Anbieter von Kryptowährungen bewegen sich derzeit in der juristischen Grauzone
Ein Gastbeitrag von Dr. Markus Kaulartz
Die Welt des digitalen Geldes wächst und wächst. So steigt nicht nur die Nachfrage nach Bitcoins, dem ersten und zugleich sicherlich prominentesten Anwendungsfall der Blockchaintechnologie. Auch andere sogenannte Kryptowährungen erfreuen sich höchster Beliebtheit, mittlerweile sogar weit über die Szene hinaus. Der Grund hierfür liegt mitunter darin, dass Unternehmen Kryptowährungen als neue Finanzierungsform entdeckt haben. Sie werden von ihnen erschaffen – was mit wenigen Zeilen Programmcode möglich ist –, und sodann während sogenannter Initial Coin Offerings (ICOs) an Investoren verkauft. Die durch den Verkauf erlangten Einnahmen werden schließlich zum Aufbau des Unternehmens oder zur Finanzierung eines konkreten Projekts verwendet: So wurden in den Jahren 2016 und 2017 weltweit knapp vier Milliarden US-Dollar mit dem Verkauf von digitalen Währungseinheiten eingenommen. Bei den beiden größten ICOs Filecoin und Tezos wurden jeweils Einheiten im Wert von rund 250 Millionen US-Dollar verkauft.
Warnung der Behörden
Interessant an ICOs im Vergleich zu klassischen Wegen der Unternehmensfinanzierung ist, dass Investoren in aller Regel keine Unternehmensanteile oder Dividendenansprüche erhalten. Dies liegt daran, dass in solchen Fällen die strengen Wertpapiervorschriften Anwendung fänden, was Emittenten wegen des erheblichen Mehraufwands gern zu vermeiden versuchen. Stattdessen erhalten die Investoren meist nur Einheiten einer Kryptowährung, die anschließend zwar häufig auf einer noch zu entwickelnden Plattform als Zahlungsmittel eingesetzt werden können, allerdings ohne weitergehende Rechte. Treten Kurssteigerungen ein, so hängen diese einzig und allein damit zusammen, dass die Nachfrage bei konstantem oder sinkendem Angebot steigt.
Die BaFin und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA warnen mit besonderer Deutlichkeit vor Investitionen: Da Totalverluste möglich und immense Kursschwankungen üblich sind, sind Branchenkenntnisse unabdingbar.
Investoren über Risiken aufklären
Die Behörden treffen damit einen wunden Punkt, den die Branche gerne ignoriert: Investoren werden von den Emittenten meist nur unzureichend über Risiken aufgeklärt. Zwar finden die strengen gesetzlichen Regeln zur Prospektpflicht bei vielen ICOs keine Anwendung. Aufklärungspflichten ergeben sich aber auch aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis, konkretisiert durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prospekthaftung. Dazu zählt natürlich auch, dass Emittenten keine unwahren Informationen verbreiten oder beim Investor keinen unrichtigen Eindruck über die Chancen und Risiken der Investition wecken dürfen. Falsch wäre etwa, Kurssteigerungen an einen wachsenden Unternehmenserfolg zu knüpfen. Wer hier schuldhaft Fehler begeht, ist mit Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo in Höhe der verzinsten Investition konfrontiert, was für betroffene Start-ups das Aus bedeutet.
Zivilrechtliche Qualifikation
Einheiten von Kryptowährungen wie Bitcoins werden auch als „Tokens“ bezeichnet. Dabei handelt es sich zivilrechtlich nach verbreiteter Ansicht um einen „sonstigen Gegenstand“ im Sinne des § 453 Abs. 1 BGB und bei dem Vertrag zum Erwerb desselben um einen Kaufvertrag. Bislang kaum untersucht ist die Frage, ob sich Tokens auch zum Verbriefen von Rechten eignen. Tatsächlich sind sie Urkunden vergleichbar, denn sie lassen ihren Aussteller erkennen, sind einzigartig und können sogar nicht einmal kopiert werden. Einzig die vom Gesetz geforderte Schriftform ist ihnen nicht eigen, was de lege lata dazu führt, dass die Übertragung von Tokens von der Übertragung von Rechten getrennt werden muss. Das Recht aus dem Token folgt also gerade nicht dem Recht am Token. Im Wege der Rechtsfortbildung mag diese Lücke aber geschlossen werden, denn Urkunde und Tokens verfolgen denselben Zweck. Geht man diesen Schritt, so schafft man die Grundlage für eine völlig neue Handelbarkeit von Rechten, wie sie bislang nicht möglich war.
Aufsichtsrechtliche Qualifikation
Identisch zu Bitcoin qualifiziert die BaFin auch andere Kryptowährungen als Rechnungseinheiten und damit als Finanzinstrumente. Man mag diese Qualifizierung im Einzelnen anzweifeln, jedenfalls dort, wo Tokens nicht als währungsähnlich eingesetzt werden. In der Praxis orientieren sich Emittenten von Kryptowährungen jedoch an diesen Vorgaben und legen daher Wert auf eine gründliche Prüfung einschlägiger Gesetze, allen voran des Kreditwesengesetzes. Gerade weil sich die BaFin – im Gegensatz beispielsweise zu ihrem Äquivalent in Singapur – mit konkreten Empfehlungen zurückhält, ist es wichtig, Risiken einschätzen zu lernen. Brisant ist dieser Aspekt vor dem Hintergrund, dass ICOs teilweise regulatorisch beschränkt sind. Während man in dem Falle, dass zusammen mit Tokens Unternehmensanteile oder Dividendenansprüche veräußert werden, in der Regel zu einer Qualifikation als Wertpapier gelangt, so ist die Rechtslage bei anderen ICOs allerdings lange nicht so eindeutig. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit die europäischen Behörden auch andere Tokens als Wertpapiere qualifizieren, etwa mit dem Argument der Handelbarkeit. Dies würde für viele ICOs das Aus bedeuten, weil beispielweise die Anforderungen an Prospekte und damit der Investitionsaufwand dramatisch stiegen.
Haftungsrisiken
Die Mehrzahl der ICOs, die in Deutschland betrieben werden, sind entweder rechtswidrig oder weisen erschreckend gravierende rechtliche Schwachstellen auf. Selbst solche Emittenten, die keine Unternehmensanteile und keine Dividendenansprüche verkaufen und keiner Erlaubnis bedürfen, handeln mitunter derart pflichtwidrig, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Investoren Schadensersatzansprüche geltend machen. Ein Blick in die Beratungspraxis zeigt etwa, dass die Risikohinweise entweder vollends fehlen oder schlicht unvollständig sind. Daneben werden Investoren in aller Regel nicht über ihre Verbraucherwiderrufsrechte aufgeklärt, die bei vielen Kaufverträgen von Kryptowährungen von Gesetzes wegen bestehen. Manche Werbeaussagen verpflichten den Emittenten nicht selten sogar zu Leistungen, die er gar nicht erbringen kann, oder stehen in Widerspruch zum Kreditwesengesetz.
Berücksichtigt man nun, dass sich viele Emittenten bei der Gestaltung der einschlägigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen an amerikanischen Verträgen orientieren und diese deutschem Recht unterwerfen, so können sich diese Emittenten nicht einmal mehr auf eine wirksame Beschränkung ihrer Haftung berufen. Für Investoren bedeutet dies ein weiteres Mosaik in ihrer Risikobewertung: Denn neben einer Bewertung des eigentlichen Geschäftsmodells des Emittenten ist eine Bewertung des ICOs selbst zwingend erforderlich. Die Rede ist von einer ICO Due Diligence. Unterlässt man diese und sinkt der Kurs infolge von Pflichtverletzungen seitens der Emittenten, ist das investierte Kapitel schnell wertlos.
Fazit
Es ist davon auszugehen, dass die Blockchaintechnologie weiter an Bedeutung gewinnt und damit auch die ihr immanenten Kryptowährungen immer wichtiger werden. ICOs, also der Verkauf von Kryptowährungen zur Unternehmensfinanzierung, werden den Hype verlassen und weiter reifen. Zwar ist zu erwarten, dass die regulatorischen Anforderungen mit Blick auf den Investoren- und Verbraucherschutz steigen. Die Tatsache, dass Kryptowährungen ohne Intermediär, also zum Beispiel ohne Banken und ohne Börse, handelbar sind, wird sie aber weiterhin zu einem beliebten Investitionsobjekt machen.
Aber auch fernab von auf Gewinn ausgerichteten Spekulationen wird Tokens eine weitere, vielleicht sogar noch wichtigere Funktion zukommen: Tokens haben das Potential, zur Verbriefung von Rechten genutzt zu werden. Vergleichbar mit einer Urkunde könnten Rechte damit in Verbindung mit einem Token gehandelt werden. Aufgrund ihrer Fälschungssicherheit und wegen des fehlenden Intermediärs schlummert hier noch viel unerkanntes Potential.
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