Scheme of Arrangement am Beispiel TUI
Von Dr. Timo Holzborn und Christopher Mayston
Die Durchführung internationaler M&A-Transaktionen bei börsennotierten Gesellschaften, wie Akquisitionen, Übernahmen und Verschmelzungen, aber auch schon die Verlegung eines Listings zu einer anderen Börse oder der Handel von Wertpapieren in einem anderen Land, werfen regelmäßig Probleme in der Übertragung und Abwicklung (Settlement) der Anteile der beteiligten Rechtsträger auf. Dies gilt umso mehr, wenn eine Börsennotierung im Raum steht, die naturgemäß nicht lange unterbrochen werden kann, da sonst Marktverzerrungen auftreten können, die unbedingt zu vermeiden sind. Die entstehenden rechtlichen und praktischen Probleme sollen hier am Beispiel eines sogenannten Scheme of Arrangement nach britischem Recht unter Beteiligung eines deutschen und eines britischen Rechtsträgers beleuchtet werden.
In der jüngsten Vergangenheit kann hier etwa der über ein Scheme of Arrangement erfolgte Zusammenschluss der deutschen TUI AG mit ihrer britischen Tochtergesellschaft TUI Travel PLC mit neuem Listing in London als Beispiel genannt werden. Ähnliche Fragestellungen tauchen jedoch auch im Rahmen von grenzüberschreitenden Verschmelzungen oder der Übertragung von Anteilen im Rahmen einer Übernahme auf, wenn (ehemalige) Aktionäre an ein ausländisches Abwicklungssystem angebunden sind und ihnen deshalb neue Aktien nicht (direkt) übertragen werden können.
Ausgangslage
Bei einem Scheme of Arrangement handelt es sich um ein in Part 26 des britischen Companies Act 2006 vorgesehenes Instrument, welches unter anderem die Einziehung von Anteilen einer britischen Gesellschaft unter Ausgabe neuer Anteile an einen anderen (ausländischen) Rechtsträger bei gleichzeitiger Kompensation der Anteilseigner der britischen Gesellschaft mit neuen Anteilen des (ausländischen) Rechtsträgers erlaubt (vgl. zum Scheme of Arrangement allgemein etwa Bork, IILR 2012, 477; Prinz, Der Konzern 2004, 463).
Bei dem Ende 2014 durchgeführten Scheme of Arrangement der TUI Travel PLC (Details im „Scheme Document“) wurden die Aktien der außenstehenden Aktionäre der TUI Travel PLC eingezogen, die (bereits rund 54% der Aktien der TUI Travel PLC haltende oder kontrollierende) TUI AG erhielt neue Aktien an der TUI Travel PLC (und wurde damit alleinige Aktionärin), und die (ehemaligen) außenstehenden Aktionäre der TUI Travel PLC wurden durch neue Aktien der TUI AG entschädigt. Diese neuen Aktien stammten aus einer Kapitalerhöhung der TUI AG, waren (noch) zum Handel im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard) zugelassen und wurden im Zuge des Zusammenschlusses ebenfalls zum Premium-Segment der Official List der London Stock Exchange zugelassen.
Bei derartigen Konstellationen tritt regelmäßig das Problem auf, dass die Aktien des britischen Rechtsträgers in der Regel in britischen Depots gehalten werden, deren Depotbanken in aller Regel nicht an das deutsche Clearstream-System, sondern an das britische Abwicklungssystem CREST angebunden sind. Da im deutschen Recht Wertpapiere das Recht an der Aktie verbriefen (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB), mit der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs, während die Eigentümerstellung nach britischem Recht im Aktienregister festgehalten wird und die Aktien gegebenenfalls nur elektronisch existieren, kann im klassischen Settlement-System keine Übertragung des Eigentums an den neuen Aktien des deutschen Rechtsträgers erfolgen. Zudem darf CREST aufgrund ge-setzlicher Vorschriften nur den Handel mit Wertpapieren britischer Emittenten abwickeln.
Treuhandlösung
Zur Lösung dieser abwicklungstechnischen Schwierigkeiten bietet sich eine Treuhandlösung an, bei der ein im Vereinigten Königreich zur Aktienregistrierung und Ausgabe elektronischer Aktienrechte (ähnlich der Wertrechte der Bundesschuldenverwaltung) berechtigter sogenannter Registrar auf der Grundlage entsprechender Treuhandvereinbarungen die neuen (deutschen) Aktien für die ehemaligen Aktionäre des britischen Rechtsträgers zeichnet und treuhänderisch hält. Im Rahmen eines sogenannten Trust Deeds ist dies nach britischem Recht ohne direkte Beteiligung der ehemaligen Aktionäre des britischen Rechtsträgers möglich. Diesen werden sogenannte Depository Interests (DIs) angeboten, welche die vom Registrar treuhänderisch gehaltenen neuen Aktien der TUI AG vertreten. Die Ausgabe von DIs ist regelmäßig Voraussetzung für die Notierung der Aktien des deutschen Rechtsträgers an einer britischen Börse. Neben dem Trust Deed legt regelmäßig ein Depository Agreement des Registrars mit dem deutschen Rechtsträger unter anderem fest, dass die Rechte aus den neuen Aktien an die jeweiligen Inhaber der DIs weitergeleitet oder für diese ausgeübt werden, soweit dies möglich ist. So werden unter anderem Dividenden und Sachausschüttungen sowie die Stimmrechte weitergereicht.
Übernahmerechtliche Fragen
Da bei einer solchen Treuhandlösung der Registrar als einzige Person die neuen Aktien (als Treuhänder) zeichnet, kann es bei einem entsprechenden Volumen zu der Problematik kommen, dass für den Registrar eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung, zur Übermittlung einer Angebotsunterlage und zur Abgabe eines Pflichtangebots nach deutschem Recht (gemäß § 35 WpÜG) ausgelöst wird. Das Eigentum des Treuhänders an den neuen Aktien der Zielgesellschaft (des deutschen Rechtsträgers) wird durch die Treuhand nicht berührt; er wird und bleibt rechtlicher Eigentümer der neuen Aktien, auch wenn er aus der Treuhandvereinbarung den Inhabern der DIs verpflichtet ist. Das Stimmrecht aus einer (Namens-)Aktie wird vom jeweiligen zivilrechtlichen Eigentümer der Aktie gehalten (vgl. Bülow, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl. 2010, § 29 Rn. 100). Infolgedessen kann die 30%-Grenze für Stimmrechtsanteile nach §§ 35, 29 Abs. 2 WpÜG zu beachten sein, bei deren Überschreiten durch die Transaktion die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt würde. Dem steht im Grundsatz auch nicht das Weisungsrecht der Inhaber der DIs über die Ausübung der mit den neuen Aktien verbundenen Rechte, insbesondere der Stimmrechte, entgegen. Eine Stellung als rechtlicher Eigentümer ohne rechtliche Inhaberschaft der entsprechenden Stimmrechte wäre mit dem Abspaltungsverbot aus § 8 Abs. 5 AktG, wonach einzelne Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft nicht getrennt werden dürfen, unvereinbar (vgl. Koch, in: Hüffer, Aktiengesetz, 11. Aufl. 2014, § 8 Rn. 26).
Übernahmeangebot des Treuhänders als „Dealbreaker“
Ein Übernahmeangebot des Treuhänders ist aber weder wirtschaftlich gewollt noch zeit- und kostentechnisch abbildbar, so dass es im Regelfall ein „Dealbreaker“ wäre. Daher wird in diesen Fällen eine Befreiung nach § 37 WpÜG i.V.m. §§ 8 ff. WpÜG-Angebotsverordnung angestrebt.
Möglicher Befreiungsgrund ist zum einen die mit der Erlangung der Kontrolle beabsichtigte Zielsetzung (§ 37 Abs. 1, 2. Var. WpÜG): Insoweit ist bei (mit DIs vergleichbaren) American Depositary Receipts (ADRs) anerkannt, dass ein Erwerb von Aktien über die Kontrollschwelle hinaus durch die Bank, welche die ADRs begibt, ohne ein Pflichtangebot erfolgen kann, da die Erleichterung von grenzüberschreitenden Unternehmensakquisitionen und/oder die Ermöglichung einer ausländischen Börsennotierung insoweit einen förderungswürdigen Zweck darstellen. Dieselbe Interessenlage besteht auch bei den im Rahmen eines Scheme of Arrangement auszugebenden DIs.
Daneben ist auch noch der Befreiungsgrund des Fehlens der tatsächlichen Möglichkeit zur Ausübung von Kontrolle (§ 37 Abs. 1, 5. Var. WpÜG) einschlägig, da der Treuhänder seine Tätigkeit nur in dem durch die Vereinbarungen zur Treuhand vorgegebenen rechtlichen Rahmen ausüben will, der so weit beschränkt ist, dass eine tatsächliche Ausübung der Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG nicht zu erwarten ist. Insbesondere die Beschränkung des Umfangs der Tätigkeit als weisungsabhängiger Treuhänder ist gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Aufsichtsbehörde ausreichend zu belegen, wobei es maßgeblich darauf ankommt, dass das Stimmrecht vom Treuhänder keinesfalls im eigenen Interesse, sondern nur im Interesse der DI-Inhaber ausgeübt wird. Diese können entweder Weisungen erteilen oder sich bevollmächtigen lassen und selbst an der Hauptversammlung des deutschen Rechtsträgers teilnehmen; zudem sollte den DI-Inhabern auch immer die Option der „Umwandlung“ der DIs in die entsprechenden vertretenen Aktien (bei Bereitstellung eines entsprechenden Depots) offenstehen.
Interessenlage in der Praxis
Bei richtiger Strukturierung überwiegen die Interessen des Treuhänders und der anderen Transaktionsparteien: Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft (des deutschen Rechtsträgers) an der Abgabe eines Pflichtangebots höher zu bewerten ist als das Interesse des Treuhänders an der Vermeidung eines zeit- und kostenintensiven Pflichtangebotsverfahrens, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil wird das mutmaßliche Interesse der Aktionäre der Zielgesellschaft vielmehr darauf gerichtet sein, dass ein professionelles Finanzunternehmen die Funktion des Treuhänders übernimmt, um den Zusammenschluss zu ermöglichen. Die relative Bewertung der Interessen des Treuhänders und der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft weicht in einem solchen Maß vom Normalfall der Erlangung der Kontrolle ab, dass die Befreiung geboten ist. Entscheidend ist die Reduzierung der Stellung des Treuhänders auf das für die Durchführung der Transaktion Erforderliche durch die Eingrenzung der Aufgaben des Treuhänders unter den entsprechenden Treuhandvereinbarungen. Dies führt dann nicht zu einer Veränderung der materiellen Kontrollsituation bei der Zielgesellschaft, die der gesetzgeberischen Wertung für eine Desinvestitionsentscheidung bei einem Pflichtangebot zugrundeliegt.
Dieses Ergebnis stimmt mit der rechtlichen Einordnung durch das WpHG überein: Bei Inhabern von ADRs wird eine Zurechnung der Stimmrechte der zugrundeliegenden Aktien angenommen, sodass diese nach § 21 Abs. 1 Satz 2 WpHG regelmäßig nur vom ADR-Inhaber und nicht vom Treuhänder gemeldet werden müssen. Dies gilt entsprechend für DIs.
Fazit
Im Ergebnis zeigt sich, dass bei Unternehmenszusammenschlüssen mit internationalen Bezügen eine Treuhandlösung in Form der Zeichnung der deutschen Aktien durch einen Registrar als Treuhänder und der Ausgabe von DIs an die zu entschädigenden Aktionäre des ausländischen Rechtsträgers eine geeignete Möglichkeit bietet, Abwicklungsschwierigkeiten zu umgehen, ohne ein zeit- und kostenintensives Pflichtangebotsverfahren auszulösen.