Qualitätssicherung und Produkthaftung: Hersteller und Lieferanten sollten Qualitätssicherungsvereinbarungen abschließen

Von Dr. Marius Mann, MBA, M.Jur. (Oxford)

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Einleitung

Meldungen über weltweite Produktrückrufaktionen sorgen immer wieder für ein breites Medienecho. Für die zum Rückruf verpflichteten Hersteller bedeutet ein Produktrückruf indessen nichts Gutes. Ruf und Marke sowie das Vertrauen in Qualität und Sicherheit der hergestellten Produkte geraten in Gefahr, was sich häufig in einem signifikanten Umsatzrückgang bemerkbar macht.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Bedeutung der Qualitätssicherung in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Dies zeigt sich schon an der spürbar höheren Anzahl geschlossener Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) zwischen Herstellern, Zulieferern und auch deren Sub- oder Nachunternehmern. Die steigende Zahl abgeschlossener QSVs hängt damit zusammen, dass Produkthersteller die Qualität ihrer Arbeit stetig überwachen und erhöhen wollen und auch müssen. Darüber hinaus führt steigender Kostendruck in der Industrie auch dazu, dass insbesondere OEMs – beispielsweise im Rahmen einer Just-in-time-Produktion – zunehmend schlanke Prozessabläufe implementieren, um Lagerkosten für Zuliefer- und Ersatzteile einzusparen. Jeder Fehler am (Zuliefer-)Produkt kann dazu führen, dass der Produktionsprozess unterbrochen wird und Bandstillstände Schäden bis weit in die Vertriebskette hinein verursachen.

Was ist Sinn und Zweck von Qualitätssicherungsvereinbarungen?

QSVs dienen in erster Linie dazu, die Qualität, Fehlerfreiheit und Sicherheit von Produkten zu erhöhen. Sie gewinnen aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund an Bedeutung, dass ein Hersteller sein Haftungsrisiko für Produktschäden mittels QSVs in die Sphäre seiner Zulieferer und Subunternehmer verlagern kann. Dies hängt damit zusammen, dass sich ein Hersteller im Produkthaftungsfall allenfalls dann seiner Verantwortung für einen Produktfehler entziehen kann, wenn er nachweist, dass er alle Sorgfaltspflichten beachtet hat, um den Eintritt eines Produktschadens zu vermeiden. Gelingt dem Hersteller in diesem Zusammenhang der Nachweis, dass er mit sämtlichen Zulieferern lückenlos QSVs geschlossen hat, die den Zulieferer zur Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards verpflichten, kann er damit gegebenenfalls beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten umfassend und ordnungsgemäß nachgekommen ist. Dies kann das Verschulden im Sinne der Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB entfallen lassen. Im Rahmen der Produkthaftung (also der Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz) kann der Hersteller zudem durch den Abschluss von QSVs einwenden, dass der Produktfehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkennbar war, § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG.

Für wen und wann ist der Abschluss von Qualitätssicherungsvereinbarungen sinnvoll?

Der Abschluss von QSVs ist für Hersteller gegenüber deren Zulieferern insbesondere bei folgenden Konstellationen sinnvoll:

Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards

Mittels ­einer QSV kann der Hersteller sicherstellen, dass die für seine Produktion notwendigen Qualitätsstandards für Zulieferteile eingehalten werden. Dem folgend, muss sich der Zulieferer im Rahmen einer QSV meist dazu verpflichten, bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten (etwa nach DIN oder ISO). Mittels Vertragsstrafen kann der Hersteller der Einhaltung vereinbarter Qualitätskennzahlen Nachdruck verleihen.

Abwälzung der Pflicht zur Wareneingangskontrolle

Hersteller, insbesondere OEMs, nutzen QSVs häufig dazu, die Wareneingangskontrolle aus § 377 HGB in eine Warenausgangskontrolle des Zulieferers an dessen Produktionsstandort umzuwandeln. Insoweit ist zu beachten, dass QSVs fast immer AGB sind. Das heißt, sie unterfallen der (oft strengen) AGB-Inhaltskontrolle, die sicherstellen will, dass der Vertragspartner, gegenüber dem ein Formularvertrag verwendet wird, nicht unangemessen benachteiligt wird. Sofern der Hersteller seine Pflicht zur Wareneingangsprüfung auf den Zulieferer abwälzen will, muss auch dies der AGB-Inhaltskontrolle standhalten. In AGB ist der komplette Ausschluss der Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers allenfalls dann möglich, wenn die in § 377 Abs. 1 HGB gesetzlich vorgesehene Eingangsuntersuchung durch eine Ausgangsuntersuchung beim Verkäufer (Zulieferer) ersetzt wird und hierfür nachvollziehbare Gründe bestehen. Derartige Gründe können beispielsweise darin liegen, dass die Just-in-time-Produktion beim Käufer eine Wareneingangsprüfung aus Zeit- oder Logistikgründen unmöglich macht oder der Käufer (Hersteller) nicht die erforderliche Kenntnis besitzt, um Beprobungen und Kontrollen sachgerecht durchzuführen.

Erstbemusterung

QSVs eignen sich auch, um die Erstbemusterung zu regeln. Regelungsgegenstand ist dann die Pflicht des Zulieferers, bestimmte Prüfsiegel, ein bestimmtes Prüfverfahren oder Sicherheitskennzeichen einzuhalten (etwa CE- oder GS-Kennzeichen).

Gewährleistung

Ferner regeln QSVs in der Regel auch den Umfang von Gewährleistung und Garantie, wobei insoweit darauf zu achten ist, dass keine Doppelregelungen zu einem gegebenenfalls parallel abgeschlossenen Liefervertrag oder AGB-Klauselwerk entstehen. QSVs regeln herkömmlicherweise auch das Recht des Herstellers, ­Kontrollen (Audits) am Produktionsstandort des Zulieferers durchführen zu dürfen, sowie deren Umfang. Ein über die Laufzeit eines Vertrags hinausgehendes Zutrittsrecht kann in AGB allerdings nicht wirksam vereinbart werden.

Rückverfolgbarkeitssystem

QSVs regeln häufig die Pflicht des Zulieferers, Haftpflicht- und Produkthaftungsversicherung – etwa für einen Produktrückruf – in ausreichendem Umfang bereitzustellen und ein Rückverfolgbarkeitssystem (zum Beispiel über Seriennummern oder Scansysteme) zu implementieren. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass exzessive Rückverfolgbarkeitspflichten gegenüber dem Zulieferer eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB darstellen können. Dies wäre etwa der Fall, wenn in der QSV geregelt ist, dass der Zulieferer dafür sorgen muss, dass selbst kleinteilige Massenwaren (wie etwa jede einzelne Schraube) rückverfolgbar sind. Gleiches kann für ein exzessives Abwälzen von eventuellen Rückrufkosten auf den Zulieferer gelten, vor allem, wenn dieser auch für die Kosten eines Kulanzrückrufs oder von Kulanznachrüstungen aufkommen soll.

Just-in-time-Produktion

Just-in-time-Produktionsprozesse machen es häufig unentbehrlich, dass sich die Zulieferer des Herstellers zu einer „Zero defect“-Strategie bekennen. Grund dafür ist, dass im Rahmen einer Just-in-time-Produktion bereits kleine Fehler zum Produktionsstillstand führen und massive Kosten verursachen können. Mittels Vertragsstrafen kann sich der Hersteller für den Umstand absichern, dass der Zulieferer – entgegen der vereinbarten Zero-defect-Strategie – doch einzelne fehlerbehaftete Produkte liefert.

Enthaftung des Herstellers

Mit bis in die Zulieferkette hinein lückenlos geschlossenen QSVs können Hersteller sich für Produkthaftungsfälle wappnen. Umsetzbar ist dies dadurch, dass der Hersteller mit seinem Zulieferer eine QSV abschließt und ihn darin dahingehend verpflichtet, dass dieser wiederum mit seinen Sublieferanten gleichlautende (oder zumindest im Umfang ähnliche) QSVs abschließt. Damit kann es gelingen, im Produkthaftungsfall nachzuweisen, dass ein funktionierendes und effektives Qualitätsmanagementsystem vom Hersteller über die Zulieferer bis hin zu den einzelnen Teilekomponentenlieferanten besteht und der Hersteller seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist und/oder ein Fehler im Produkthaftungsfall nicht erkennbar war.

mann@lutzabel.com

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