Nach einem aktuellen Urteil haben Behörden nur drei Jahre ab Kenntniserlangung Zeit
Ein Gastbeitrag von Dr. Christian Scherer-Leydecker und Jan Laboranowitsch, LL.M.
Vom Landwirtschaftsbetrieb bis zum Start-up: Verschiedenste Unternehmen profitieren von staatlichen Fördermitteln. Stellt sich nachträglich heraus, dass diese rechtswidrig gewährt wurden, kann die jeweilige Behörde Rückzahlungsansprüche geltend machen. Dies erfolgt mitunter erst Jahre nach der Auszahlung. Dann stellt sich die Frage: Wann verjähren diese Ansprüche?
Einig ist sich die Rechtsprechung, dass der Anspruch auf Rückzahlung von Subventionen der Verjährung unterliegt. Keine endgültige Klarheit besteht zu den anwendbaren Fristen und dem Verjährungsbeginn. Mit diesen Fragen befasste sich das Bundesverwaltungsgericht in einem aktuellen Urteil (BVerwG, Urteil vom 15.03.2017 – BVerwG 10 C 3.16).
Der rechtliche Hintergrund
Die Auszahlung einer Subvention erfolgt in der Regel auf Grundlage eines Förderbescheids. Dieser darf nur bei Vorliegen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erteilt werden. Der Bescheid selbst enthält regelmäßig Nebenbestimmungen wie beispielsweise Mitteilungspflichten des Zuwendungsempfängers oder Pflichten zur Vorlage von Verwendungsnachweisen. Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen von Anfang an nicht vor, fallen diese später weg, oder verstößt der Subventionsempfänger gegen Nebenbestimmungen, so kann die Behörde ausgezahlte Beträge zurückfordern. Hierfür muss sie zunächst den Förderbescheid aufheben, sofern dieser nicht bereits anderweitig – etwa durch eine auflösende Bedingung – unwirksam geworden ist.
Soweit sind die rechtlichen Grundsätze anerkannt. Auch ist die Rückforderung ausgezahlter Beträge keine Seltenheit. Umso mehr erstaunt, dass die Rechtsprechung zur Verjährung solcher Rückforderungsansprüche noch keine einheitliche Linie gefunden hat. Das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt immerhin eine Tendenz.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Vorrangig ging es darin um die Frage, ob angesichts fehlender Verjährungsregelungen im öffentlichen Recht diejenigen des BGB in der aktuellen oder in der bis zur Schuldrechtsreform im Jahr 2002 geltenden Fassung entsprechend anzuwenden seien. Diese Frage ist von mehr als nur akademischer Bedeutung: Nach „altem Recht“ (§§ 195, 198 BGB a.F.) betrug die hier maßgebliche Regelverjährung 30 Jahre. Verjährungsbeginn war mit Entstehung des Anspruchs, also kenntnisunabhängig. Nach „neuem Recht“ (§§ 195, 199 BGB n.F.) beträgt die Verjährungsfrist lediglich drei Jahre. Der Verjährungsbeginn ist abhängig davon, wann der Anspruch entstanden ist und die Behörde Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Subventionsempfängers hatte oder haben musste. Der Verjährungsbeginn ist also kenntnisabhängig.
In dem entschiedenen Fall hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Verjährung von Rückforderungsansprüchen aus einer Existenzgründerförderung zu befassen. Die Behörde hatte dem Zuwendungsempfänger ein fünf Jahre tilgungsfreies und zehn Jahre zinsloses Darlehen gewährt. In dem Zuwendungsbescheid war die Nebenbestimmung enthalten, dass der Zuschuss binnen zwei Monaten vollständig zurückzuzahlen sei, wenn der mitfinanzierte Betrieb nicht während der gesamten Zeit eigenbetrieblich gewerblich genutzt werde. In dieser Nebenbestimmung sah das Bundesverwaltungsgericht eine auflösende Bedingung, die mit dem Ausscheiden des Zuwendungsempfängers aus dem Unternehmen eingetreten sei. Damit hätten die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vorgelegen.
Der Rückforderungsanspruch bezog sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, insoweit abweichend von der Vorinstanz, auch auf solche Raten, die vor Eintritt der auflösenden Bedingung fällig geworden waren. Dies ergebe sich aus der Formulierung, wonach der Zuschuss binnen zwei Monaten „vollständig“ zurückzuzahlen sei. Dieser Erstattungsanspruch war nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in vollem Umfang verjährt.
Abweichende Meinungen zum anwendbaren Verjährungsrecht
Da in den Vorschriften zu Subventionen in der Regel keine Verjährungsfristen enthalten sind, ist auf die Regelungen des BGB zurückzugreifen. Überwiegend wenden Rechtsprechung und Literatur im öffentlichen Recht die derzeit gültigen Normen der 2002 reformierten Fassung des BGB an. Teile der Rechtsprechung halten jedoch weiterhin für bestimmte Fälle des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs die alte 30-jährige Frist für einschlägig. Dem erteilte das Bundesverwaltungsgericht nun eine Absage.
Das Gericht begründet die Anwendung des neuen Rechts im Wesentlichen damit, dass nach der Schuldrechtsreform die Vorschriften zur Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt im VwVfG des Bundes neu gefasst worden seien. Dabei habe der Gesetzgeber ausdrücklich auf die neu gefassten Verjährungsregelungen des BGB Bezug genommen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bekundete er damit seinen Willen, die neuen Verjährungsfristen sowie deren Bemessung nach der neuen Fassung des BGB auch im öffentlichen Recht anzuwenden. Diese Erwägungen des Bundesgesetzgebers gölten auch für das hier einschlägige Landes-VwVfG, weil dieses die entsprechenden Vorschriften des VwVfG des Bundes „in der jeweils geltenden Fassung“ für anwendbar erkläre.
Zudem sei der Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit den Ansprüchen auf Rückforderung einer ungerechtfertigten Bereicherung nach dem BGB vergleichbar, für die die neuen Verjährungsfristen ebenfalls gölten. Hier wie dort ginge es um die Rückabwicklung einer von Anfang an oder nachträglich rechtsgrundlos gewordenen Vermögensverschiebung. Die Entscheidung überzeugt auch in dieser Hinsicht.
Die Frage des Verjährungsbeginns bleibt offen
Mit der Anwendung der neuen Verjährungsfristen des BGB sind konsequenterweise auch die Regelungen zum Verjährungsbeginn in der reformierten Fassung anzuwenden. Dies bestätigt das Bundesverwaltungsgericht. Nach der maßgeblichen Regelung (§ 199 Abs. 1 BGB) kommt es hierfür auf die Anspruchsentstehung und die Kenntnis beziehungsweise das Kennenmüssen der Behörde an. Das Bundesverwaltungsgericht knüpft in seiner Entscheidung jedoch nur an die Kenntnis an. Die Frage, wann der Anspruch im Sinne der verjährungsrechtlichen Regelungen entstanden ist, bleibt offen.
Eine Auseinandersetzung mit dem Verjährungsbeginn wäre wünschenswert gewesen. Denn zum einen hatten Teile der Rechtsprechung in der Vergangenheit auch bei Anwendung des neuen Verjährungsrechts nur die Anspruchsentstehung für maßgeblich erachtet. Zum anderen vertraten die Gerichte in der Vergangenheit auch zur Bestimmung des Zeitpunkts der Anspruchsentstehung divergierende Auffassungen. Das Bundesverwaltungsgericht bejahte in der hier besprochenen Entscheidung einen Rückforderungsanspruch auch für die Raten, die vor Eintritt der auflösenden Bedingung ausgezahlt worden waren. Offen bleibt, ob es auch die Entstehung des Rückforderungsanspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB schon mit Auszahlung der ersten Rate des Darlehens als entstanden ansah oder erst mit Eintritt der auflösenden Bedingung, also mit Ausscheiden des Klägers.
Fazit
Fordert eine Behörde ausgezahlte Subventionen erst nach Jahren zurück, so sollte stets die mögliche Verjährung in den Blick genommen werden. Nach überwiegender Rechtsprechung ist die Dreijahresfrist des BGB entsprechend anwendbar. Schwierigkeiten kann im Einzelfall die Bestimmung des Verjährungsbeginns bereiten. Dies betrifft insbesondere die Frage, wann der Anspruch im Sinne der Verjährungsregelungen des BGB entstanden ist. Insofern steht eine gerichtliche Klärung noch aus.
christian.scherer-leydecker@cms-hs.com