Bitcoins sind keine Rechnungseinheiten i.S.d. Kreditwesengesetzes
Von Dr. Susana Campos Nave
Das Kammergericht Berlin (KG) hat mit Urteil vom 25.09.2018 [Az. (4) 161 Ss 28/18 (35/18)] entschieden, dass Bitcoins keine Rechnungseinheiten i.S.d. Kreditwesengesetzes (KWG) sind. Hiermit verpasst das KG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine „schallende Ohrfeige“, denn die BaFin hatte eine gegenteilige Ansicht vertreten.
Dieses Urteil findet viel Beachtung, denn in der Rechtsprechung gibt es bisher wenige Urteile zu Kryptowährungen, deren bekannteste Variante der Bitcoin ist.
Bei Kryptowährungen handelt es sich um jegliche Form von Zahlungsmitteln, welche ausschließlich digital vorliegen. Gemeinhin wird diese Art von Technologien als „disruptiv“ bezeichnet. Disruption leitet sich vom englischen „disruption“ ab und wurde zum geflügelten Wort in der Technologiebranche. Hierunter werden Innovationen verstanden, die die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie oder eines bestehenden Produkts ersetzen oder diese vollständig vom Markt verdrängen. Kryptowährungen erheben diesen Anspruch auf nichts Geringeres als auf das weltweite Zahlungs- und Finanzsystem.
Fehlende gesetzliche Regelungen und das Fehlen übergeordneter Institutionen wie etwa einer Zentralbank, machen den Umgang mit Kryptowährungen aus rechtlicher Sicht schwierig. Bei Bitcoins handelt es sich, so das heutige Verständnis, um unregulierte Finanzprodukte. Eine frühe Stellungnahme hierzu stammt von der BaFin. Diese hat Kryptowährungen im Jahr 2011 aufsichtsrechtlich als Finanzinstrumente in der Form von Rechnungseinheiten gemäß § 1 Abs. 11 Nr. 7 KWG qualifiziert.
Von dieser Auffassung weicht das KG Berlin in seinem aktuellen Urteil ab. Das Urteil geht vor einem strafrechtlichen Hintergrund auf die Frage ein, welche Rechtsnatur Kryptowährungen aufweisen, und wird vor diesem Hintergrund als wegweisend in der Rechtsentwicklung verstanden. Es enthält nicht nur eine Aussage zur rechtlichen Qualifizierung von Kryptowährungen, sondern es bricht darüber hinaus auch mit der bisher gängigen Verwaltungspraxis.
Der Ausgangsfall
Die Entscheidung fiel im Zusammenhang mit der Frage nach der Strafbarkeit des Handels mit Bitcoins.
Der Angeklagte betrieb als Verantwortlicher eine Internethandelsplattform, über die Bitcoins gehandelt werden konnten. Für den Betrieb dieser Plattform hatte der Angeklagte keine Erlaubnis der BaFin eingeholt.
Vor dem Amtsgericht Tiergarten wurde der Angeklagte wegen fahrlässigen Verstoßes gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG zu einer Geldstrafe verurteilt. In § 54 KWG ist normiert, welche Handlungen im Bereich Kreditwesen strafbewehrt sind. Nach Ansicht des Amtsgerichts, das sich in seinem Urteil an der Auslegung der BaFin orientiert hat, fällt darunter auch die Veräußerung von Bitcoins.
Auf die Berufung des Angeklagten hin hat das Landgericht Berlin den Angeklagten mit der Begründung freigesprochen, die Veräußerung von Bitcoins auf der von ihm betriebenen Handelsplattform unterliege nicht der Erlaubnispflicht, weshalb keine Strafbarkeit gegeben sei. Hiergegen hat sich die Staatsanwaltschaft mit der Revision vor dem KG gewandt, das in zweiter Instanz über den Ausgangsfall urteilte und sich der Meinung des Landgerichts angeschlossen hat.
Tragendes Argument des erkennenden Senats ist die Feststellung, dass es sich bei der virtuellen Währung Bitcoin nicht um ein Finanzinstrument im Sinne des KWG handele, da die Voraussetzungen für die Annahme einer Rechnungseinheit nicht gegeben seien. Rechnungseinheiten sollen, so sieht es das KG, nach dem Willen des Gesetzgebers mit Devisen vergleichbar sein. Damit schlussfolgert das Gericht, dass Rechnungseinheiten die Vergleichbarkeit von Waren und Dienstleistungen innerhalb unterschiedlicher Länder durch Verwendung einer allgemeingültigen und verständlichen Einheit ermöglichen sollen.
Dem Bitcoin fehle es jedoch an einer allgemeinen Anerkennung und der entsprechenden vorhersehbaren Wertbeständigkeit, die ermögliche, ihn zur allgemeinen Vergleichbarkeit verschiedener Waren oder Dienstleistungen heranzuziehen. Im Ergebnis erfüllt nach der Rechtsauffassung des Gerichts der Bitcoin damit eine wesentliche begriffliche Voraussetzung von Rechnungseinheit, wie sie in der vom Gesetzgeber vorgenommenen Gleichstellung mit Devisen zum Ausdruck kommt, nicht.
Kritik des KG an der Rechtsauffassung der BaFin
Das Gericht kritisiert mit klaren Worten die Auffassung der BaFin und wirft dieser die unzulässige Ausdehnung einer strafrechtlichen Norm vor.
Artikel 103 Abs. 3 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind. Diese strengen Voraussetzungen sollen Rechtssicherheit schaffen. Artikel 103 Abs. 2 GG sorgt zugleich dafür, dass im Bereich des Strafrechts mit seinen weitreichenden Folgen für den sensiblen Bereich der Grundrechte des Einzelnen nur der Gesetzgeber über die Strafbarkeit entscheiden kann. Dieser ist verfassungsrechtlich verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen, und darf diese Entscheidung nicht anderen staatlichen Gewalten, wie etwa der Strafjustiz, überlassen.
Soweit die BaFin die Ansicht vertritt, es handele sich bei Bitcoins um eine Komplementärwährung, die unter den Begriff Rechnungseinheit zu fassen sei, verkenne sie, dass es nicht Aufgabe der Bundesbehörden sei, rechtsgestaltend in Strafgesetze einzugreifen.
Die Kompetenz der BaFin beschränkt sich nach Ansicht des Gerichts auf die Kompetenz zur allgemeinen Missstandsaufsicht und auf die allgemeine Anordnungskompetenz zum Erlass von gegen Institute gerichtete Verwaltungsakte, deren Ziel die vorbeugende Gefahrenabwehr für das Kredit- und Finanzdienstleistungswesen ist. Nicht Aufgabe der BaFin sei jedoch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs von strafrechtlichen Normen. Dies sei aber vorliegend durch die Erweiterung der Voraussetzungen für das Vorliegen erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen geschehen: Mit der Behauptung, Bitcoins fielen unter den Begriff der Rechnungseinheit im Sinne von § 1 Abs. 11 KWG, überschreite die Bundesanstalt den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich.
Fazit: Ein disruptives Urteil?
Mit seinem Urteil hat das KG ein Signal gesetzt, das der aktuellen Verwaltungspraxis der BaFin entgegensteht.
Es kann nicht den Streit über die Rechtsnatur von Kryptowährungen beenden, aber mit seiner Aussage bezüglich der Erlaubnispflicht beim Handel mit Kryptowährungen als eine wesentliche Richtungsentscheidung gelesen werden.
Klarheit und Sicherheit über die Rechtsnatur von und den Umgang mit Kryptowährungen kann im Ergebnis nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden.
In der Branche hat das Urteil hohe Wellen geschlagen. Folgt man der Rechtsprechung, wären Geschäfte wie Bitcoin-Börsen, die bislang der Erlaubnispflicht der BaFin unterlagen, nun ohne Lizenz straffrei möglich.
In München wurde unlängst der erste Bitcoin-Geldautomat Deutschlands aufgestellt – ein Automat, wie man ihn in anderen Ländern wie Japan bereits seit längerem kennt.
Schallende Ohrfeigen sind dem deutschen Rechtsanwender vor allem von Seiten des Bundesverfassungsgerichts bekannt, wenn es den Gesetzgeber darauf hinweist, dass bestimmte Normen Grundrechte tangierten. Auch das Kammergericht übernimmt hier eine wachsame Rolle für den Rechtsstaat.
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