Zum Gesetzentwurf für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern – ein Zwischenruf
Von Dr. Nina Springer, LL.M. (University of Edinburgh)
Der Entwurf für ein „Entgeltgleichheitsgesetz“ liegt vor. Hiernach darf in einem Beschäftigungsverhältnis allein aufgrund des Geschlechts für gleiche oder gleichwertige Arbeit kein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Zur Förderung und Durchsetzung dieses Gebots sieht das Gesetz insbesondere eine massive Ausweitung der Mitbestimmung der betrieblichen Interessenvertretungen, einen individuellen Auskunftsanspruch für Arbeitnehmer/innen, vor, ein verbindliches Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit im Betrieb und eine Berichtspflicht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit für Unternehmen mit in der Regel mindestens 500 Beschäftigten.
Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs
Pflichten von Arbeitgebern, Tarifvertragsparteien und betrieblichen Interessenvertretungen. § 6 regelt verschiedene Aufgaben von Arbeitgebern, Tarifvertragsparteien und betrieblichen Interessenvertretungen zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit. Hervorzuheben ist die Regelung in Abs. 4, die ein neues Initiativrecht des Betriebsrats vorsieht: Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber zur Überprüfung der Eingruppierung eines Beschäftigten auffordern, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer ein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgesetzes zu vermuten ist. Bei einem groben Verstoß greift § 23 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), also ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber.
Individueller Auskunftsanspruch. Nach § 10 Abs. 1 können Beschäftigte zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots von ihrem Arbeitgeber Auskunft verlangen über die Kriterien und Verfahren für die Festlegung des eigenen Entgelts, die Kriterien und Verfahren für die Festlegung des Entgelts einer gleichen Tätigkeit und deren Entgeltgruppe oder einer gleichwertigen Tätigkeit, die überwiegend von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird, und deren Entgeltgruppe, den statistischen Median des monatlichen Entgelts einer Gruppe von mindestens fünf Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit nach Nummer 2 ausüben.
Andere Auskunftsansprüchen (nach dem BetrVG oder betriebliche/tarifliche Auskunftsansprüche) bleiben hiervon unberührt.
Auskunftspflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die nach § 10 Abs. 1 verlangten Auskünfte innerhalb eines Monats nach Zugang des Auskunftsverlangens in Textform zu erteilen. Es genügt insoweit, dass der Arbeitgeber mitteilt, wenn das Unternehmen tariflichen oder gesetzlichen Entgeltregelungen genügt, zum Beispiel dem Entgeltrahmenabkommen (ERA). Kommt der Arbeitgeber seiner Auskunft aber nicht oder nicht vollständig nach, wird eine Benachteiligung in Bezug auf das Entgelt vermutet – der Arbeitgeber trägt im Rechtsstreit die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt.
Erweiterte Aufgaben der betrieblichen Interessenvertretungen. Nach § 12 Abs. 1 kann der Beschäftigte den Betriebsrat jederzeit an seinem Auskunftsverlangen beteiligen; der Arbeitgeber hat die Auskunft auch dem Betriebsrat zuzuleiten. Der Beschäftigte kann sich beim Betriebsrat beschweren, wenn er die Auskunft des Arbeitgebers für fehlerhaft erachtet oder sich benachteiligt fühlt.
Betriebliches Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit. Der Gesetzentwurf führt für bestimmte Arbeitgeber, nämlich solche mit in der Regel mehr als 500 Mitarbeitern, die Pflicht ein, ihre Entgeltbestandteile und -bedingungen auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgesetzes hin zu überprüfen. Es wird davon ausgegangen, dass Unternehmen dieser Größenordnung aufgrund ihrer Organisation in der Lage sind, diese Pflichten ohne weiteres zu erfüllen.
Berichtspflichten. Im vierten Abschnitt des Entwurfs werden Berichtspflichten für die Arbeitgeber, die das betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit durchführen müssen, geregelt.
Änderungen im BetrVG. Der Arbeitgeber wird verpflichtet, in den regelmäßigen Abteilungs- und Betriebsversammlungen über die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern im Betrieb zu berichten. Er muss dem Betriebsrat zudem über die Durchführung des betrieblichen Prüfverfahrens berichten und die Ergebnisse betriebsöffentlich machen. Der Aufgabenkatalog des Betriebsrats nach § 80 BetrVG wird insoweit ergänzt, als es nun auch Aufgabe des Betriebsrats ist, auf die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern bei gleicher und gleichwertiger Arbeit hinzuwirken. Zur Durchsetzung der tatsächlichen Entgeltgleichheit sieht eine neue Nr. 12 des § 87 Abs. 1 ein neues Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch bei der Durchführung von Maßnahmen im Sinne von Nrn. 10 und 11 (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung – Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze etc.) vor. Diese Maßnahmen sollen immer auch unter dem Aspekt des Entgeltgleichheitsgebots zu werten sein.
Anlass für den Gesetzentwurf
Was ist der Anlass für die weitreichenden Regelungen dieses Gesetzentwurfs? Jedes Jahr wird auf den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern aufmerksam gemacht – am sogenannten „Equal Pay Day“. 22 Prozent, so viel betrage der Unterschied. Dies nimmt der Gesetzgeber zum Anlass, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, über Entgelte Auskunft zu erteilen. Doch tatsächlich sind diese 22 Prozent gar nicht geeignet, den Gesetzgeber hierzu zu veranlassen: Der Verdienstunterschied reduziert sich merklich, wenn Faktoren wie Berufs- und Arbeitgeberwahl, Merkmale der Arbeitsplätze sowie Entscheidungen über den Umfang der Arbeitszeit und Erwerbspausen berücksichtigt werden – die Entgeltlücke lässt sich nahezu vollständig durch diese Faktoren erklären (siehe dazu: Institut der deutschen Wirtschaft vom 16.03.2015: „Äpfel-Birnen-Vergleich legitimiert kein Entgeltgesetz“). Insbesondere ist ein Grund für den Lohnunterschied, dass Frauen viel seltener in Vollzeit arbeiten, insbesondere in der Phase, in der die Familie gegründet und Kinder betreut werden.
Fazit
Statt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und zu erweitern, also den Ursachen für die Gehaltsunterschiede zu begegnen, entwirft die Politik einen Gesetzentwurf, der hochbürokratisch und kostenintensiv ist, die Mitbestimmung der Betriebsräte extrem ausweitet, zu Unfrieden in der Belegschaft führt und insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet. Denn der Entwurf nimmt den Unternehmen die Möglichkeit, besonders engagierten, leistungsstarken und einsatzbereiten Mitarbeitern mehr zu zahlen als anderen Mitarbeitern. Dies schränkt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ein und führt im Ergebnis zur Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, sagt, dass der eigentliche Skandal in Deutschland sei, dass Frauen hierzulande immer noch 22 Prozent weniger verdienten als Männer, dass sich dies seit Jahren nicht ändere und dass wir damit in Europa einen der hintersten Plätze einnähmen. Tatsächlich ist der Skandal jedoch, dass Deutschland in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf im europäischen Vergleich schlecht dasteht. Hieran muss die Politik arbeiten. Dann müsste sie auch keine Energie für unnötige Gesetzentwürfe verschwenden.
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