G20 und OECD machen Ernst: einheitlicher Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten ab 2017
Von H. Eberhard Simon

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Überraschend schnell haben sich die wichtigsten Industrie- und Schwellenstaaten (G20) mit der OECD auf konkrete Maßnahmen gegen die internationale Steuerflucht bei Kapitaleinkünften geeinigt. Unter dem deutlichen Druck der G20-Staaten, insbesondere der USA, hat die OECD einen weltweit einheitlichen „Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten“, kurz AIA, entwickelt. Es hat den Anschein, als könnten nun die Regierungen weltweit nicht schnell genug mit dem Kampf gegen die globale Steuerhinterziehung vorankommen, als wolle keiner der Letzte sein, und selbst der hartnäckigste Tax Haven möchte von der schwarzen Liste verschwinden. Nimmt es kein Wunder, dass die USA, Deutschland und Frankreich, aber auch Brasilien, China und Indien das Projekt vorantreiben, ist doch die aktive Teilnahme von steuergünstigen Staaten wie den Niederlanden, Irlands, dann aber gerade auch der Schweiz bis hin zu Singapur, den Bermudas und den Kaiman Islands bemerkenswert. Der Ministerrat der OECD begrüßte in seiner Sitzung in Paris am 06./07.05.2014 die Tatsache, dass bereits über 60 Länder die „Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters”, die der schnellen Einführung des globalen Informationsaustauschs dienen soll, unterschrieben haben, darunter nahezu alle OECD-Staaten, alle G20-Staaten und eine wachsende Anzahl von Finanzzentren.

G20 gewinnen den Kampf gegen hartnäckige Hinterzieher von Kapitaleinkünften

Die G20-Staaten sind schon seit langem entschlossen, gegen die globale Steuerhinterziehung vorzugehen. Vorrangiges gemeinsames Ziel ist die vollständige Erfassung von Vermögen und Erträgnissen aus Kapitalanlagen. Vorreiter sind die USA, die mit erheblichem Erfolg einen Tax Haven nach dem anderen austrocknen. Seit 2010 entwickeln die USA ein System von Abkommen, mit dem die vollständige Erfassung von Kapitaleinkünften amerikanischer Steuerpflichtiger sichergestellt werden soll. Dieses FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) genannte System ist Pate des künftigen globalen Standards AIA. Bereits im September soll der neue Standard den G20-Staaten vorgestellt und im Oktober 2014 auf einer Konferenz in Berlin finalisiert werden. Wenn möglich, soll der AIA dann schon gegen Ende 2015 in Kraft treten. Zum 01.01.2016 sollen neue Verfahren zur Kontoeröffnung eingeführt werden, und im September 2017 will man mit dem automatisierten Informationsaustausch beginnen. Bis dahin sollen weltweit zwischen den beteiligten Behörden und Staaten entsprechende Abkommen nach dem einheitlichen AIA-Standard der OECD abgeschlossen werden.

Wer ist vom globalen Informationsaustausch betroffen?

Berichtspflichtig sind Finanzinstitute über von ihnen betreute Finanzkonten natürlicher Personen und Rechtsträger, die im jeweils anderen Vertragsstaat ansässig sind.

Finanzinstitute (Financial Institutions – FI) umfassen neben einlageführenden Banken auch reine depotführende Institute, die Finanzwerte für Dritte halten, daneben aber auch Investmentunternehmen (Investmentfonds, Hedgefonds, Private-Equity-Fonds, Exchange Traded Funds – ETFs) und solche Versicherungsgesellschaften, die rückkauffähige Versicherungsverträge oder Rentenversicherungsverträge vertreiben. Es sollen Ausnahmen existieren, wenn ein geringes Risiko zur Steuerhinterziehung besteht, wie etwa bei Zentralbanken oder Regierungsorganisationen, wobei abzuwarten ist, inwieweit dies nicht doch wieder Gestaltungsspielräume eröffnet.

Rechtsträger sind vor allen Dingen Non Financial Entities (NFEs), also Unternehmen, Organisationen und selbständige Vermögen wie Stiftungen und Trusts. Auch Financial Institutions, die im anderen Vertragsstaat ansässig sind, können Rechtsträger im Sinne der AIA-Regeln sein.

Was ist Gegenstand des globalen Informationsaustauschs?

Zu berichten ist über die Kundendaten, also Kundenname, Adresse, TIN (Tax Identification Number) und bei natürlichen Personen auch Geburtsdatum und Geburtsort. Bei Rechtsträgern sind zusätzlich die Vertretungsorgane anzugeben, insbesondere beherrschende Personen (Controlling Persons), also solche, die Kontrolle über den Rechtsträger ausüben wie Vorstände und Geschäftsführer (Directors) oder Treuhänder.

Finanzinstitute müssen ihren Namen und ihre Identifikationsnummer (sofern vorhanden) bekanntgeben.

Hinsichtlich der Kontodaten sind Kontonummer, Kontostand zum Ende des Kalenderjahrs oder eines abweichenden Berichtszeitpunkts, die erzielten Bruttoerträge (etwa Zinsen, Dividenden) und Bruttoerlöse aus dem Verkauf von Wertpapieren/Wertschriften mitzuteilen.

Bei der Berichterstattung wird zwischen den bei Inkrafttreten des AIA bereits bestehenden Konten und neuen Konten unterschieden. Bestandskonten von Rechtsträgern im Gegenwert von weniger als 250.000 US-Dollar müssen nicht überprüft werden. Alle anderen Bestandskonten sind zu kontrollieren. Bei natürlichen Personen gibt es keinen Schwellenwert, ebenso nicht bei Neukonten von Rechtsträgern.

Der AIA gibt zahlreiche Details über Verfahren, Sicherheit und Vollständigkeit vor, um die umfassende einheitliche Erfassung der Daten sicherzustellen.

Für Inhaber nicht deklarierter Kapitalerträge wird es eng

Der Erfolg der Regierungen im Kampf gegen die Steuerhinterziehung von Kapitalerträgen rückt also immer näher. Dieser Erfolg wurde auch dadurch möglich, dass es der Politik in Industrie- und Schwellenstaaten gelungen ist, Steuerhinterziehung gesellschaftlich zu ächten. Während früher die Hinterziehung von Kapitaleinkünften von der Bevölkerungsmehrheit als Kavaliersdelikt geduldet wurde, ist heute ihre Schädlichkeit in der Bevölkerung allgemein anerkannt. Politisch wird sich kaum eine Partei hervorwagen und Steuerhinterziehung in Schutz nehmen. Dies macht Abkommen wie die nach dem AIA erst flächendeckend möglich.

Selbst wenn es zunächst noch einige wenige „standhafte“ Exotenstaaten geben sollte, die sich dem weltweiten Informationsaustausch entziehen, wird es doch nur eine Frage der Zeit sein, bis auch diese Oasen trockengelegt sind. Passionierte Steuerhinterzieher werden es künftig schwer haben, sichere Häfen für ihre Geldanlage zu finden. Zahlreiche Inhaber diskreter Konten sind sich darüber immer noch nicht ausreichend im Klaren. Sie hoffen unverändert, dass wie schon so oft der Sturm vorüberziehen wird. Diesmal, so scheint es, wird es nicht mehr so sein. Die weltweite Koalition, die sich gegen Steuerhinterziehung zusammengefunden hat, ist schon jetzt viel zu weit mit ihren Vorbereitungen, als dass auf ein Scheitern spekuliert werden könnte. Die OECD mit ihrem breiten Schatz an Wissen um weltweite Regelungen hat mit dem in kurzer Zeit vorgelegten AIA bewiesen, dass ein umfassendes und an den praktischen Erfahrungen des internationalen Informationsaustauschs orientiertes Regelwerk möglich ist.

Der AIA wird kommen

Noch viel zu viele Steuerhinterzieher verkennen die reale Gefahr, durch Informationsaustausch entdeckt zu werden. Wird jetzt nicht gehandelt, wird es zu spät für eine strafbefreiende Selbstanzeige werden. Schon heute werden die Strafen schärfer mit der Begründung, der Steuerpflichtige habe ausreichend Möglichkeiten besessen, straffrei steuerehrlich zu werden. Es erweist sich, dass bei Selbstanzeige oftmals die Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer weit weniger dramatisch ausfällt, als dies der/die Betroffene erwartet hätte. In meiner Praxis ist noch kein Fall eingetreten, bei dem der Mandant nach Berechnung der Steuernachzahlung einen Rückzieher gemacht und von der Abgabe einer Selbstanzeige Abstand genommen hat. Inhabern diskreter Konten sei also die Selbstanzeige ans Herz gelegt.

Der AIA nur der Anfang?

Vermutlich ist der AIA nur der Beginn der weltweiten Ächtung von Steuerhinterziehung. „Obama will Steuerflucht stoppen“ titelte die „Süddeutsche Zeitung“ am 08.08.2014 im Wirtschaftsteil. Seit Jahren ist es den Regierungen der hoch besteuernden Industrieländer ein Dorn im Auge, wenn Unternehmen weltweit Schlupflöcher im internationalen Steuersystem suchen, um ihre Gewinne steuergünstig, aber völlig legal, vereinnahmen zu können. Auch europäische Staaten wie die Niederlande und Irland verdienen derzeit noch gut am internationalen Steuerwettbewerb der Tax Havens. Der internationale Erfolg beim Informationsaustausch von Kapitaleinkünften könnte in Industriestaaten wie den USA und Deutschland spürbar werden. Nicht nur für Steuerhinterzieher, sondern auch für „intelligente“ Steuervermeidungsstrategien dürfte es in der Zukunft eng werden.

eberhard.simon@btu-group.de

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