Überbrückungskredit für Air Berlin: Die Rettungsbeihilfe war von der Europäischen Kommission genehmigt
Ein Gastbeitrag von Daniel von Brevern
Die finanziellen Schwierigkeiten von Air Berlin sowie die von der Bundesregierung gewährte Unterstützung in Form eines Überbrückungskredits haben den Sommer über die Nachrichten beherrscht. Die Mitarbeiter von Air Berlin sorgen sich um ihre Arbeitsplätze. Die Kunden von Air Berlin, darunter viele Urlauber, fragen sich, ob die von ihnen gebuchten Flüge stattfinden. Und Wettbewerber von Air Berlin hoffen entweder, Teile von Air Berlin übernehmen zu können, oder beschweren sich darüber, dass Air Berlin durch staatliche Intervention am Leben gehalten wird. Dabei ist in der Berichterstattung häufig übersehen worden, dass der Überbrückungskredit innerhalb des durch das Europäische Beihilferecht vorgegebenen Rahmens gewährt wurde und Air Berlin erst seit der Genehmigung durch die Europäische Kommission Anfang September 2017 zur Verfügung steht. Zudem dient der Kredit ausschließlich dazu, um die Zeit bis zu einer geordneten Abwicklung von Air Berlin zu überbrücken.
Hintergrund
Über die Fluggesellschaft Air Berlin wurde schon seit Jahren immer wieder berichtet, dass sie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei. Die auf den jährlichen Bilanzpressekonferenzen von Air Berlin verkündeten Ergebnisse waren regelmäßig nicht geeignet, entsprechende Berichte überzeugend zu widerlegen. Im Herbst 2016 kündigte Air Berlin eine umfassende Umstrukturierung an, um die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Doch die geplanten Maßnahmen waren entweder nicht geeignet oder kamen zu spät. Nachdem der größte Einzelaktionär von Air Berlin, Etihad Airways, Anfang August erklärt hatte, Air Berlin keine weitere finanzielle Unterstützung zu gewähren, musste Air Berlin am 15.08.2017 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen.
Nach den insolvenzrechtlichen Regelungen wäre Air Berlin verpflichtet gewesen, den Flugbetrieb unmittelbar nach Einreichung des Insolvenzantrags einzustellen. In einer noch am 15.08.2017 veröffentlichten gemeinsamen Pressemitteilung erklärten das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, die Bundesregierung habe entschieden, Air Berlin einen Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu gewähren. Der Überbrückungskredit werde durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Verfügung gestellt und durch eine Bundesbürgschaft abgesichert. Damit sei gewährleistet, dass der Flugbetrieb von Air Berlin in vollem Umfang fortgeführt werden könne. Zugleich sei davon auszugehen, dass verschiedene Unternehmensteile von Air Berlin in den nächsten Wochen an andere Fluglinien, insbesondere Lufthansa sowie „eine weitere Airline“, veräußert werden könnten.
Genehmigung von der Europäischen Kommission für den Überbrückungskredit
Der Überbrückungskredit wurde von der Bundesregierung zwar unmittelbar nach Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angekündigt. Tatsächlich zeigte die Bundesregierung die geplante Gewährung des Überbrückungskredits am 15.08.2017 zunächst der Europäischen Kommission als „Rettungsbeihilfe“ an. Diese wurde am 04.09.2017 von der Europäischen Kommission genehmigt. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte Air Berlin tatsächlich auf den Überbrückungskredit zugreifen.
Die Gewährung von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen ist eine staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV. Staatliche Beihilfen sind grundsätzlich verboten, sofern sie nicht ausnahmsweise von der Europäischen Kommission genehmigt werden (entweder im Rahmen einer allgemeinen „Freistellungsverordnung“ oder durch Einzelfallentscheidung). Eine Kategorie von staatlichen Beihilfen, die in Ausnahmefällen durch Einzelfallentscheidung der Europäischen Kommission genehmigt werden kann, sind „Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen“ für Unternehmen in Schwierigkeiten. Dabei berücksichtigt die Europäische Kommission, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen in Schwierigkeiten den Wettbewerb besonders stark verfälschen. Das Ausscheiden schwacher Unternehmen aus dem Markt ist in einem wettbewerblichen Umfeld ein normaler Vorgang und begünstigt in der Regel erfolgreichere Unternehmen. Die Europäische Kommission genehmigt Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen deshalb nur unter eng begrenzten, im Einzelnen in den „Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung“ festgelegten Voraussetzungen:
- Die Unterstützung darf nur als vorübergehende Liquiditätshilfe in Form von Krediten oder Kreditbürgschaften gewährt werden. Kredite müssen binnen sechs Monaten zurückgezahlt werden, Bürgschaften auf maximal sechs Monate befristet sein.
- Die Höhe des Kredits oder der Kreditbürgschaft muss auf den Liquiditätsbedarf für die nächsten sechs Monate beschränkt sein.
- Der Beihilfeempfänger muss für die Unterstützungsmaßnahme eine marktgerechte Vergütung zahlen, bei der (durch entsprechende Aufschläge) berücksichtigt ist, dass es sich um ein Unternehmen in Schwierigkeiten – mit entsprechendem Ausfallrisiko – handelt.
- Sofern die Beihilfe über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus gewährt werden soll, muss die Bundesregierung einen ausführlichen Umstrukturierungs- oder Abwicklungsplan für den Beihilfeempfänger vorlegen.
Die Europäische Kommission hat den Überbrückungskredit für Air Berlin unter Zugrundelegung dieser Vorgaben als Rettungsbeihilfe genehmigt. Dabei hat sie insbesondere berücksichtigt, dass die Auszahlung des Kredits in Tranchen erfolgt. Air Berlin muss jede Woche Nachweise für seinen Liquiditätsbedarf vorlegen, und weitere Kredittranchen werden erst dann freigegeben, wenn alle verfügbaren Mittel aufgebraucht sind. Zudem hat die Europäische Kommission die Bundesregierung verpflichtet, entweder sicherzustellen, dass der Kredit binnen sechs Monaten vollständig zurückgezahlt oder alternativ Air Berlin abgewickelt wird.
Möglichkeiten für Wettbewerber und sonstige Dritte
Die Fluglinie Germania soll nach Berichten in der Presse unmittelbar nach Bekanntwerden der geplanten Unterstützungsmaßnahme eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Berlin beantragt haben. Germania wollte der Bundesregierung verbieten, Air Berlin den Überbrückungskredit zu gewähren. Staatliche Beihilfen, die ohne vorherige Genehmigung durch die Europäische Kommission gewährt werden, verstoßen gegen das sogenannte „Durchführungsverbot“. Nach einigem Widerstreben ist mittlerweile auch in der deutschen höchstrichterlichen Praxis anerkannt, dass Dritte, insbesondere Wettbewerber des Beihilfeempfängers, einen entsprechenden Verstoß vor deutschen Gerichten geltend machen können. Der Versuch von Germania, den Überbrückungskredit durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin zu verhindern, dürfte dementsprechend auch auf einen vermeintlichen Verstoß gegen das Durchführungsverbot gestützt gewesen sein. Nachdem die Genehmigungsentscheidung der Europäischen Kommission am 04.09.2017 publik wurde, hat Germania den Antrag zurückgenommen.
Auch die von Ryanair und Germania nach Presseberichten bei der Europäischen Kommission eingelegten Beschwerden dürften sich mit der Genehmigungsentscheidung erledigt haben. Insoweit bleibt den Beschwerdeführern allenfalls, die Entscheidung der Europäischen Kommission vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg anzugreifen. Allerdings steht angesichts der üblicherweise mehrjährigen Verfahrensdauer zu erwarten, dass ein entsprechendes Urteil erst zu einem Zeitpunkt ergehen würde, zu dem Air Berlin schon seit längerem vom Markt verschwunden sein dürfte.
Unbenommen bleibt interessierten Wettbewerbern dagegen die Möglichkeit, sich an der Abwicklung von Air Berlin zu beteiligen. Insoweit dürfte durch die Genehmigungsentscheidung der Europäischen Kommission vorgegeben sein, dass die Veräußerung von Vermögenswerten im Rahmen eines offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahrens erfolgt. Grundsätzlich bedeutet dies insbesondere, dass die Vermögenswerte an den Höchstbietenden veräußert werden müssen. Eine angebotsunabhängige Auswahl eines bestimmten „bevorzugten“ Bieters durch die Bundesregierung ist daher ausgeschlossen.
… [Trackback]
[…] Here you will find 94226 more Information to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Here you can find 47612 additional Information to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More on on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More on to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More on on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More here on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] There you can find 74381 additional Information on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Info to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More on on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More Info here to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Information on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] There you will find 73805 more Information to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Here you will find 95032 additional Information on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More on on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More Info here on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Here you will find 90744 more Info to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Find More here on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] There you will find 88800 more Information to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More Info here on that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Read More to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]
… [Trackback]
[…] Here you will find 60143 more Info to that Topic: deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/sechs-monate-luft-unter-den-fluegeln/ […]