Im Blickpunkt: Besonderheiten, Erfahrungswerte und Fallstricke für deutsche Unternehmen
Von Dr. Björn Bahlmann
Für die weitaus überwiegende Zahl der deutschen Unternehmen stellen die osteuropäischen Märkte einen wichtigen Absatz- und Wachstumsmarkt für ihre Produkte und Dienstleistungen dar. Dies betrifft nicht nur die im Zuge der Osterweiterung der EU neu hinzugekommenen Mitgliedstaaten, sondern auch die Staaten Exjugoslawiens und der ehemaligen UdSSR. Der Schutz der Marken der Unternehmen und die Verwaltung des Markenportfolios werden dabei nicht selten von der deutschen Zentrale aus koordiniert – und genau hierin liegt die Gefahr. Denn was nach deutschem markenrechtlichem Verständnis logisch und vernünftig ist, muss keinesfalls zwingend auch in den Ländern Osteuropas richtig und zweckmäßig sein. Die Liste der Besonderheiten und Fallstricke ist durchaus umfangreich und erstreckt sich von einem unterschiedlichen Sprachniveau der angesprochenen Verkehrskreise über im Vergleich zu Deutschland abweichende Praktiken der nationalen Markenämter bis hin zu der Einschränkung von Vorgehensmöglichkeiten bei Markenverletzungen aufgrund mangelnder Überwachung kollidierender Markenanmeldungen Dritter.
Rechtsverletzungen durch vermeintlich schutzunfähige Zeichen
Sind geplante Marken vollständig oder zumindest in Teilen nach deutschem Verständnis klar beschreibend und damit schutzunfähig, besteht die Neigung, diese Beurteilung allzu schnell auch auf die Risikobewertung bei der Verwendung dieser Marken in osteuropäischen Märkten zu übertragen. Dabei wird übersehen, dass in den Ländern Osteuropas der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Marken in nicht wenigen Fällen ein anderes Sprachniveau der angesprochenen Verkehrskreise zugrunde gelegt wird und daher auch durch die Verwendung von nach deutschem Verständnis beschreibenden Begriffen Markenrechte Dritter verletzt werden können. So hat etwa das slowakische Markenamt den englischen Begriff „FRUITY“ als Wortmarke für Fruchtsäfte eingetragen, weil es hierin keinen für die slowakischen Verkehrskreise für diese Ware beschreibenden oder aus sonstigen Gründen kennzeichnungsschwachen Begriff gesehen hat. Demgegenüber hat das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) einer Wortmarkenanmeldung „FRUITY“ für Fruchtgetränke mit der Begründung den Schutz versagt, es handele sich um eine beschreibende und damit nicht eintragungsfähige Angabe. Sollte ein deutscher Hersteller von Fruchtsäften nun aufgrund dieser – unter Zugrundelegung deutschen Verkehrsverständnisses logischen – Bewertung des DPMA auf dem slowakischen Markt Fruchtsaft unter der Bezeichnung FRUITY anbieten, setzt er sich dem Risiko von Unterlassungs-, Schadenersatz- und Vernichtungsansprüchen von Seiten des slowakischen Markeninhabers aus.
Weitere Beispiele für die vorstehende Problematik sind etwa die Eintragung einer Wortmarke „CARE“ für Mittel zur Körper- und Schönheitspflege durch das bulgarische Markenamt oder die Eintragung einer Wortmarke „HOLIDAY TOUR“ für Dienstleistungen eines Reisebüros durch das rumänische Markenamt.
Transliterationen
In einigen Ländern Osteuropas findet anstelle der lateinischen die kyrillische Schrift Verwendung, so etwa in Russland, der Ukraine oder Bulgarien. Selbst wenn Markeninhaber ihre Waren in den dortigen Märkten stets nur unter ihren Marken in lateinischer Schrift anbieten, ist es selbstverständlich in höchstem Maße störend, wenn Dritte gleiche Marken in kyrillischen Buchstaben verwenden. Zwar wird eine in kyrillischen Buchstaben wiedergegebene Marke in der Regel als ähnlich zu ihrer Entsprechung in lateinischen Buchstaben angesehen werden, so dass grundsätzlich Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Markenübernahme in kyrillischer Schrift bestehen. Gleichwohl können sich in Einzelfällen Einschränkungen bei der Reichweite des Schutzes ergeben, da eine in lateinischen Buchstaben gehaltene Marke eben nur ähnlich, aber nicht identisch mit einer Marke in kyrillischen Buchstaben ist.
Während die Problematik abweichender Schriftzeichen von vielen Markeninhabern gerade im Hinblick auf den chinesischen Markt seit langem erkannt und durch Anmeldung entsprechender Marken in chinesischen Schriftzeichen gelöst wird, besteht diesbezüglich in osteuropäischen Ländern mit kyrillischer Schrift vielfach noch Nachholbedarf.
Erfordernis eigeninitiativer Überwachung von Drittmarkenanmeldungen
Die Markenrechtssysteme der meisten Länder in Osteuropa sehen für Markeninhaber die Möglichkeit vor, innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist gegen verwechslungsfähige Drittmarkenanmeldungen Widerspruch einzulegen. Die Widerspruchsverfahren sind dabei als Amtsverfahren vor den jeweiligen Markenämtern ausgestaltet und eröffnen im Vergleich zu gerichtlichen Löschungsverfahren einen kostengünstigen Weg, die Eintragung verwechslungsfähiger Drittmarken zu verhindern. Jedoch gibt es auch Länder, in denen kein Widerspruchsverfahren vorgesehen ist – ein Beispiel hierfür ist Serbien. Die einzige Möglichkeit, die Eintragung verwechslungsfähiger Drittmarken und die Notwendigkeit eines teuren gerichtlichen Vorgehens gegen eine bereits zur Eintragung gelangte missliebige Drittmarke zu verhindern, besteht daher darin, die entsprechenden Veröffentlichungen angemeldeter Marken im Amtsblatt des serbischen Markenamtes überwachen zu lassen. Wird eine aus Sicht des Markeninhabers problematische Anmeldung aufgefunden, kann dann noch rechtzeitig vor der Eintragungsentscheidung eine Stellungnahme beim serbischen Markenamt eingereicht werden, die auf die Problematik hinweist, um so die finale Entscheidung über die Eintragung oder Zurückweisung der Markenanmeldung zugunsten des Inhabers der verwechslungsfähigen älteren Marke zu beeinflussen.
Export als Markenverletzung – Absicherung von Produktionsländern
Wie in Deutschland kann auch in den Ländern Osteuropas eine Verletzung von Marken Dritter nicht nur durch den Absatz von Ware in dem jeweiligen Land selbst, sondern auch durch den Export von Waren, die mit einer rechtsverletzenden Kennzeichnung versehen sind, erfolgen. Eine Falschbewertung vermeintlich schutzunfähiger Zeichen kann daher für Unternehmen, die in osteuropäischen Ländern Ware für den westeuropäischen Markt produzieren lassen, äußerst unangenehme Folgen haben, wenn diese Ware von den Zollbehörden aufgrund einer Verletzung von Markenrechten Dritter aufgegriffen wird und nicht ausgeführt werden kann.
Sicherstellung einheitlicher Inhaberstrukturen
Ein rein formelles Problem, das in der Praxis gleichwohl zu erheblichem Verwaltungs- und Kostenmehraufwand führen kann, ist die Frage der Inhaberschaft, wenn innerhalb einer Unternehmensgruppe verschiedene Gesellschaften Inhaber derselben oder stark ähnlicher Marken sein sollen. Nahezu alle Markenämter in den osteuropäischen Ländern führen bei neuen Markenanmeldungen amtsseitig eine Prüfung durch, ob die angemeldete Marke mit bestehenden älteren Markenrechten kollidiert. Ergibt die Prüfung, dass eine Kollision vorliegt, wird die Markenanmeldung beanstandet bzw. – im Fall einer Erstreckung über eine internationale Registrierung – eine vorläufige Schutzversagung ausgesprochen. Als entgegenstehende Drittmarken werden hierbei auch solche Marken bewertet, die zwar ersichtlich für konzernangehörige Unternehmen angemeldet sind, aber eben für formal unterschiedliche Gesellschaften. Ist beispielsweise eine Europäische Gemeinschaftsmarke zugunsten der deutschen Muttergesellschaft eingetragen, würde die Anmeldung einer identischen nationalen Marke in den osteuropäischen Mitgliedstaaten der EU durch die entsprechenden Landesgesellschaften wegen entgegenstehender Drittrechte beanstandet werden. Das Schutzhindernis müsste entweder durch Ausstellung von Zustimmungserklärungen – sofern solche akzeptiert werden – oder durch eine Übertragung der nationalen Markenanmeldung auf die Muttergesellschaft überwunden werden, was jeweils zusätzlichen Aufwand bedeutet.
Einschränkungen von Vorgehensmöglichkeiten gegen Markenverletzungen durch Dritte
Schwierigkeiten können sich schließlich auch dann ergeben, wenn die eigenen Marken gegen rechtsverletzende Benutzungshandlungen Dritter verteidigt werden sollen. Ist das rechtsverletzende Zeichen für den Verletzer selbst als Marke eingetragen, ist für den Inhaber der älteren – verletzten – Marke etwa in Bulgarien, Rumänien, Serbien und Kroatien ein Vorgehen gegen die Rechtsverletzung zumindest erschwert, solange die eingetragene Marke des Rechtsverletzers Bestand hat. Hintergrund ist, dass die Existenz einer eigenen Marke des Rechtsverletzers gewissermaßen als Rechtfertigung für deren Benutzung gewertet wird.
Der Inhaber der älteren Markenrechte ist gezwungen, zunächst im Wege der Löschung gegen die eingetragene Marke des Rechtsverletzers vorzugehen, bevor diesem die rechtsverletzenden Benutzungshandlungen selbst dauerhaft untersagt werden können. Angesichts der unter Umständen nicht unerheblichen Dauer eines Löschungsverfahrens kann dies eine empfindliche Einschränkung der Möglichkeiten zur Verteidigung der eigenen Marken bedeuten. Zwar zeichnet sich in jüngerer Vergangenheit in Einzelfällen eine lockerere Handhabung dieser Praxis durch die Gerichte in zumindest einigen osteuropäischen Staaten ab, jedoch sind Markeninhaber nach wie vor gut beraten, ihre Marken sorgfältig zu überwachen und zu verteidigen.
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