Neu: Sozialpartnermodell, Opting-out, neue steuerliche Förderungen und Grenzwerte – aber auch Pflichtarbeitgeberbeiträge
Von Jörn Manhart
Just-in-time-Delivery: Bekanntlich nennt man so die nahtlose Bereitstellung von Teilprodukten im Fertigungsprozess. Und nicht anders war es Ende Mai im Bundestag. Erst am Abend des 31.05.2017 gelang es dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, die Ausschussempfehlung für die 2. und 3. Lesung des Gesetzes in der 237. Plenarsitzung des 18. Deutschen Bundestages am 01.06.2017 vorzulegen. Und der Ausschussvorschlag war nicht ohne Überraschungen.
Rückblick: das Gesetzgebungsverfahren
Zur Erinnerung: Nach dem Kabinettsbeschluss zum Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) vom 21.12.2016 und der ersten Lesung Anfang März im Bundestag galt die Verabschiedung des Gesetzesvorhabens als sichere Sache. Doch dann zeigte sich, dass die Großkoalitionäre nicht vollkommen einer Meinung waren (Stichwort „Garantieverbot“) und auch die Hauptadressaten des BRSG, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, offensichtlich mit dem Gesetzgebungsvorhaben vor dem Hintergrund fremdelten, dass das sogenannte Sozialpartnermodell auch für nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer offenstehen soll.
Das nun verabschiedete Gesetz, das nur noch vom Bundesrat genehmigt werden muss und am 01.01.2018 in Kraft treten soll, wird nun das Sozialpartnermodell, die Möglichkeit des Opting-outs, neue steuerliche Förderungen und Grenzwerte, aber auch Pflichtarbeitgeberbeiträge – und das ist eine neue Entwicklung – für die bestehenden Systeme der Entgeltumwandlung bringen.
Sozialpartnermodell
Mit dem Sozialpartnermodell öffnet das BRSG neben den bisher im BetrAVG vorgesehenen Kombinationsmöglichkeiten aus fünf Durchführungswegen (Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung) und drei Zusagemodellen (Leistungszusage, Beitragszusage mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusage) ein völlig neues Versorgungsmodell. Die Besonderheit liegt in der bislang in Deutschland nicht betriebsrentenrechtlich flankierten Möglichkeit der Gewährung einer reinen Beitragszusage.
Die Pflichten des Arbeitgebers beschränken sich hiernach auf die Entrichtung der zugesagten Beiträge (etwa Entgeltumwandlung) an einen externen Versorgungsträger (Pensionskasse, Direktversicherung oder Pensionsfonds). Eine bestimmte Versorgungsleistung wird vom Arbeitgeber nicht zugesagt und darf auch vom Versorgungsträger nicht zugesagt werden – „Garantieverbot“. Versprochen ist allein eine sogenannte „Zielrente“, deren Höhe und deren Entwicklung abhängig von der Vermögens- und Ertragslage oder -entwicklung der Versorgungseinrichtung sein sollen.
Voraussetzung für die Durchführung einer reinen Beitragszusage sind Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien, die sich auch an der Durchführung und Steuerung der Versorgungseinrichtung beteiligen müssen. Zudem soll die Versorgungseinrichtung einer engen Beaufsichtigung durch die BaFin unterliegen.
Hinzu kommt die nicht tarifdispositive Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Risikoaufschlags (mindestens 15%) für entgeltumwandlungsfinanzierte reine Beitragszusagen.
Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte sollen vereinbaren können, dass die einschlägigen Tarifverträge auch für sie gelten. Die Tarifvertragsparteien müssen zudem ihre Versorgungseinrichtungen für nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer öffnen.
Opting-out
Macht die Praxis nicht das, was die Politik will, muss der Gesetzgeber korrigierend eingreifen: Streitig und von Vertretern des Betriebsrentensenats des BAG mehrfach öffentlich abgelehnt war seit längerem die Frage, ob durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine grundsätzliche Verpflichtung zur Teilnahme der Arbeitnehmer an der Entgeltumwandlung vorgesehen werden könnte. Eine Nichtteilnahme sollte hiernach nur nach Inanspruchnahme einer Ausstiegserklärung (sogenanntes Opting-out) möglich sein.
Diese Unsicherheit ist nun überwunden. Das BRSG sieht vor, dass die Teilnahme an der Entgeltumwandlung für alle Beschäftigten oder Gruppen von Beschäftigten eines Arbeitgebers durch tarifvertragliche Regelung oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung als Regelfall und ohne Teilnahmeerklärung des Arbeitnehmers vorgesehen werden kann. Auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber können ein einschlägiges tarifvertragliches Optionssystem anwenden oder aufgrund eines einschlägigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Einführung eines Optionssystems regeln.
Bestehende Entgeltumwandlungssysteme
Neu und insofern überraschend ist die vom Ausschuss vorgeschlagene Ergänzung des § 1a BetrAVG um den Absatz 1a. Hiernach müssen Arbeitgeber auch bei bestehenden Entgeltumwandlungssystemen zukünftig 15% des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss leisten, wenn die Entgeltumwandlung über einen Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung durchgeführt wird, soweit sie durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einsparen.
Überraschend ist diese Ergänzung, da die 15% verpflichtender Arbeitgeberzuschuss ursprünglich (vgl. oben) als Preis des Arbeitgebers für die Entkoppelung von den Kapitalanlage- und Biometrierisiken bei der reinen Beitragszusage vorgesehen waren. Tatsächlich sollen die Arbeitgeberzuschüsse nach § 1a Abs. 1a und nach § 23 BetrAVG aber unterschiedlichen Regimen folgen und nur der Zusatzbeitrag nach § 1a Abs. 1a tarifdispositiv sein. Zudem sieht das Gesetz in der Übergangsregelung für den Beitrag nach § 1a Abs. 1a eine lange Übergangsfrist vor: Für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 01.01.2019 geschlossen worden sind, soll die Zuschusspflicht erst ab dem 01.01.2022 gelten.
Änderungen des steuerrechtlich anerkannten Dotierungsrahmens
Das BRSG bringt auch einen geänderten steuerfreien Dotierungsrahmen für Zahlungen des Arbeitgebers an externe Versorgungsträger gemäß § 3 Nr. 63 EStG mit sich. Für Beiträge an Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen gilt nach dem BRSG eine einheitliche prozentuale Grenze von nunmehr 8% der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Unverändert soll in auch bislang anerkannten „Altfällen“ die Möglichkeit der Fortführung einer Pauschalbesteuerung nach § 40b EStG bestehen bleiben. Etwaige pauschalbesteuerte Beiträge sollen aber auf den steuerfreien Dotierungsrahmen von 8% angerechnet werden.
Anreize für Arbeitgeber
Zusätzliche Beiträge von Unternehmen zu einer betrieblichen Altersversorgung von geringverdienenden Arbeitnehmern werden steuerlich gefördert. Als Geringverdiener sind hierbei Beschäftigte mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von bis zu 2.000 Euro definiert. Der zusätzliche Arbeitgeberbeitrag zur zwingend extern durchzuführenden Altersversorgung muss mindestens 240 Euro p.a. betragen. Der Förderbetrag beträgt 30% des zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags, kalenderjährlich maximal 144 Euro. Er wird an den Arbeitgeber im Wege der Verrechnung mit der abzuführenden Lohnsteuer ausgezahlt.
Anreize für Arbeitnehmer
Anreize zur Altersversorgung für Arbeitnehmer sollen durch das BRSG auch an verschiedenen Stellen gesetzt werden. So steigt die Grundzulage bei der Riester-Rente von derzeit 154 auf 175 Euro. Betriebs- und Riester-Renten sollen zudem in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung teilweise nicht mehr angerechnet werden. Anrechnungsfrei bleiben Leistungen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge in Höhe eines Sockelbetrags von 100 Euro zuzüglich 30% des übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge. Die Obergrenze beträgt 50% der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII – derzeit (2017) 204,50 Euro.