„wetter.de“: kennzeichenrechtlicher Schutz von Werktiteln auch für Domains und Smartphone-Apps?
Von Dr. Alexander R. Klett, LL.M., Dr. Anette Gärtner, LL.M., Kathrin Schlüter, LL.M., und Maria Ottermann

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Einleitung

Der BGH bejaht die Titelschutzfähigkeit der Bezeichnungen von Domains und Apps für mobile Endgeräte, aber nicht grenzenlos.

Das deutsche Markenrecht schützt nicht nur Marken. Es schützt neben geschäftlichen Bezeichnungen nach § 5 Abs. 1, 3 MarkenG auch Werktitel von Druckschriften, Film-, Ton-, Bühnenwerken oder „sonstigen vergleichbaren Werken“. Der Werktitelschutz ist „attraktiv“, entsteht er doch automatisch, kostenlos und ohne Registereintragung mit Benutzung des Werks, wenn der Titel nur ein Mindestmaß an Individualität aufweist und es dem Verkehr möglich ist, ihn von den Titeln anderer Werke zu unterscheiden. Der Inhaber des Titels kann sich dann gegen die unbefugte Benutzung des Werktitels oder einer ihm ähnlichen Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr zur Wehr setzen, wenn diese dazu geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Werktitel hervorzurufen. Das jüngst verkündete Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28.01.2016 (Az. I ZR 202/14) in Sachen „wetter.de“ beschäftigt sich erstmals mit der spannenden Frage, ob auch Bezeichnungen von Domains und Applikationen (Apps) für Smartphones und Tablet-Computer als „sonstige vergleichbare Werke“ Titelschutz genießen können und welche Anforderungen an ihre Unterscheidungskraft zu stellen sind.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt unter „wetter.de“ eine Internetseite, auf der sie Wetterdaten und weitere Informationen zum Wetter in beliebig auszuwählenden Orten zum Abruf bereithält. Seit 2009 bietet sie solche Informationen auch über eine gleichnamige App für Mobilgeräte an. Die Beklagte besitzt die Domainnamen „wetter.at“ und „wetter-deutschland.com“ und bietet unter diesen im Internet ebenfalls Wetterdaten an. Seit Ende 2011 betreibt sie zudem eine App gleicher Art mit den Bezeichnungen „wetter DE“, „wetter-de“ und „wetter-DE“.

Die Klägerin meinte, die Benutzung der Bezeichnungen der Beklagten für deren Wetter-Apps sei eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte an dem Domainnamen „wetter.de“ und der entsprechenden Bezeichnung der von ihr betriebenen App. Sie verlangte Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz. Die Klägerin scheiterte in den Instanzen vor dem Landgericht Köln und dem Oberlandesgericht Köln. Auch vor dem BGH hatte die Klägerin mangels Unterscheidungskraft der Bezeichnung der App keinen Erfolg.

Das Urteil „wetter.de“ des BGH vom 28.01.2016, Az. I ZR 202/14

Wenngleich die Klägerin mit ihren Forderungen im konkreten Fall nicht durchgedrungen ist, kommt der Entscheidung erhebliche Bedeutung zu. Denn der BGH hat erstmals entschieden, dass auch Internet-Domainnamen sowie Apps für mobile Endgeräte als „sonstige vergleichbare Werke“ im Sinne von § 5 Abs. 3 MarkenG titelschutzfähig sind. Dies war in der Literatur bislang sehr umstritten und wurde überwiegend abgelehnt. Der Name einer App oder einer Domain kann freilich nur dann Werktitelschutz erlangen, wenn er über hinreichende originäre Unterscheidungskraft verfügt. Diese fehle dann – so der BGH –, wenn sich der Titel nach „Wortwahl, Gestaltung und vom Verkehr zugemessener Bedeutung in einer werkbezogenen Inhaltsbeschreibung erschöpft“. Dies sei bei „wetter.de“ der Fall, so dass kein Titelschutz für die Bezeichnung „wetter.de“ für eine Domain und eine App zugesprochen werden könne, da mit diesem Titel unmittelbar die wetterbezogenen Dienstleistungen beschrieben würden.

Die Karlsruher Richter wiesen das Argument der Klägerin zurück, bei der Beurteilung des erforderlichen Grads der Unterscheidungskraft von Titeln für Apps sei derselbe abgesenkte Maßstab anzulegen, den die Rechtsprechung bei Zeitungen und Zeitschriften seit vielen Jahren anwende. Eine großzügigere Betrachtung komme – so der Senat – nur dann in Frage, wenn der Verkehr seit langem daran gewöhnt sei, dass Werke mit beschreibenden Bezeichnungen gekennzeichnet werden, und er deshalb auch auf feine Unterschiede in den Bezeichnungen achte. Bezüglich Bezeichnungen von Zeitungen und Zeitschriften betont der BGH erneut, dass Verbraucher es gewohnt seien, mit bisweilen farblosen und nur inhaltlich oder räumlich konkretisierten Gattungsbezeichnungen konfrontiert zu werden. Diese Grundsätze seien jedoch nicht auf Bezeichnungen von Internetseiten und Smartphone-Apps zu übertragen.

Zwar kann fehlende originäre Unterscheidungskraft eines Werktitels auch bei Apps oder Domains wie bei anderen Werkarten durch nachgewiesene Verkehrsgeltung überwunden werden. Der BGH fordert dabei – in Einklang mit seiner jüngeren Rechtsprechung – allerdings einen nachgewiesenen Durchsetzungsgrad von mindestens 50% bei den angesprochenen Verkehrskreisen. Da die Klägerin eine derartige Verkehrsdurchsetzung nicht belegen konnte, wies der BGH die Revision der Klägerin zurück und verneinte den Titelschutz für die Bezeichnung „wetter.de“ für Domain und App.

Bewertung

Dass rein beschreibenden Werktiteln Schutz versagt wird und die großzügige Vorgehensweise bei Zeitungs- und Zeitschriftentiteln nicht einfach auf andere Werkarten übertragen wird, ist im Ansatz nachvollziehbar. Denn das Freihaltebedürfnis im Markenrecht für beschreibende Zeichen soll nicht durch einen ausufernden Werktitelschutz ausgehöhlt werden. Allerdings stellt sich gerade bei Bezeichnungen von Apps und Domains, die generische Informationsdienstleistungen anbieten, die spannende Frage, ob sich Verbraucher nach 20 Jahren Internet als Massenmedium und zehn Jahren Smartphone nicht doch bereits an beschreibende Bezeichnungen gewöhnt haben. Ähnlich wie bei Zeitungen und Zeitschriften finden sich sowohl auf zahlreichen Internetseiten als auch bei einer erheblichen Zahl von Apps Titelbezeichnungen, die das Wort „Wetter“ neben weiteren nicht isoliert unterscheidungskräftigen Bestandteilen enthalten. Dies ist vielen Verbrauchern bekannt. Doch selbst wenn das Gericht großzügig die Titelschutzfähigkeit der Bezeichnung „wetter.de“ für Apps und Domains bejaht hätte, hätte die Klage nicht automatisch Erfolg gehabt. Legte man einen versierteren Verbraucher zugrunde, als dies der BGH getan hat, ergäben sich Zweifel im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr. Wenn der Verkehr an sehr ähnliche inhaltsbeschreibende Bezeichnungen (bei Zeitschriften – oder eben Apps) gewöhnt ist, so schenkt der Verbraucher den nur geringen Unterschieden zwischen Titeln üblicherweise hinreichende Aufmerksamkeit, so dass er Werktitel mit ähnlich lautenden Bezeichnungen wahrscheinlich doch nicht miteinander verwechselt.

Fazit

Mit dem jüngsten Urteil des BGH ist geklärt, dass Bezeichnungen von Domains und Apps als „sonstige vergleichbare Werke“ im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG titelschutzfähig sind. Die abgesenkten Anforderungen an die Unterscheidungskraft bei Zeitungen und Zeitschriften gelten für Apps und Domains jedoch (noch) nicht.

Betreiber einer App oder einer Internetseite müssen Werktitel mithin mit Bedacht auswählen, wenn sie deren Titelschutzfähigkeit sicherstellen wollen. Unter titelschutz-, aber auch markenrechtlichen Gesichtspunkten sollten Betreiber von Apps/Domains Abstand von Bezeichnungen nehmen, die allein inhaltsbeschreibend sind. Kommt dies im Einzelfall nicht in Betracht, bleibt namentlich bei Apps immerhin die Möglichkeit, eine hinreichend unterscheidungskräftige grafische Gestaltung des App-Icons als (Wort-)Bildmarke anzumelden.

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