Gekommen, um zu bleiben: Deutscher AnwaltSpiegel im Gespräch mit Dr. Alexander Bayer und Dr. Richard Schloetter von Wragge Lawrence Graham & Co

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Der Start in Deutschland erfolgte 2008 noch unter dem Brand „Wragge“, und zwar mitten in der Finanzkrise. Die Kanzlei ist jedoch erkennbar angetreten, um dauerhaft hier zu bleiben: Die heute fusionierte Sozietät Wragge Lawrence Graham & Co hat sich im Münchener Rechtsmarkt fest etabliert, Anspruch und strategische Zielsetzungen gehen aber deutlich darüber hinaus. Thomas Wegerich sprach dazu mit Dr. Alexander Bayer und Dr. Richard Schloetter. Lesen Sie selbst.

AnwaltSpiegel: Herr Bayer, Herr Schloetter, bitte skizzieren Sie für unsere Leser die Story, das Wettbewerbsumfeld und die Marktpositionierung ihrer britischen Sozietät in Deutschland.

Bayer: Unsere heutigen Partner in Großbritannien verfügten bereits vor dem eigenen Start in München über sehr gute Mandatsbeziehungen in Deutschland. Es gab erhebliches Verweisgeschäft, das von anderen Kanzleien abgearbeitet wurde. Als möglichen Standort hatte Wragge Deutschland zunächst gar nicht auf dem Radar. Das Intellectual-Property-Team in Großbritannien hat diesen Schritt dann forciert. Und wir haben ihn umgesetzt. Gemeinsam mit meinem Partner Michael Schneider habe ich 2008 für Wragge ein Büro in München eröffnet.
Schloetter: Und auch wenn unser Start zu einem von außen betrachtet ungünstigen Zeitpunkt erfolgte, hat uns das mit der Ausrichtung auf den gewerblichen Rechtsschutz nicht so tangiert wie andere Kanzleien. Wir haben uns seitdem beständig entwickelt und sind heute ein schlagkräftiges Büro mit inzwischen zehn Berufsträgern.

AnwaltSpiegel: Und wie habe ich mir die Einbindung des deutschen Büros in das internationale Wragge-Lawrence-Graham-­Netzwerk vorzustellen?

Schloetter: Wir sind als Teil einer in Großbritannien seit vielen Jahren etablierten Sozietät sehr gut eingebunden. Anders als einige Wettbewerber von uns sind wir kein separates Profitcenter oder Satellitenbüro. Obgleich gänzlich integriert, haben wir die für unseren Markt erforderlichen Freiheiten. Damit meine ich: In Deutschland etwa orientieren wir unser Geschäft an den Gegebenheiten in diesem Markt, wir haben auch – insbesondere in Bezug auf Honorare – keine Vorgaben aus Großbritannien. Hinzu kommt, dass wir mit Blick auf unsere internationale Ausrichtung viel seltener von Mandatskonflikten betroffen sind als viele andere Häuser und insbesondere lokale Großkanzleien. Für den Ausbau unserer Mandatsbeziehung in den USA ist das besonders wichtig. Wir haben dort viele Kontakte und Kooperationen mit anderen Kanzleien, für die wir ein interessanter Partner sind. Und zwar, weil Wragge Lawrence Graham & Co dort keine eigenen Büros unterhält.
Bayer: Und um Ihre Frage ganz konkret zu beantworten: Wragge Lawrence Graham & Co operiert standortübergreifend in Practice Groups und Sector Groups. Das für uns sehr relevante US-Geschäft wird zudem über einen sogenannten US Sales Desk organisiert, also mit einer kanzleiweit einheitlichen Akquisitionsstrategie für den gesamten nordamerikanischen Markt. Hier sind kanzleiweit Partner eingebunden, wir stimmen uns innerhalb dieser Gruppe eng ab mit den Kollegen. Insgesamt kann ich sagen, dass Deutschland im Rahmen der Gesamtstrategie der Kanzlei einen hohen Stellenwert hat; wir erleben ein klares Commitment unserer Partner in Großbritannien. Dafür wird von uns natürlich auch erwartet, dass wir hier Geschäft entwickeln. Und das tun wir. Unsere Mandate kommen längst nicht nur aus dem großen Wragge-Lawrence-Graham-&-Co-Netzwerk, im Gegenteil.

AnwaltSpiegel: Gleichwohl ist das Team in Deutschland überschaubar groß. Ist der heutige Zuschnitt Ihrer ­Sozietät schon die ideale Aufstellung an einem gerade im IP heiß umkämpften Markt wie München?

Schloetter: Noch nicht ganz. Wir beabsichtigen uns personell stärker aufstellen. Wenn wir zukünftig etwa 15 Kollegen im gewerblichen Rechtsschutz wären, dann wäre das schon eine Einheit, die uns vorschwebt. Strategisch ist es so, dass IP – wenn ich das einmal so formulieren darf – die Speerspitze für den Eintritt in den deutschen Markt ist. Darauf haben wir uns in den vergangenen Jahren auch erfolgreich konzentriert. In einem nächsten Schritt können wir uns gut vorstellen, weitere Rechtsbereiche abzudecken. Wichtig ist uns, dass wir immer ein profitables Wachstum erreichen.
Bayer: Da kann ich nur zustimmen, denn Wachstum um jeden Preis ist kein Ziel, das wir anstreben. Zwar sind wir immer offen für Opportunitäten im Markt, aber lediglich Umsatz einkaufen – etwa durch die Aufnahme von Teams aus anderen Häusern – werden wir nicht, wenn wir nicht hinreichend sicher sind, dass wir damit eine nachhaltig positive strategische Entwicklung einleiten würden. Das gilt im Übrigen nicht nur für den Standort München, denn wir gehen davon aus, dass wir mittel- und langfristig auch in anderen deutschen Städten vertreten sein werden. Und auch hier gilt: Die Qualität und die Reputation möglicher Quereinsteiger ist entscheidend.

AnwaltSpiegel: Lassen Sie uns einmal die Blickrichtung ändern. Der Unified Patent Court (UPC) steht vor der Tür – und damit ein neues System, das im IP-Markt für noch mehr Wettbewerb sorgen wird. Wie bereiten Sie sich darauf vor, und was bedeutet das für eine Sozietät Ihres Zuschnitts in Deutschland und international?

Schloetter: Keine Frage: Der Wettbewerb wird durch den UPC nochmals erheblich intensiver und internationaler werden. Wir sehen das Thema vor dem Hintergrund unserer Praxen in Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Für unsere Mandanten wird ausschlaggebend sein, dass sie sich in allen drei Ländern und Jurisdiktionen auf ein gleich hohes und gleichbleibend hohes IP-Niveau unserer Büros verlassen können.
Bayer: Und auch für unsere US-Mandanten ist das Thema UPC nicht zu unterschätzen. Wir bereiten die mit uns zusammenarbeitenden Unternehmen und US-Kanzleien bereits seit langer Zeit darauf vor.

AnwaltSpiegel: Lassen Sie uns zum Schluss noch über die zukünftige strategische Ausrichtung von Wragge Lawrence Graham & Co sprechen, auch über 2015 hinaus. Wo geht die Reise hin?

Bayer: Unsere klare Zielsetzung ist es, neben dem gewerblichen Rechtsschutz weitere Bereiche aufzubauen. Dabei interessieren uns vorrangig die unseren Kerngebieten verwandten Themen, etwa IT, Kartellrecht und Pharmarecht. Mit Dr. Ina Gerstberger haben wir ja bereits eine Kollegin an Bord, die sich über ihr Kerngebiet Food/Life Science um die Schnittstellen zu letzterem kümmert.
Schloetter: Eines muss man klar sagen: Eine echte Herausforderung ist es, für den weiteren Ausbau unseres Angebots in Deutschland die richtigen Kandidaten zu gewinnen. Dabei haben unternehmerisch ausgerichtete Kollegen bei uns alle Freiheiten, um sich zu entwickeln. Die Mandatsarbeit ist bei uns wie in einer Großkanzlei gestaltet. Wir sind aber eben keine.

AnwaltSpiegel: Meine Herren, vielen Dank für die ­Einblicke, die Sie unseren Lesern gewährt haben. Wir werden die Entwicklung Ihrer Sozietät im deutschen Rechtsmarkt weiter verfolgen.

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