser Ausnahme dürfte wohl der Gedanke des sogenannten „Produktivvermögens“ zugrundeliegen.

Besteuerung von Dividendenausschüttungen

Ausschüttungen von Dividenden durch französische Sociétés d’Investissement Immobilier Cotées (SIIC (vergleichbar REITs)) und durch Organismes de Placement Collectif Immobilier (OPCI) an deutsche Investoren wurden bislang nicht ausdrücklich von Artikel 9 des DBA erfasst. Somit waren diese auch nicht ausdrücklich von der Anwendung der Quellensteuerbefreiung oder der reduzierten Quellensteuer (15% statt 30%) gemäß Artikel 9 des DBA ausgeschlossen. Somit konnte man mit guten, systematischen Argumenten die Anwendung der DBA-Vergünstigungen begründen.

Vor diesem Hintergrund wird nun durch das Zusatzabkommen vom 31.03.2015 Artikel 9 des DBA um einen Absatz erweitert, der die Anwendungsmöglichkeit für den begünstigten Quellensteuersatz auf Ausschüttungen durch SIIC-/OPCI-Strukturen an die wirtschaftlich Berechtigten dieser Dividenden, die unmittelbar oder mittelbar über mindestens 10% des Kapitals der die
Dividenden zahlenden Struktur verfügen, endgültig
beschneidet. Ausschüttungen von SIIC-/OPCI-Strukturen an deutsche Investoren unterliegen in dieser Fallkonstellation nunmehr einer Quellensteuer in Höhe von 30%.

Systematisch kann man diese Anpassung durchaus als konsequent bezeichnen, da die steuerlichen Gewinne auf Ebene der SIIC-/OPCI-Strukturen selbst steuerbefreit sind und die Besteuerung grundsätzlich nur auf Ebene der Investoren erfolgt (sogenannte steuerliche Transparenz). Im Falle einer Beteiligung von unter 10% kann die Anwendung der reduzierten Quellensteuer von 15% weiterhin gut begründet werden.

Fazit

Insbesondere die Neuregelung der Besteuerungssituation im Rahmen von sogenannten Share Deals, also der Veräußerung von Anteilen an immobilienhaltenden Gesellschaften, liegt in einem Trend der Neuverhandlung von bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen durch die deutsche Regierung. Vorreiter war hier die Anpassung des DBA zwischen Deutschland und Luxemburg mit dem Zusatzabkommen vom 05.09.2014. Ziel dieser Strategie ist eine zunehmende Zugriffsmöglichkeit auf „Steuersubstrate“ sowie die Bekämpfung von Steuervermeidungs- oder Steueroptimierungsstrukturen unter Einschaltung von komplexeren Gesellschaftskonstruktionen, die in der Wertung der DBA-Regelungen zu Verschiebungen der Besteuerungsrechte zwischen Staaten genutzt werden können oder konnten. Die Standortfrage sowie die Wahl des Investitionslands wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Steuerliche Strukturierungen werden dadurch aber nicht unmöglich, sie werden nur aufwendiger. Wer somit mit seinen Investitionen in den Anwendungsbereich des geänderten DBA fällt, sollte möglichst bis zum Jahresende 2015 konkrete Überlegungen anstellen, wie er diese Investitionen neu ausrichten oder gegebenenfalls auch am Markt „platzieren“ möchte.

aschilder[at]kslaw.com

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