Das Beispiel Menold Bezler: Karriere und Familie lassen sich auch in einer Wirtschaftskanzlei vereinbaren
Von Dr. Jörg Schneider-Brodtmann und Stefanie Müller

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Worum es geht

Nichtanwälten mögen arbeitgeberseitige Angebote zur Schaffung von Chancengleichheit und Familienfreundlichkeit selbstverständlich und kaum erwähnenswert erscheinen. Doch in der Welt der Wirtschaftskanzleien löst die gedankliche Auseinandersetzung mit Teilzeitmodellen und Frauenkarrieren nach wie vor Kontroversen aus. So konnte man sich kürzlich auf einem juristischen Onlineportal quasi im Minutentakt durch neue Kommentare zu einem dort erschienenen Artikel über Teilzeitmodelle klicken: Von der Meinung, Spitzenleistung gäbe es nicht in Teilzeit, bis hin zur Aussage, eine Work-Life-Balance sei in freien Berufen durch die äußeren Umstände gar nicht möglich, war alles zu finden.

Fakt ist: Themen wie Wochenarbeitszeiten, flexible Arbeitszeitmodelle und Familienfreundlichkeit werden auch bei jungen Anwältinnen und Anwälten immer wichtiger. Und immer mehr Wirtschaftskanzleien bieten inzwischen Teilzeit- und familienfreundliche Modelle an. Fakt ist aber auch: Es ist noch längst nicht üblich, dass sie tatsächlich in Anspruch genommen werden. Liegt es tatsächlich am starken Zeit- und Leistungsdruck im Anwaltsgeschäft oder eher am konservativen Karriere- und Rollenverständnis vieler älterer Partner, dass bisher kaum Frauen in Kanzleien Karriere machen?

Familienfreundlichkeit und Arbeitszeitmodelle

Als Wirtschaftskanzlei mit einem relativ niedrigen Altersdurchschnitt – 45% unserer Anwälte sind unter 35 Jahre, 65% unter 40 Jahre – und einem hohen Frauenanteil – dieser liegt bei 30% inklusive Partnern und bei 45% unter den angestellten Anwälten – mussten wir uns dem Karriereverständnis der neuen Bewerbergeneration stellen. Grundvoraussetzung war für uns dabei immer, dass die Partnerschaft den geplanten Maßnahmen offen gegenübersteht und die geänderten Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter akzeptiert. Gerade auf Partnerebene tun sich nach unserer Einschätzung Wirtschaftskanzleien noch immer schwer, Teilzeittätigkeiten und alternative Karrierewege zu akzeptieren und in der Praxis auch zu leben. Dass wir am Ende greifbare Angebote ins Leben rufen konnten, die nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern ausdrücklich genutzt werden sollen, ist sicherlich auch der relativ jungen Partnerschaft zu verdanken, die hinter den Ideen stand.

Konkret haben wir uns zwei großen Themenbereichen gewidmet: zum einen der Schaffung flexibler ­Arbeitszeitmodelle auf allen Karrierestufen und zum ­anderen der Einführung familienfreundlicher Maßnahmen.

Einen Schritt in Richtung Chancengleichheit von Anwältinnen sehen wir in der Gewährung größtmöglicher Flexibilität in jeder Lebensphase und auf jeder Karrierestufe. Neben Elternzeiten für Mütter und Väter und Promotionszeiten bieten wir flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle auf allen Ebenen an. Dies gilt auch für Partner: Seit dem Jahr 2012 ist das Modell der Teilzeitpartnerschaft fest in unserem Gesellschaftsvertrag verankert. Demnach kann jeder Partner seine Arbeitszeit auf bis zu 50% reduzieren, ohne dass dies an besondere Bedingungen geknüpft ist.

Der Zuspruch innerhalb der Partnerschaft war nicht nur bei der Beschlussfassung groß, sondern auch bei der tatsächlichen Nutzung: Derzeit arbeiten bei uns drei Partner und eine Partnerin in Teilzeit, mit unterschiedlichen Modellen und aus verschiedenen Gründen. Zudem haben wir uns dem Thema Familienfreundlichkeit durch ganz konkrete Angebote gewidmet, die wir Ende 2013/Anfang 2014 eingeführt haben:

Zur Nachahmung empfohlen: „EKiZ“ und Kindertaxis

Unterstützung in Notfallsituationen, wie zum Beispiel bei ungeplanten Schließzeiten der Tageseinrichtung, erfahren unsere Mitarbeiter zum einen durch ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer (EKiZ) in der Kanzlei, das einen voll eingerichteten Arbeitsplatz sowie umfangreiche kindgerechte Ausstattung enthält. Alle Spielsachen, Schlafmöglichkeiten und Möbel sind für Kinder von null bis zwölf Jahren geeignet. Im Februar 2014 wurde das EKiZ mit etwa 25 Mitarbeiterkindern feierlich eingeweiht; seitdem gehört es fest zu unserer Kanzleiausstattung und wird rege genutzt. Daneben bieten wir allen Mitarbeitern weitere Auffanglösungen in Form einer Krankheitsbetreuung zu Hause oder in den Kanzleiräumen sowie in Form eines Kindertaxis. Diese Angebote sind jederzeit über einen externen Dienstleister buchbar; sämtliche Kosten übernimmt die Kanzlei.

Direkte finanzielle Unterstützung erfahren unsere Mitarbeiter durch einen steuerfreien monatlichen Kinderbetreuungskostenzuschuss, der für alle nicht schulpflichtigen Mitarbeiterkinder in Anspruch genommen werden kann. Aktuell erhalten elf anwaltliche und acht nichtanwaltliche Mitarbeiter Zuschüsse für insgesamt 24 Kinder.

Und schließlich ist unsere familienfreundliche Haltung auch ausdrücklich Teil unseres Kanzleileitbilds. Darin heißt es in Anlehnung an die Leitsätze des Unternehmensnetzwerks Erfolgsfaktor Familie etwa: „Flexible Arbeitszeitmodelle schaffen ein Gleichgewicht zwischen betrieblichen Anforderungen und privaten Bedürfnissen – wir suchen passgenaue Lösungen für unsere Mitarbeiter“, „Produktivität ist mehr als Präsenz – wir arbeiten an einer Kultur, die Ergebnisse in den Mittelpunkt stellt“, und: „Führungsverantwortung und Familienverantwortung lassen sich vereinbaren – wir sind offen für flexible Arbeitszeitmodelle in Führungspositionen“.

Die Marktsicht: „Kein Lippenbekenntnis, sondern gelebte Realität“

Dass sich unsere familienfreundliche Haltung lohnt, zeigen nicht nur die rege Nutzung der Angebote, sondern auch die Auszeichnungen, die wir bereits erhalten haben: Bei der KMU4Family, einem Projekt der MFG Innovationsagentur Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium, sind wir als familienfreundliche Kanzlei in die Liste der Best-Practice-Unternehmen aufgenommen worden. Und bei der diesjährigen Verleihung des trendence Employer Branding Innovation Awards konnten wir die Fachjury mit unserem Modell der Teilzeitpartnerschaft und den familienbezogenen Angeboten überzeugen und hinter der Deutschen Telekom und der Allianz Platz 3 im Ranking belegen. In der Laudatio des Geschäftsführers von trendence, Holger Koch, hieß es: „Die Kanzlei wagt mit ihrer familienfreundlichen Ausrichtung eine kleine Revolution im Bereich der Wirtschaftskanzleien. Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind hier nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern werden gelebt und von den Mitarbeitern angenommen – und das vielleicht sogar besser als in manchem Großkonzern. Dieser Mut und diese Transformationsleistung verdienen unsere Auszeichnung.“

Fazit

Um auf die Ausgangsfragen zurückzukommen: Spitzenleistung gibt es unserer Meinung nach für Freiberufler durchaus in Teilzeit, wenn die Rahmenbedingungen passen. Für uns sind das eine hohe Kollegialität in den Teams zur Abfederung von Spitzen, optimale IT-Lösungen für mobiles Arbeiten und die genannte Unterstützung in besonderen Betreuungssituationen. Wenn – und das ist meist viel schwieriger umsetzbar als die anderen Rahmenbedingungen – dann noch die Einstellung der Partnerschaft zu flexiblen Karrierewegen stimmt, steht der Vereinbarkeit von Karriere und Familie nichts mehr im Weg.

Hinweis der Redaktion: Die 1. AnwaltSpiegel-Studie beschäftigt sich mit dem Thema „Karrierechancen für Frauen in Wirtschaftskanzleien – die unter der gläsernen Decke sitzen“. Befragt wurden über 50 Kanzleien, darunter alle in den Top 50 gelisteten Sozietäten. Zudem haben bundesweit über 250 Associates an der Studie teilgenommen. Die Ergebnisse werden im Herbst 2014 als Buch veröffentlicht.

Joerg.schneider-brodtmann@menoldbezler.de

Stefanie.mueller@menoldbezler.de

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