Im Blickpunkt: Neuer Protektionismus durch Verschärfung der Investitionskontrolle

Von Dr. Sebastian Jungermann

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Die Untersagung von Übernahmen durch Ausländer aus Gründen der nationalen Sicherheit gewinnt weltweit zunehmend an Bedeutung. Erstmals hat nun im Sommer 2018 das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zwei Transaktionen aufgrund sicherheitspolitischer Bedenken verhindert. Betroffen waren jeweils chinesische Investoren und der geplante Erwerb der Leifeld Metal Spinning bzw. einer Minderheitsbeteiligung an 50Hertz. In den USA ist das Committee on Foreign Investment (CFIUS) bereits seit 1975 recht aktiv. Zudem wurde das US-Verfahren durch den am 13.08.2018 unterzeichneten Foreign Investment Risk Review Modernization Act (FIRRMA) erneut verschärft. In Großbritannien wurde am 24.07.2018 ein National Security and Investment White Paper veröffentlicht, um die Investitionskontrolle zu verschärfen. Neben Deutschland und Großbritannien haben auch andere EU-Mitgliedstaaten ihre Regelungen verschärft, wie etwa Frankreich, Dänemark, Spanien, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Portugal und Finnland. Im September 2017 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine entsprechende Verordnung unterbreitet.

Verschärfung der deutschen Investitionskontrolle

Das BMWi kann zur Vermeidung von Sicherheitsgefahren den Erwerb inländischer Unternehmen durch ausländische Käufer überprüfen und gegebenenfalls untersagen. Grundlage dafür sind das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und insbesondere die Außenwirtschaftsverordnung (AWV). AWG und AWV wurden im Juli 2017 geändert, und die Kontrolle wurde verschärft. Anlass waren Sicherheitsbedenken und die zunehmende Übernahme deutscher Unternehmen aus dem Spitzentechnologiesektor durch chinesische Unternehmen, wie etwa Kuka, Aixtron, OSRAM Licht und andere. In der Regel findet ein sektorübergreifendes Investitionsprüfverfahren Anwendung, das für alle Branchen gilt. Davon abweichende Sonderregeln gelten für den Erwerb bestimmter Rüstungs- oder IT-Sicherheitsunternehmen, für die eine sektorspezifische Prüfung vorgesehen ist.

Die sektorspezifische Investitionsprüfung

Im Rahmen der sektorspezifischen Investitionsprüfung kann jeder Unternehmenskauf geprüft werden, durch den ausländische Investoren mindestens 25% der Stimmrechte an einem in Deutschland ansässigen Unternehmen erwerben. Seit Juli 2017 ist eine solche Transaktion nunmehr zwingend anzumelden, andernfalls droht dauerhaft schwebende Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Erwerbsgeschäfts. Geprüft wird, ob der konkrete Erwerb wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Betroffen sind Unternehmen, die in besonders sicherheitssensiblen Bereichen tätig sind, wie Hersteller oder Entwickler von Kriegswaffen und anderen militärischen Schlüsseltechnologien, von besonders konstruierten Motoren oder Getrieben für gepanzerte militärische Kettenfahrzeuge und von Produkten mit IT-Sicherheitsfunktionen, die für die Verarbeitung staatlicher Verschlusssachen genutzt werden. Ähnliches gilt für hochwertige Erdfern­erkundungssysteme.

Die sektorübergreifende Investitionsprüfung

Die sektorübergreifende Investitionsprüfung betrifft Unternehmenskäufe, durch die Investoren mit Sitz außerhalb der EU oder des EFTA-Raums mindestens 25% der Stimmrechte an einem in Deutschland ansässigen Unternehmen erlangen. Maßstab einer Prüfung ist hier, ob der konkrete Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Konkret wird untersucht, ob eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Betroffen sind hier insbesondere kritische Infrastrukturen in den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung sowie Finanz- und Versicherungswesen. Für Betreiber einer kritischen Infrastruktur gilt ebenfalls eine Anmeldepflicht, andere Transaktionen aus diesem Bereich können angezeigt werden. Zur Erlangung frühzeitiger Rechtssicherheit kann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt werden, so dass bei Nichteröffnung eines Prüfverfahrens die Bescheinigung als erteilt gilt.

Die 20%-Beteiligung an 50Hertz

Ende Juli 2018 hat das BMWi den Erwerb einer 20%-Beteiligung an 50Hertz durch die chinesische State Grid Corporation of China vereitelt. 50Hertz betreibt etwa 10.000 Kilometer Stromleitungen im Osten Deutschlands, in Berlin und Hamburg und damit eine kritische Infrastruktur. Aufgrund eines EU-Kartellverfahrens entschieden sich die großen Energieerzeuger, ihre Netze zu veräußern. Die zum Verkauf stehende Vatenfall-Gesellschaft wurde in 50Hertz Transmission GmbH umbenannt und im Mai 2010 an das belgische Staatsunternehmen Elia (60%) und die australische IFM (40%) veräußert. Nachdem sich IFM zum Ausstieg entschied, erwarb Elia Anfang 2018 durch Ausübung eines Vorkaufsrechts eine Beteiligung von 20%. Elia erhöhte damit ihre Beteiligung an 50Hertz auf 80%. Zuvor war auch die chinesische State Grid Corporation of China (SGCC) am Erwerb interessiert. SGCC ist der staatliche chinesische Netzbetreiber. SGCC liegt mit rund 350 Milliarden US-Dollar Umsatz auf Platz 2 der Fortune-Liste der weltgrößten Unternehmen (2018 Fortune Global 500).

Als IFM ihre Restbeteiligung veräußern wollte, stand SGCC erneut als potentielle Erwerberin parat. Elia hatte kein Interesse an einer weiteren Aufstockung. Mangels Wettbewerbsposition zu SGCC kam weder eine fusionskontrollrechtliche Untersagung noch eine Untersagung aus Gründen der Investitionskontrolle in Betracht, da die Aufgreifschwelle von 25% nicht erreicht war. Dank der erneuten Ausübung des Vorkaufsrechts durch Elia hat die Bundesregierung sodann den Erwerb der 20%-Beteiligung durch SGCC vereitelt. Nach Absprache mit dem BMWi verkaufte IFM Ende Juli 2018 den 20%-Anteil an Elia, die diesen umgehend an die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) weiterveräußerte. Durch ein sogenanntes Zuweisungsgeschäft wies der Bund die KfW an, die Beteiligung von Elia nach der Ausübung des Vorkaufsrechts zu erwerben, um die Beteiligung dort zu parken und gegebenenfalls weiter zu veräußern.

Leifeld Metal Spinning

Die 1891 in Ahlen gegründete Leifeld Metal Spinning AG stellt Werkzeugmaschinen zur spanlosen Metallumformung hochfester Materialien her. Eingesetzt werden die Produkte etwa für Propellerhauben oder Triebwerks­teile in der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrtindustrie wie in der Nuklearindustrie. An einem Erwerb war die französische Manoir Group interessiert, die wiederum von der chinesischen Yantai Taihai Group kontrolliert wird. Nach eingehender Prüfung hat die Bundesregierung am 01.08.2018 die vorsorgliche Untersagung beschlossen und dies mit sicherheitspolitischen Bedenken begründet. Durch Aufgabe des Erwerbs und Rücknahme des Antrags auf Unbedenklichkeitsbescheinigung kam die Manoir Group einer förmlichen Untersagung zuvor.

Fazit

Wie die beiden Fälle deutlich machen, zeigt sich die ­Bundesregierung handlungsfähig. Zudem hat der Bundesrat am 27.04.2018 aufgrund der neu beurteilten Risikolage beschlossen, das Außenwirtschaftsrecht erneut zu ändern. Angedacht sind unter anderem eine Absenkung der Aufgreifschwelle von 25% auf 10% oder 15% oder ein offener Tatbestand der „erheblichen Einflussmöglichkeit“. Für Transaktionen wird das Investitionskontrollrecht, wie das Fusionskartellrecht auch, ein globales Thema. Investitionskontrollprüfungen werden zukünftig in mehreren Jurisdiktionen ausgelöst. Transaktionsprozesse werden komplexer und dauern länger, kartellrechtliche Fristen werden selten mit außenwirtschaftsrechtlichen Fristen gleichlaufen. Die hinzukommenden Untersagungs- und Auflagenrisiken sollten im Unternehmenskaufvertrag entsprechend geregelt werden. Bei Transaktionen, die der deutschen Investitionskontrolle unterliegen, ist entweder zwingend anzumelden oder zu empfehlen, diese dem BMWi anzuzeigen oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu beantragen, um das Risiko etwaiger Maßnahmen zeitlich zu begrenzen. Andernfalls droht fünf Jahre Ungewissheit oder gar dauerhaft schwebende Unwirksamkeit des Erwerbsgeschäfts.

sebastian.jungermann@arnoldporter.com

24 replies on “Ist die deutsche liberale Investitionsfreiheit in Gefahr?”

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