Dritte TMG-Novelle verabschiedet
Ein Gastbeitrag von Paetrick Sakowski
Bereits im Sommer 2016 wurde von den damaligen Regierungsfraktionen verkündet, die sogenannte Störerhaftung für WLAN-Betreiber sei abgeschafft worden. Die seinerzeit verabschiedete zweite Novelle des Telemediengesetzes (TGM) gab das allerdings nicht her. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte noch über einige Grundsatzfragen zur Thematik zu entscheiden. Der EuGH hat in der Folge – anders als noch von der Regierung bei Verabschiedung der TMG-Novelle erwartet und vom Generalanwalt vorgeschlagen – der deutschen Störerhaftung keinen europarechtlichen Riegel vorgeschoben. Stattdessen hat der EuGH technische Schutzanforderungen an Betreiber, vor allem den Passwortschutz, sogar ausdrücklich als mit dem Unionsrecht für vereinbar angesehen. Die Regierungskoalition hatte – auf diese Entscheidung des EuGH hin – bereits Ende 2016 über einen neuen Vorschlag zur Beseitigung des Abmahnrisikos für Betreiber von öffentlich zugänglichem WLAN diskutiert. Eine Einigung wurde allerdings erst zum Ende der Legislaturperiode erzielt. Am 22.09.2017 hat nun auch der Bundesrat den Weg für das „Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ freigemacht, indem er auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtete. Das Gesetz wird am Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Mit diesem Gesetz sollen die Störerhaftung und damit das Haftungsrisiko der Betreiber weitgehend beseitigt werden.
Vom Passwortschutz zur Inhaltssperre
Mit der aktuellen TMG-Novelle verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Betreiber öffentlich zugänglicher WLANs vom Risiko kostenpflichtiger Abmahnungen zu befreien und so die Bereitstellung solcher Zugänge zu erleichtern. Bislang bestand das Risiko, dass deren Betreiber sich Unterlassungsansprüchen ausgesetzt sahen, wenn Nutzer über die von ihnen vermittelten Zugänge Rechtsverletzungen begangen haben und keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass im Hinblick auf gewerbliche Angebote, wozu auch kostenfreie, aber werbefinanzierte WLAN-Zugänge zählen, die Rechtslage nicht höchstrichterlich geklärt ist. Der EuGH hat in der Rechtssache „McFadden“ (Urteil vom 15.09.2016 – C-484/14) entschieden, dass von gewerblichen Betreibern die Einrichtung eines Passwortschutzes verlangt werden kann. Ob dies allerdings stets geboten ist, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Bezug auf private WLAN-Betreiber annimmt, und ob nicht noch weitergehende Registrierungspflichten erforderlich sind, wurde bislang nicht entschieden.
Die aktuelle Novelle beseitigt diese Unsicherheiten, indem Unterlassungs- ebenso wie Schadensersatzansprüche gegen WLAN-Betreiber vollständig ausgeschlossen werden. Als einziger Anspruch verbleibt Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums (betroffen sind in der Praxis vor allem Urheberrechte), von den Betreibern Inhaltssperren zu verlangen. Dieser Anspruch ist subsidiär gegenüber der Inanspruchnahme des rechtsverletzenden Nutzers, der allerdings wegen der Anonymität der Internetnutzung faktisch nie ermittelbar sein wird. Er besteht zudem nur in den Grenzen der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit. Wie er von den Betreibern technisch erfüllt werden soll, hat der Gesetzgeber bewusst offengelassen, damit die Praxis flexible Lösungen entwickeln kann. Derzeit ist vor allem an Port-, IP- oder URL-Sperren oder auch Datenmengenbegrenzungen zu denken. Was konkret für die Betreiber zumutbar und verhältnismäßig ist, wird anhand von Einzelfällen zu klären sein. Es ist damit zu rechnen, dass einzelne Branchenverbände und Vereinigungen von Rechteinhabern hierzu Empfehlungen abgeben werden. Es wird kritisch zu beobachten sein, wie die Etablierung von Inhaltssperren in der Praxis umgesetzt wird. Auf der einen Seite besteht die Gefahr, dass diese Sperren sich wegen der Entwicklung leichter Umgehungsmöglichkeiten als wenig effektiv erweisen könnten. Auf der anderen Seite könnten sich gerade kleine Gewerbetreibende zur umfangreichen Sperrung von Inhalten veranlasst sehen, wodurch im Ergebnis auch zahlreiche legale Inhalte blockiert würden (sogenanntes Overblocking). Der im Gesetz vorgesehenen Evaluation kommt vor diesem Hintergrund besondere Bedeutung zu.
Betreiber sind jedoch sogar dann noch gegenüber der derzeitigen Rechtslage privilegiert, wenn ein berechtigter Anspruch auf Sperrung bestimmter Inhalte besteht. Selbst in diesem Fall besteht kein Anspruch des Rechteinhabers auf Erstattung von Abmahnkosten, und selbst im Fall eines gerichtlichen Unterliegens hat der Betreiber im Gegensatz zu den allgemeinen Kostentragungsregeln der Zivilprozessordnung (ZPO) dem Rechteinhaber nur die Gerichtskosten zu erstatten.
Ist vor der Reform wieder nach der Reform?
Den positiven Aspekten der Reform für WLAN-Betreiber stehen einige beachtliche Zweifel gegenüber, ob die Interessen der Rechteinhaber unter der neuen Rechtslage genügend berücksichtigt werden. Nutzer, die anonym und ortsunabhängig Rechtsverletzungen im Internet begehen, können de facto nicht in Haftung genommen werden. Unter der neuen Rechtslage sind die Rechteinhaber damit allein auf die Durchsetzung von Inhaltssperren gegenüber den WLAN-Betreibern verwiesen. Sie tragen zudem in Abweichung von allgemeinen Grundsätzen selbst dann einen Großteil ihrer Rechtsdurchsetzungskosten, wenn sie mit ihrem Anliegen vor Gericht durchdringen. Ob diese Rechtslage tatsächlich einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen (Grund-)Rechtspositionen darstellt und der Ausschluss der Kos-tentragungspflicht mit Art. 14 der Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) in Einklang steht, wird am Ende erneut der EuGH entscheiden müssen. Deutsche Gerichte werden sich zudem damit beschäftigen müssen, welche Inhalte konkret zu sperren und welche technischen Maßnahmen hierzu zu ergreifen sind.
Konsequenzen für WLAN-Betreiber
Für Betreiber öffentlich zugänglicher WLANs ist die neue Gesetzeslage trotz der zumindest anfänglichen Unsicherheiten über Art und Umfang der Inhaltssperren positiv. Anders als bisher besteht für sie kein Risiko kostenpflichtiger Abmahnungen, wenn durch Nutzer Rechte des geistigen Eigentums verletzt werden. Zugänge können weiterhin, müssen aber nicht durch Passwörter oder sonstige Maßnahmen geschützt werden, zum Beispiel bei kostenpflichtigen Angeboten. Damit ist hinsichtlich der flächendeckenden Verbreitung von offenen WLAN-Zugängen für Kunden und Gäste eine von Unternehmern häufig benannte Hürde beseitigt worden.
Im Hinblick auf den Ausgleich der Interessen- und Rechtspositionen von Nutzern, Rechteinhabern und Zugangsbetreibern werden die neuen Regelungen allerdings sicher wieder auf den Prüfstand der Gerichte, letztlich des EuGH gestellt werden. Ob nicht sogar noch weitergehende Registrierungspflichten erforderlich sind, wurde bislang nicht entschieden. Auch Detailfragen nach der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit der Inhaltssperren werden Gerichte künftig beschäftigen.
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