Im Blickpunkt: Die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Von Dr. Arno Frings
Am 01.01.2017 wird es so weit sein – das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) wird in Kraft treten. Positive Überraschungen beinhaltet der Referentenentwurf zur Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht. Vielmehr wird ab nächstem Jahr eine deutlich restriktivere Handhabung im Umgang mit Leiharbeitnehmern gefordert. Bereits jetzt ist es aufgrund der geplanten Änderungen an der Zeit, sich mit diesen zu beschäftigen und die HRler der Unternehmen darauf vorzubereiten. Dieser Beitrag behandelt die für Unternehmen wichtigsten Neuerungen.
Der Referentenentwurf weist auf die hohe Praxisrelevanz der Arbeitnehmerüberlassung und werkvertraglichen Gestaltung hin, macht jedoch deutlich, dass missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes zu verhindern sind. Rechtsfolgen und Zuordnung des Arbeitnehmers sollen dem Gesetz entnommen werden können, damit keine Rechtsungewissheit (mehr) herrscht.
Vorübergehender Einsatz
Als wesentlichen Inhalt erkennt die Bundesregierung an, dass es sich bei Fremdpersonaleinsatz nur um einen vorübergehenden Zustand handeln darf, um die Stammbelegschaft nicht zu verdrängen. Das Gesetz sieht die (Wieder-)Einführung einer Höchstüberlassungsdauer vor. War in der Fassung des AÜG 1972 eine Höchstdauer von lediglich drei Monaten gestattet, die bis 2003 auf 24 Monate ausgeweitet wurde, so existierte seit 2003 keine gesetzlich vorgesehene Höchstüberlassungsdauer mehr. Das Gesetz sprach lediglich von einer „vorübergehenden“ Überlassung, definierte diese jedoch nicht. Nunmehr ist vorgesehen, dass derselbe Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen werden darf. Mittels tarifvertraglicher Regelungen sowie mittels einer Betriebsvereinbarung in nichttarifgebundenen Unternehmen darf diese Grenze jedoch sowohl unter- als auch überschritten werden.
Die 18-monatige Einsatzzeit wird neu berechnet, sofern ein Unterbrechungszeitraum von mindestens sechs Monaten vorliegt. Eine Anrechnung von Einsatzzeiten bei konzernverbundenen Unternehmen ist nicht vorgesehen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Leiharbeitnehmer von unterschiedlichen Verleihern innerhalb der 18 Monate überlassen wurde.
Rechtsfolge eines Verstoßes
Wird der Einsatz des Leiharbeitnehmers nicht nach 18 Monaten unterbrochen, so droht dem Entleiher eine empfindliche Geldstrafe. Je Einzelfall kann die Überschreitung der Höchstdauer mit bis zu 30.000 Euro Bußgeld geahndet werden. Das Gesetz sieht vor, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher unwirksam sein soll. Selbstverständlich kommt in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Diesem Arbeitsverhältnis kann der Leiharbeitnehmer allerdings bemerkenswerterweise innerhalb eines Monats widersprechen. Dieses Recht wird uns in Zukunft mit Sicherheit stark beanspruchen und beschäftigen. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang beispielsweise der Fristbeginn der Monatsfrist oder aber die Prüfung des ersten, frühestmöglichen Verzichtstermins.
Equal Pay
Nach neun Monaten ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Leiharbeitnehmern „Equal Pay“ zu zahlen. Auch dadurch soll die 18-monatige Höchstüberlassung deutlich eingeschränkt werden. Für den Fall, dass ein Tarifvertrag gilt, der eine stufenweise Heranführung des Arbeitsentgelts an das Equal Pay vorsieht, besteht der Anspruch auf Equal Pay erst nach einer Einsatzdauer von 15 Monaten. Voraussetzung ist jedoch, dass die stufenweise Heranführung nach einer Einarbeitungsphase von sechs Wochen beginnt. Dies betrifft sowohl bestehende als auch künftige Tarifverträge, die die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen erfüllen.
Streikbrecher
Leiharbeitnehmer werden künftig nicht mehr als Streikbrecher fungieren. Zwar sehen bereits jetzt viele Tarifverträge ein „Einsatzverbot“ von Leiharbeitnehmern in bestreikten Betrieben vor, ab 2017 gilt jedoch ein umfassendes Beschäftigungsverbot für Leiharbeitnehmer während eines Streiks.
Kollektivrechtliche Auswirkungen
In Zukunft werden die Leiharbeitnehmer bei der Berechnung der maßgeblichen Schwellenwerte im Betriebsverfassungsgesetz zu berücksichtigen sein. Hierbei soll es nicht mehr auf eine – geplante – Mindesteinsatzdauer von drei Monaten ankommen. Vielmehr soll grundsätzlich eine Berücksichtigung vorgenommen werden. Auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bezüglich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern werden ausgeweitet.
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung
Der derzeitigen Praxis, quasi „vorsorglich“ in Grenzbereichen eine Arbeitsüberlassungserlaubnis zu beantragen, wird ein Riegel vorgeschoben. Eine wirksame Arbeitnehmerüberlassung wird künftig nur dann vorliegen, wenn die vertragliche Beziehung ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung“ bezeichnet wird. Fehlt es daran, so wird auch hier ein Arbeitsverhältnis ohne weiteres fingiert, wenn es denn nach den – nunmehr gesetzlich kodifizierten – Kriterien als ein solches einzuordnen ist. Der Scheinwerkvertrag mit Erlaubnis wird dieselben Rechtsfolgen haben wie die Überlassung ohne Erlaubnis. Ergänzt wird diese Regelung durch die Offenlegungspflicht des Verleihers. Dieser ist verpflichtet, den Arbeitnehmer darüber zu informieren, dass er beim Entleiher als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Auch hier wird dem Leiharbeitnehmer jedoch ein Widerspruchsrecht zugestanden, welches sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als problematisch erweisen wird.
Grenzbereich Werkvertrag
Auch in diesem Bereich werden Verschärfungen auf die Unternehmen zukommen. Es soll ein besseres Differenzierungspotential gegeben sein, wodurch sich Werk-/Dienstverträge leichter von der Arbeitnehmerüberlassung unterscheiden lassen. Als Problematisch wird sich der Umstand erweisen, dass das Werk von Beginn an bereits definiert sein muss – in einigen Branchen stellt sich das Endergebnis jedoch unter Umständen bei seiner Fertigstellung anders dar, als es zu Beginn schien, und wird quasi erst im Herstellungsprozess definiert. Hier wird die Rechtsprechung gefordert sein, da unter Umständen auf den Unternehmer Ansprüche zukommen können, die angesichts des gelebten Vertrags völlig aus der Luft gegriffen erscheinen, dem Besteller jedoch aufgrund der gesetzlichen Regelung zustehen.
Abgrenzungskriterien
Tatsächlich werden nicht – wie von dem Entwurf ursprünglich vorgesehen – unter der amtlichen Überschrift „Vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag“ in § 611a BGB die – teilweise von der Rechtsprechung übernommenen – Abgrenzungskriterien kodifiziert. Kanzleramt und Bundesarbeitsministerium haben sich im Februar 2016 dagegen entschieden. Nunmehr wird in § 611a BGB der Arbeitnehmerbegriff definiert werden. Hierbei wird sich die Kodifizierung an den durch die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen orientieren.
Ausblick
Das Gesetz enthält viele weitere spannende Regelungen, die es näher zu betrachten gilt. So ist beispielsweise vorgesehen, dass der konkrete Arbeitnehmer vor Beginn der Überlassung namentlich zu bezeichnen ist oder dass nunmehr endgültig feststeht, dass ein Ketten-, Zwischen- und Weiterverleih unzulässig ist.
Die Sinnhaftigkeit und Praktikabilität sowie die Verfassungsmäßigkeit einiger Regelungen werden sich erst in der täglichen Praxis und schließlich vor den Gerichten zeigen. Fest steht bereits jetzt, dass diese gesetzliche Neuregelung nicht nur – wenn überhaupt – positive Aspekte beinhalten wird.
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