Ab Januar 2015 wird die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit für Hinterzieher nochmals schwieriger und teurer
Von Dr. Heiko Ahlbrecht

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Seit kurzem liegt der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zur Neuregelung der Selbstanzeige im Steuerrecht vor, der die Ergebnisse der Landesfinanzministerkonferenz vom 09.05.2014 in Gesetzesform gießt. Vereinfacht gesagt, wird für Steuersünder die Möglichkeit zur Selbstanzeige künftig weiter eingeschränkt. Die Selbstanzeige als solche wird teurer.

Der Gesetzentwurf passt zunächst die Sperrgründe bei der strafbefreienden Selbstanzeige weiter an bzw. legt die Latte für Steuerhinterzieher höher: Eine wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) liegt generell nur vor, wenn keiner der sogenannten Sperrgründe im Sinne des § 371 Abs. 2 AO eingreift. Sperrgründe sind nach noch aktueller Rechtslage die Bekanntgabe einer steuerlichen Prüfungsanordnung gegenüber dem Täter, die Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens, das Erscheinen eines Amtsträgers zur steuer(strafrecht)lichen Prüfung oder die (teilweise) Tatentdeckung.

Diese Sperrgründe konturiert der Gesetzentwurf nun weiter, indem auch die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber dem Begünstigten oder dessen Vertreter oder gegenüber dem an der Tat Beteiligten oder dessen Vertreter Sperrwirkung für alle an der Tat Beteiligten (beispielsweise dem Anstifter oder dem Beihelfer) entfaltet. Wird also bekannt, dass die Behörden einen Verdacht auf Steuerhinterziehung prüfen, entfällt für alle nur denkbar strafrechtlich Beteiligten die Selbstanzeigemöglichkeit.

Erscheinen eines Amtsträgers im Rahmen der Steuernachschau als zusätzlicher Sperrgrund

Als zusätzlichen Sperrgrund bestimmt der neue § 371 Abs. 2 Nr. 1d AO das Erscheinen eines Finanzbeamten im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG), einer Lohnsteuer-Nachschau oder einer sonstigen steuerlichen Nachschau. Eine steuerliche Nachschau ist keine steuerliche Prüfung, sondern ein von den Steuerbehörden spontan einsetzbares besonderes Verfahren zur zeitnahen Aufklärung möglicher steuererheblicher Sachverhalte. Sie erlaubt das Betreten der Geschäftsräume und die Sichtung von Unterlagen und dient der punktuellen und gegenwartsbezogenen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse. Die steuerliche Nachschau sperrt die Selbstanzeige für die Zeit ihrer Dauer. Aus der steuerlichen Nachschau heraus können andere Sperrgründe entstehen, wie die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder auch eine Tatentdeckung. Die Intention des Gesetzgebers ist es, den Zeitraum der Steuernachschau insoweit einer laufenden Steuerprüfung gleichzustellen.

Schließlich wird den an einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall Beteiligten (§ 370 Abs. 3 Satz 2) die Straffreiheit nach der Neuregelung per se versagt. Diese können bei im Übrigen wirksamer Selbstanzeige nur ein Absehen von Strafverfolgung erlangen – gegen Zahlung eines Zuschlags auf den Hinterziehungsbetrag. Im (strafrechtlichen) Ergebnis steht die Straffreiheit dem Absehen von der Strafverfolgung gleich, Letzteres kostet nur extra.

Strafverfolgung verjährt erst nach zehn Jahren

Bislang gilt allein für Fälle der schweren Steuerhinterziehung eine zehnjährige strafrechtliche Verjährungsfrist (§ 376 Abs. 1 AO). Bei der „einfachen“ Steuerhinterziehung tritt die Strafverfolgungsverjährung fünf Jahre nach der Tatbeendigung ein (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Mit der ­Neuregelung gilt künftig die zehnjährige Verjährungsfrist für alle Arten der Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Dies entspricht zugleich der steuerlichen Festsetzungsverjährungsfrist und synchronisiert die steuerlichen mit den steuerstrafrechtlichen Verjährungsregelungen. Für eine vollständige Selbstanzeige müssen also die steuerstrafrechtlich nicht verjährten letzten zehn Jahre erklärt werden. Nach der geltenden Rechtslage mussten nur die steuerstrafrechtlich nicht verjährten fünf Jahre oder die Jahre mit Hinterziehungsbeträgen oberhalb 50.000 Euro erklärt werden, um straffrei zu werden. Für die nicht erklärten, aber steuerlich nicht verjährten zehn Jahre war das Finanzamt auf Schätzungen angewiesen.
In diesem Kontext wurde auch die steuerliche Anlaufhemmung für nicht deklarierte ausländische Kapitalerträge geändert: Der neue § 170 Abs. 6 AO soll gewährleisten, dass bestimmte ausländische Kapitalerträge, die den deutschen Finanzbehörden erst wesentlich später bekanntwerden, dennoch besteuert werden können. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die übliche steuerliche Festsetzungsfrist erst zehn Jahre nach dem Entstehen der Steuer zu laufen beginnt. Die steuerliche Festsetzungsverjährung kann damit im Extremfall bis zu 20 Jahre betragen.

Straffreiheit nur bei Nachzahlung der hinterzogenen Steuer nebst aller Zinsen

Straffreiheit (§ 371 AO) oder das Absehen von der Strafverfolgung in besonders schweren Fällen (§ 398a AO) kann im Rahmen einer Selbstanzeige bislang dadurch erreicht werden, dass „nur“ der hinterzogene Steuerbetrag zurückgezahlt wurde bzw. in den besonders schweren Fällen bei zusätzlicher Zahlung des Geldzuschlags von 5% auf den Hinterziehungsbetrag. Auch hier ist die Neuregelung strenger, indem sie vorsieht, dass zusätzlich die steuerlichen Zinsen (§ 233a AO) oder Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) zu begleichen sind.

Straffreiheit nur noch bis 25.000 Euro Hinterziehungssumme pro Jahr

Weiter kann bei einer wirksamen Selbstanzeige Straf­freiheit nur dann erlangt werden, wenn der Hinterziehungsbetrag pro Veranlagungszeitraum nicht mehr als 25.000 Euro beträgt (bislang 50.000 Euro). Bei Hinterziehungsbeträgen oberhalb dieser Summe kommt nur noch ein Absehen von der Strafverfolgung gemäß § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht; es muss dann allerding zusätzlich eine Geldzahlung zugunsten der Staatskasse erfolgt sein von

  • 10% der hinterzogenen Steuer bei einem Hinterziehungsbetrag bis 100.000 Euro,
  • 15% der hinterzogenen Steuer bei einem Hinterziehungsbetrag zwischen 100.000 und 1 Mio Euro sowie
  • 20% der hinterzogenen Steuer bei einem Hinterziehungsbetrag oberhalb von 1 Mio Euro.

Der jeweilige Prozentsatz bezieht sich auf den Hinterziehungsbetrag des jeweiligen Veranlagungszeitraums. Zum Vergleich: Die aktuelle Gesetzeslage sieht noch pauschal einen Zuschlag von 5% auf einen Hinterziehungsbetrag von 50.000 Euro und mehr vor. Der neue gestaffelte Zuschlag hat deutlichen Sanktionscharakter und führt den eigentlichen Sinn der strafbefreienden Selbstanzeige ad absurdum.

Teilselbstanzeige bei Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldung

Eine kleine Entlastung sieht der Referentenentwurf für die Umsatzsteuervoranmeldung vor, soweit es sich nicht um eine Jahresanmeldung handelt, sowie für die Lohnsteueranmeldung. Mit der Neuregelung des § 371 Abs. 2a AO gilt eine korrigierte oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung zukünftig wieder als wirksame Teilselbstanzeige. Als weitere Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot ist vorgesehen, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Vorjahr nicht auch Berichtigungen für die Umsatzsteuervoranmeldungen des laufenden Jahres umfassen muss. Es handelt sich bei dieser Neuregelung um die einzige nicht fiskal- oder strafpolitisch motivierte und damit dem Steuerbürger entgegenkommende Gesetzesänderung – sie war allerdings auch objektiv geboten und selbst von der Finanzverwaltung schon wegen ihres Volumens und aus Praktikabilitätserwägungen seit Jahren eingefordert worden.

Bewertung

Der Referentenentwurf realisiert die klaren Ansagen der Justizminister, dass sich Steuerhinterziehung nicht mehr lohnen und auch eine wirksame Selbstanzeige teuer (und schmerzhaft) sein soll. Die dogmatisch fragwürdige Differenzierung zwischen Straffreiheit und Absehen von Strafverfolgung gegen Geldzahlung wird weiter verstärkt. Letzteres lässt sich der Staat teuer bezahlen, was im Ergebnis einer Bestrafung gleichkommt. Die Artikulierung dieser objektiven Friktionen ist jedoch nicht en vogue. Die weitere Verschärfung der Sperrgründe schließt bekannte Lücken und „optimiert“ das System der Sperrgründe. Der Referentenentwurf bedient die Benutzerfreundlichkeit für die Finanzbeamten, nicht zuletzt wegen der Angleichung der zehnjährigen Verjährungsfrist. Für den Steuerbürger ist die Selbstanzeige nach wie vor wenig verständlich, ohne professionelle Hilfe vermag er sie kaum selbst zu realisieren.

ahlbrecht@strafrecht.de

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