Im Blickpunkt: Angestellte Partner im deutschen Rechtsmarkt

Von Emma Ziercke und Markus Hartung

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In Schlagzeilen vorab: Das zweistufige Partnerschaftssystem platzt aus allen Nähten – Kanzleien stehen unter dem Druck, ihre fähigen Anwälte zu halten – junge Anwälte sind desillusioniert im Hinblick auf die Partnerwerdung – US-Kanzleien lösen Partnerschaften mit ihren leistungsschwachen Equity-Partnern.

Worum es geht

Das Zweistufensystem sollte es den Kanzleien einst ermöglichen, die guten Anwälte zu halten und gleichzeitig den Geldtopf zu kontrollieren (W. D. Henderson, 2006: „An Empirical Study of Single-Tier versus Two-Tier Partnerships in the Am Law 200“). Aber wir wissen, dass im Leben nichts umsonst ist – und die hastige Einführung der zweistufigen Partnerschaft resultierte in einer Gruppe von Non-Equity-Partnern. Wir nennen sie „Les Misérables“. Durch Änderung des Ansehens von Non-Equity-Partnern innerhalb der Kanzleien und durch das Aufsetzen eines vernünftigen Karriereprogramms können Kanzleien das noch ungenutzte Potential des zweistufigen Systems für sich heben. Auch die Tatsache, dass Partnerschaften nicht länger en vogue sind (siehe etwa einen Junganwalts-Roundtable in der Law Society Gazette, Februar 2016) und Kanzleien entsprechend gezwungen werden, alternative Karrierewege anzubieten, trägt dazu bei, dass das zweistufige System auch zukünftig seine Berechtigung haben wird.

Non-Equity-Partner: ein Job – viele Bezeichnungen

Salary-Partner, Fixed-Share-Partner, Staff-Partner, European Partner, Servicepartner, National Partner oder gar Counsel: Non-Equity-Partner laufen unter vielen Namen. Dabei ist das Präfix „non“ verräterisch, denn im Englischen hat es viele Bedeutungen: Es bedeutet „nicht“ (wie in non-alcoholic) ebenso wie das Versäumnis von etwas (non-delivery) oder eine Sache, die nicht gut oder wenig aufregend ist (Non-Event). Danach sieht es so aus, als definiere sich der Non-Equity-Partner vor allem über das, was er (oder sie) nicht ist. Oder, anders ausgedrückt: „Ein Sozietätspartner ist all das, … was ein Non-Equity-Partner nicht ist: härter arbeitend, engagierter, mit mehr Mandanten, weniger Problemen, weniger Ausreden, hohen Ambitionen, besseren zwischenmenschlichen Skills, involviert“ (BCG Attorney Search Website, H. Barnes: „What Law Firm Titles Mean“).

Hätten Non-Equity-Partner einen besseren Ruf, wenn sie einen anderen Titel trügen? Vielleicht. Und doch liegt das Problem tiefer als in der bloßen Namensgebung. So unglücklich das kleine englische Wort „non“ auch sein mag, so werden wir den Begriff Non-Equity-Partner hier doch weiterhin benutzen, um – wenn auch recht vereinfacht – diejenigen Partner zu beschreiben, die von der zweiten Partnerstufe der Kanzleien aus operieren und daher nur teilweise an Kanzleiführung und -gewinn partizipieren – obwohl einige Kanzleien sogar hier die Linie unklar ziehen.

Das Non-Equity-Fegefeuer

Nach einer anonymen Umfrage unter 300 US-Anwälten, durchgeführt von Law360 (siehe Artikel von A. Strickler zu der Umfrage auf der Law360-Website), fühlen sich „Non-Equity-Partner am miserabelsten von allen Anwälten in den Kanzleien.“ Sie sind um 12% unzufriedener mit ihrer Kanzlei als andere Anwälte, und was die berufliche Erfüllung anbelangt, befinden sie sich auf der Gefühlsskala ganz unten. Was macht sie so unzufrieden?

Zunächst einmal ist es ganz einfach: In einer stark konkurrierenden und leistungsgetriebenen Organisation gibt es grundsätzlich keinen Preis für den zweiten Platz. Der demoralisierende Effekt, wenn man nach dem harten Rennen um die Partnerschaft darüber informiert wird, dass die Kanzlei nur die Non-Equity-Position im Angebot habe, ist nicht zu unterschätzen. Tantalus’ ewiger Bestrafung gleich, darf ein Non-Equity-Partner zwar beim Fest dabeisitzen, aber nicht mitessen. Anwälte in Non-Equity-Positionen beklagen, wie entmutigend es sei, im „Non-Equity-Fegefeuer“ zurückgelassen zu werden (siehe Law Practice Today, Dezember 2014: „How to avoid non-equity purgatory“). Anders als im wirklichen Fegefeuer gibt es hier allerdings keine Garantie, dass man, nachdem man seiner Unzulänglichkeiten Herr geworden ist, auch auf jeden Fall in den Partnerschaftshimmel kommt.

Was ganz genau bedeutet es, ein Non-Equity-Partner zu sein? In einigen Kanzleien wird die Position als Sprungbrett zur Partnerschaft genutzt, andere parken die Anwälte damit nur auf der grünen Wiese. Noch schlimmer sind jedoch Kanzleien, die sie als beides, Sprungbrett und Karriereaus nutzen (in diesen Kanzleien findet man auch eine weitere Bezeichnung für diese Mitarbeiter: EDEKA-Partner, wobei die Abkürzung EDEKA für Ende der Karriere steht). Die Unsicherheit ob der Bedeutung der zweistufigen Karrierestruktur trägt nur noch mehr zur Unzufriedenheit der bereits angeschlagenen Non-Equity-Partner bei. Kanzleien, die die Non-Equity-Position als Sprungbrett nutzen möchten (was natürlich seine Vorteile gegenüber dem Einstellen von Quereinsteigern hat), brauchen einen klaren Karrieretrack mit klaren Anforderungen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Kanzleien hingegen, die die Zweistufigkeit als Alternative zur Partnerschaft sehen, müssen einen eigenen Karriereplan für diese Positionen erstellen – ebenfalls mit klaren Anforderungen und Prozessen.

Non-Equity als „Abfallprodukt“ der Partnerschaft

Von Gegnern des zweistufigen Partnerschaftssystems wird die Non-Equity-Position als „Müllhalde für Anwälte mit gravierenden Schwächen, zumeist basierend auf schwerwiegenden Persönlichkeits- oder Qualitätsproblemen“ (BCG Attorney Search Website, H. Barnes: „What Law Firm Titles Mean“) gesehen. Non-Equity-Partner wurden als Anwälte mit unausgesprochener Probezeit beschrieben oder als „Bücherwürmer ohne Charisma“ (R. Tromans/T. Williams, 2006: „Stepping out of the Shadows“). Solch negative Beschreibungen sind die Folge, wenn man Non-Equity-Partner als die Verlierer des Partnerwerdungsprozesses versteht. Die allgemeine Annahme dabei ist, dass diejenigen Anwälte, die nicht Partner werden, einfach nicht gut genug seien: eine unerwünschte Konsequenz des gesamten Prozesses. Das „Up or out“-System ist einzigartig und dynamisch, weil jedes Jahr wieder Anwälte dem System beitreten und andere es verlassen. Doch einmal außerhalb des Systems, bleibt der Anwalt Außenseiter, selbst in der eigenen Kanzlei. Idealerweise – und mit State-of-the-Art-Technik zur Leistungsbeurteilung – sollten Kanzleien in der Lage sein, sicherzustellen, dass nur diejenigen Kandidaten, die zu 99% Partnerpotential haben, überhaupt ins Rennen kommen – durchfallende Anwälte sollte es überhaupt nicht geben.

Was zu tun ist

Die Non-Equity-Position muss zum eigenständigen Karriereweg entwickelt werden. Kanzleien müssen ihre Zweistufenpartnerschaft glasklar kommunizieren, die Inhalte der Positionen beschreiben und sowohl die Stellung innerhalb der Kanzlei als auch die Kriterien zur Erreichung der jeweiligen Stufen definieren. Dr. Astrid Arndt von Hengeler Müller nennt dies auch den Internal-Branding-Prozess solcher Positionen und ist davon überzeugt, dass die Personalleiter einen wichtigen Beitrag zur Positionierung und Wertschätzung der Non-Equity- Positionen leisten können. Kanzleien investieren – in der Regel, wenn auch nicht immer – viel Zeit in die Aufgabe, die Erwartungen an ihre künftigen Equity-Partner zu definieren. Aber was ist mit den Non-Equity-Partnern? Zu einer Zeit, in der Non-Equity-Partner glauben, ein Ende erreicht zu haben, ist die Motivation zur Fortsetzung ihrer Entwicklung von großer Bedeutung. Karriereplateaus sind nichts Neues für Personaler, und viele Unternehmen haben zahlreiche parallele Karriereleitern entwickelt – der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch im Management: Klare Jobbezeichnungen und -kriterien und eine offene Kommunikation sind erforderlich.

Inkonsequente Erziehung, oder: Du bekommst, was Du tolerierst

Die Zeiten seien hart, heißt es allenthalben, und von Partnern erwartet man alles in einer Person – Business-Getter, Rainmaker, Führungsfigur, Vorbild, fachliche Exzellenz. Darunter geht es nicht. Partner im unteren Drittel des Performancespreads haben keine leichten Zeiten, und Work-Life-Balance ist nichts, was einen „richtigen“ Partner auszeichnen würde. Bei diesen Partneranforderungen bestimmten Personen zu erlauben, den Titel zu tragen, ohne Partner zu sein, wirkt befremdlich. –Non“-Partnern zu erlauben, weiterhin dabeizubleiben, kann ein Indikator dafür sein, dass Kanzleien nicht die Spreu vom Weizen trennen können oder es nicht wollten. Es ist nicht einfach, gute Anwälte gehen lassen zu müssen, und Kanzleien bezeugen, dass man „rücksichtslos sein müsse bei der Equity-Partner-Auswahl“ (siehe Legal Week, Oktober 2016: „Shearman gambles on non-equity partners“). Gegner des zweistufigen Partnerschaftssystems argumentieren, dass Non-Equity-Partner dem Kanzleiruf schaden würden. In wirtschaftlich schwierigen Phasen sind Non-Equity-Partner oftmals die Ersten, die gehen müssen. US-amerikanische Kanzleien reduzieren bereits ihre Non-Equity-Ränge – als „Gruppe, die man größer habe anwachsen lassen, als es die derzeitige Wirtschaft und die voraussichtlich zukünftige Nachfrage rechtfertigten“ (Altman Weil, 2016: „Law Firms in Transition“).

Wenn die Non-Equity-Position als Ergebnis der Unfähigkeit einer Kanzlei gesehen wird, nein zu sagen, oder als Versäumnis, das Versprechen einzulösen, die Non-Equity-Partner entweder zu befördern oder zu entlassen, dann überrascht es nicht, dass die Position sowohl extern als auch intern als negatives Phänomen gesehen wird. Das muss aber nicht so sein. Dabei muss die Bedeutung der Position innerhalb des Ökosystems der Kanzlei intern und extern zum Ausdruck gebracht werden. Akademische Studien (siehe etwa S. Lopes, 2016: „High performers are not superheroes“ oder N. Malhotra/M. Smets/T. Morris 2016: „Career pathing and innovation in professional service firms“) bestätigen, dass Non-Equity-Partner nicht nur essentiell für das Überleben einer Kanzlei sind, sondern dass neue Karrierewege ganz harmonisch im Einklang mit dem traditionellen „Up or out“-System stehen und Kanzleiinnovation fördern können. „Non“-Partnern einen neuen, positiven Stellenwert und das Gefühl zu geben, willkommener Teil des Systems zu sein, ist unerlässlich für ihre Motivation. Darüber hinaus motivieren Möglichkeiten zur Selbstentwicklung und zum Ausbau der eigenen Fähigkeiten langjährige Mitarbeiter zum Bleiben. Wenn der Job an sich gut genug ist, spielt eine Beförderung keine so große Rolle.

Nacht und Nebel

Natürlich haben Kanzleien viele gute Gründe, ein gewisses Maß an Flexibilität beizubehalten, wenn es um den Prozess der Partnerwerdung geht. Aber den meisten Kanzleien fehlt es insoweit an Transparenz. So ähnelt eine durchschnittliche Partnerwahl eher einem Agatha-Christie-Roman als einem zeitgemäßen Beförderungsprozess. Man sollte erwarten, dass allen Anwälten von Anfang an grundlegende Informationen zur Verfügung stünden: (1) Aussichten, Partner zu werden: Wie viele Anwälte können Partner werden, wann und in welchen Praxisgruppen? (2) Partnerwerdungsprozess: Welches sind die Kriterien (nicht nur die persönlichen und der Business-Case der Kandidaten, sondern auch der der Kanzlei – siehe dazu Hartung: Karrierewege und Partnerwerdung im Kanzleimanagement in der Praxis, 2015), wie ist der Prozess, wann wird final entschieden, was passiert, wenn der Kandidat nicht erfolgreich war? Häufig genug werden Kandidaten bereits während des Prozesses selbst mit vagen Hinhaltemanövern abgespeist: „Vielleicht in zwei Jahren, aber wir können nichts versprechen“. Dies Verhalten führt nicht nur zum persönlichen Misstrauen gegenüber den Partnern, sondern untergräbt auch insgesamt das Ansehen der Kanzlei bei den Associates. Die Generation der Millennials will zu Recht wissen, ob eine Partnerschaft eine denkbare Aussicht für sie ist und wann und zu welchen Bedingungen (siehe M. Hartung/E.Ziercke, 2016: „What Tomorrow’s Lawyers Want“). „Vielleicht“ ist dabei nicht die Antwort, auf die sie gewartet haben. Erwartungen der Kanzlei müssen klar definiert sein, und es muss ein offener und aufrichtiger Dialog möglich sein.

Professionelle Beratungsunternehmen wie McKinsey legen auch auf den Austritt von Associates einen Fokus. Wohlwissend, dass nicht alle Associates Partner werden können, investieren sie beträchtliche Mittel, um zu gewährleisten, dass Arbeitnehmer einen besseren oder passenderen Job beim Wechsel antreten, und stellen so sicher, dass die Beziehung zur Kanzlei weiterhin eine positive bleibt. Die Investition in die Welt außerhalb des „Up or out“-Systems zahlt sich aus, wenn es darum geht, zukünftige Aufträge zu generieren und das Kanzleinetzwerk auszuweiten.

Wie löst man ein Problem wie Non-Equity?

Wie in „Karrierewege und Partnerwerdung“ beschrieben, ist das Non-Equity-Problem das Resultat einer klassischen Konfliktsituation wie aus dem Lehrbuch, und somit gibt es nicht den einen Weg, es zu lösen. Der Rat, der einstmals in Bezug auf die Position des Counsels gegeben wurde, gilt auch heute noch und kann auf Non-Equity-Partner übertragen werden. Allerdings ist es bei den Non-Equity-Partnern von wesentlicher Bedeutung, die Betrachtungsperspektive zu ändern. Non-Equity-Partner müssen neu aufgestellt werden als Ergänzung zur Partnerschaft und als selbständige Berufsgruppe innerhalb ihres eigenen Systems, nicht als unerwünschtes Überbleibsel des Partnerwerdungsprozesses. Solange die Non-Equity-Partner ihre „Non“-Rolle beibehalten, werden sie nur eine Ausnahme der „Up or out“-Regel sein – und „Les Misérables“ bleiben.

emma.ziercke@law-school.de

markus.hartung@law-school.de

 

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