Im Blickpunkt: Auswirkungen eines Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone auf Verträge mit Vertragspartnern des Landes
Von Dr. Gerald Gräfe
Die Finanzkrise in Griechenland und in Verbindung damit die Euro-Krise führen derzeit omnipräsent zu Diskussionen über die Folgen des Ausstiegs Griechenlands aus dem Euro, des so genannten „Grexits“. Diese Diskussionen konzentrieren sich dabei gegenwärtig überwiegend auf die Folgen für Griechenland, die Euro-Zone und die Weltwirtschaft. Daneben gerät jedoch leicht in Vergessenheit, dass der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro und die Einführung einer neuen Währung in Griechenland auch erhebliche Auswirkungen auf bestehende Verträge mit Vertragspartnern in Griechenland haben werden.
Überblick
Ein Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone wird Griechenland zunächst Abwertungsspielräume eröffnen, um die griechische Wirtschaft zu fördern. Je nachdem, wie sich der Ausstieg vollzieht, wird entweder der europäische Gesetzgeber oder Griechenland Regeln aufstellen, die festlegen, in welcher Form eine Währungsumstellung bestehender Forderungen erfolgen wird oder inwieweit ein Schuldner die Möglichkeit hat, in der neuen Währung zu zahlen. Dies beinhaltet zunächst die Frage, welche bisher auf die Währung Euro lautenden Forderungen von dieser Umstellung betroffen sein werden. Fallen hierunter Forderungen, bei denen der Schuldner der Geldforderung seinen Sitz in Griechenland hat, oder etwa nur Forderungen, die in Griechenland zu erfüllen sind? Ausgehend von Währungsumstellungen in der Vergangenheit, wäre beides denkbar. Rechtspolitisch erscheint es aber naheliegend, dass allein an den Sitz des Schuldners angeknüpft wird. Eine Anknüpfung an den Zahlungsort hätte nämlich zur Folge, dass ausländische Schuldner griechischer Gläubiger ebenfalls in der Neuwährung zahlen könnten. Das Interesse Griechenlands dürfte aber weniger dahin gehen, die Schuldner griechischer Gläubiger zu entlasten, als vielmehr dahin, eine Entlastung griechischer Schuldner zu bewirken.
Unbekanntes Terrain
Weder liegen bisher Erfahrungen mit dem Austritt aus der Europäischen Währungsunion vor, noch sehen der EUV (Vertrag über die Europäische Union) und der AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) sowie die entsprechenden Verordnungen einen solchen vor. Gegenwärtig scheint von allen denkbaren Ausstiegsvarianten die Änderung des AEUV durch alle Mitgliedstaaten, verbunden mit einer Rückstufung Griechenlands in die Gruppe der Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung, der naheliegende Weg für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zu sein. Möglich wäre auch ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone durch einen Austritt aus der EU. In diesem Fall wären die EU-Regelungen nach dem AEUV aber noch für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren anwendbar. Entsprechend verbliebe Griechenland auch noch für diesen Zeitraum in der Euro-Zone, was kaum der Intention Griechenlands entsprechen dürfte, durch einen schnellen Austritt eine Abwertung der neu einzuführenden Währung zu erreichen und damit die eigene Wirtschaft anzukurbeln.
So könnte es gehen, …
Im Fall einer derartigen Rückstufung Griechenlands in die Gruppe der Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung wäre damit zu rechnen, dass die EU zugleich Regelungen erlässt, die festlegen, wie sich der Austritt auf bestehende Verträge mit Bezug zu Griechenland auswirkt. Wie die rechtlichen Regelungen zum Euro-Ausstieg Griechenlands aussehen werden, lässt sich zwar nur mutmaßen, allerdings scheint es naheliegend, dass sich der EU-Gesetzgeber an den Regelungen zur Einführung des Euro orientieren wird. Dies betrifft insbesondere die Frage der Ersetzungsbefugnis des Geldschuldners, also der Frage, ob der Schuldner der Geldforderung, die von der Währungsumstellung betroffen ist, berechtigt ist, in der Neuwährung anstatt in Euro zu zahlen. So sah beispielsweise die Verordnung über die Einführung des Euro vor, dass der Schuldner einer etwa auf DM lautenden Forderung diese nach Einführung des Euro auch in Euro erfüllen kann. Eine solche Umstellung dürfte zu einem vom EU-Gesetzgeber festgelegten Zeitpunkt sowie einem ebenfalls von diesem festgelegten Umrechnungskurs erfolgen. Direkt nach der Umstellung dürfte es aber nach den bisherigen Prognosen zu einer massiven Abwertung der Neuwährung gegenüber dem Euro kommen.
… aber Risiken für deutsche Vertragspartner bleiben
Wird aber durch die Regelungen des EU-Gesetzgebers dem griechischen Vertragspartner eines deutschen Lieferanten die Möglichkeit eröffnet, in der Neuwährung zu bezahlen, so dürfte dies aufgrund der zu erwartenden Abwertung der Neuwährung dazu führen, dass der deutsche Lieferant für die von ihm gelieferte Ware einen geringeren Gegenwert erhält, als bei Vertragsschluss vorgesehen war. Dem würde auch nicht eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts entgegenstehen. Allerdings könnte sich der deutsche Lieferant in diesem Fall gegenüber dem griechischen Kunden unter Umständen auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen. In der Folge könnte er verlangen, dass der Vertrag angepasst wird oder dass er vom Vertrag zurücktreten kann. Voraussetzung ist aber, dass die Störung nicht vorhersehbar war. Dies dürfte im Hinblick auf den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone seit einiger Zeit kaum mehr behauptet werden können. Hinzu kommt, dass damit zu rechnen ist, dass der EU-Gesetzgeber in den entsprechenden Gesetzen regeln wird, wie es bei der Einführung des Euro der Fall ist, dass die Einführung der Neuwährung nicht zur Anpassung oder Auflösung bestehender Verträge berechtigt. Somit kommt eine Anpassung bestehender Verträge lediglich dann in Betracht, wenn es zu größeren als den erwarteten Abwertungen der Neuwährung kommt.
Was zu tun ist: Handlungsempfehlungen für die Praxis
Daher empfiehlt es sich, in Verträge mit Kunden in Griechenland entsprechende Regelungen aufzunehmen, um den Risiken eines Austritts von Griechenland aus der Euro-Zone sowie der zu erwartenden Abwertung der Währung Rechnung zu tragen. Möglich wäre, vertraglich ein Anpassungs- oder Lösungsrecht gleich den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage zu vereinbaren, das diesen Fall regelt. Dies setzt aber voraus, dass der EU-Gesetzgeber, wie auch bei Einführung des Euro, den Vertragsparteien gerade diese Freiheit einräumt. Alternativ könnte auch vorgesehen werden, von Anfang an die Vertragsvergütung in Schweizer Franken oder US-Dollar zu vereinbaren oder für den Fall des Austritts aus der Euro-Zone eine Umstellung auf diese Währungen vorzusehen. Schließlich könnte auch vereinbart werden, dass sich der Preis um denjenigen Betrag erhöht, der dem Kaufkraftverlust zwischen Austritt des Landes aus der Euro-Zone und Fälligkeit der Forderung entspricht. Was sich im Einzelfall empfiehlt, hängt vom konkreten Vertrag und der Interessenlage der Parteien ab.
Der genaue Ablauf eines möglichen Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone ist derzeit noch unklar. Allerdings ist bereits absehbar, dass Gläubiger griechischer Schuldner hier das Nachsehen haben werden, da es zu einer Entwertung ihrer Forderung kommen dürfte. Gesetzliche Instrumente, wie die bei Störung der Geschäftsgrundlage zur Anwendung kommenden, dürften aufgrund der zu erwartenden Gesetzgebung und auch wegen des jedenfalls nicht unvorhersehbaren Austritts des Landes kaum Hilfe bieten. Entsprechend empfiehlt es sich, Verträge, die in jüngerer Vergangenheit abgeschlossen wurden – sofern möglich – um entsprechende Sicherungsmechanismen zu ergänzen, solche aber in jedem Fall bei Neuverträgen vorzusehen. Auch wenn hier aufgrund der noch unklaren Umsetzung keine Rechtssicherheit erreicht werden kann, sollte doch zumindest versucht werden, eine bestmögliche Absicherung zu gewährleisten.