Strafrechtliche Auswirkungen der EU-weiten Neuregelung von Geschäftsgeheimnissen
Von Dr. Ingo Bott

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Einleitung

Der Erfolg eines Unternehmens gründet auf seinem besonderen Wissen. Das Unternehmen tut daher gut daran, seine Konstruktionspläne, Kundendaten oder Rezepte streng geheim zu halten. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Innovationskraft, die Wettbewerbsfähigkeit und letztlich auch den Fortbestand eines Unternehmens werden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zudem gesetzlich geschützt. Erstaunlich ist jedoch, dass dieser Schutz EU-weit von Land zu Land unterschiedlich ausfällt.

Es ist daher grundsätzlich erfreulich, dass sich die Europäische Kommission der Aufgabe einer Vereinheitlichung angenommen hat. Bereits zum 28.11.2013 hat sie einen Richtlinienvorschlag vorgelegt [COM(2013) 813]. Da das Vorhaben dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegt, verständigten sich die Kommission, der Rat und der im Europäischen Parlament federführende Rechtsausschuss (JURI) informell auf eine gemeinsame Position, die am 18.12.2015 veröffentlicht wurde. Es ist zu erwarten, dass dieser Schritt in die richtige Richtung auch Auswirkungen auf das Strafrecht haben wird.

Abstrakter Ausblick: das Ergebnis der Verständigung auf EU-Ebene

Kern des Kommissionsentwurfs ist insbesondere eine gesetzliche Definition, welche Voraussetzungen an das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses zu stellen sind und wer dessen Träger sein kann (Art. 2). Außerdem wird geregelt, wann Geschäftsgeheimnisse rechtmäßig

(Art. 2a) bzw. rechtswidrig (Art. 3) erworben, genutzt oder offengelegt werden. Klarstellend verweist der Entwurf darauf, dass Arbeitnehmer die während ihrer Beschäftigung gewonnenen Kenntnisse nach Ablauf des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich für sich nutzen dürfen. Zudem sollen Whistleblower Geschäftsgeheimnisse offenbaren dürfen, wenn sie illegale Handlungen aufdecken und dies dem öffentlichen Interesse dient.

Status quo: die aktuelle deutsche Regelung

In Deutschland werden Geschäftsgeheimnisse bisher ohne eine Legaldefinition unter den in § 17 UWG genannten Voraussetzungen strafrechtlich geschützt. Nach ständiger Rechtsprechung fallen darunter alle Tatsachen, die nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und damit nicht offenkundig sind und hinsichtlich derer der Betriebsinhaber ein wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse hat (vgl. BGHSt 41, 140, 142). Bei der Frage, ob ein Betriebsgeheimnis vorliegt, sind nach derzeitiger deutscher Rechtslage neben einem entsprechenden Willen des Geschäftsinhabers auch objektive Anknüpfungspunkte erforderlich.

Konkreter Ausblick: die Neuregelung des Geschäftsgeheimnisses

Im aktuellen Trilog heißt es in Art. 2 Abs. 1:

„Trade secret means information which meets all of the following requirements:

(a)           is secret in the sense that it is not, as a body or in the precise configuration and assembly of its components, generally known among or readily accessible to persons within the circles that normally deal with the kind of information in question;

(b)           has commercial value because it is secret;

(c)           has been subject to reasonable steps under the circumstances, by the person lawfully in control of the information, to keep it secret.“

Von besonderem Interesse ist die – obligatorische – Anknüpfung an Geheimhaltungsmaßnahmen (lit. c). Diese kann zwar nach derzeitiger Lage auch im deutschen Recht eine gewichtige (Indiz-)Rolle spielen, muss es aber nicht. So ist zweifelhaft, ob durch den neuen Ansatz viel gewonnen ist. Zwar mag die Idee der (relativ) objektiven Orientierung vielversprechend sein, angesichts fehlender Maßgaben dafür, wann die durch den Unternehmer vorgenommenen Schritte nun vernünftig (reasonable) gewesen sein mögen oder eben nicht, drohen hier aber gegebenenfalls alte Abgrenzungs- und Definitionskämpfe unter neuem Namen. Der nationale Gesetzgeber hat es in der Hand, genau dies zu verhindern, indem er klar regelt, was sinnvolle Geheimhaltungsmaßnahmen sein können und sollen.

Weiterhin offen bleibt die Frage, wann und wie ein Geheimnis so beschafft oder verwendet wird, dass der Vorgang strafrechtlich relevant ist. Nach der aktuellen Regelungslage richtet sich die Strafbarkeit danach, ob Geheimnisse unbefugt verschafft oder verwertet werden (§ 17 Abs. 1, 2 UWG). Der Begriff der Befugnis ist auch hier nicht gesetzlich definiert. Ob eine Handlung unbefugt ist, bemisst sich abermals nach den von der Rechtsprechung entwickelten Leitsätzen. Einer unbefugten Geheimnisverwertung kann etwa entgegenstehen, dass der Geheimnisinhaber eingewilligt hat oder aber ausnahmsweise ein die unternehmerische Geheimhaltung überragendes Interesse vorliegt.

Auch hierzu nimmt der Kommissionsvorschlag Stellung: In Art. 3 Abs. 3 führt er aus, dass ein Geschäftsgeheimnis (bereits) dann rechtswidrig genutzt oder offengelegt wird, wenn der Geschäftsinhaber dem nicht zustimmt:

„The use or disclosure of a trade secret shall be considered unlawful whenever carried out, without the consent of the trade secret holder by a person who is found to meet any of the following conditions:

(a)           have acquired the trade secret unlawfully;

(b)           be in breach of a confidentiality agreement or any other duty not to disclose the trade secret;

(c)           be in breach of a contractual or any other duty to limit the use of the trade secret.“

Das im Sinne einer notstandsartigen Güterabwägung legitime Nutzen eines Geheimnisses ist zwar nicht vorgesehen. In Art. 4 sind dafür konkrete weitere Ausnahmekonstellationen, insbesondere das Whistleblowing, genannt. Ob und wie sich Befugnisfragen in Zukunft gleichwohl noch auf Rechtfertigungsebene stellen, wird zu diskutieren sein.

Bewertung: Same same, but different?

Als nächste Schritte müssen Rat und Europäisches ­Parlament den Trilog formell annehmen. Die 1. Lesung im Plenum des Parlaments war für den 13.04.2016 ­angesetzt. Wird die Richtlinie verabschiedet, entfaltet sie zwar keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten, muss aber innerhalb von 24 Monaten nach Erlass in nationales Recht umgesetzt werden (Art. 18 Abs. 1).

Ob dadurch tatsächlich viel gewonnen wird, ist keineswegs sicher. Zweifelsohne ist es begrüßenswert, wenn Unternehmen sich innerhalb der EU darauf verlassen können, dass ihre Geschäftsgeheimnisse geschützt werden und sich die Gesetzgebungsorgane darum bemühen, das in einem möglichst großen, möglichst identischen Umfang zu gewährleisten. Diese neue – und in jedem Fall weitergehende – europäische Einheitlichkeit ist einerseits ein großes Plus. Andererseits zieht allein durch den Trilog noch nicht die Morgendämmerung der Rechtsklarheit herauf. Es droht vielmehr nicht zuletzt aufgrund der teilweise offenen Formulierungen eine Verlagerung altbekannter Probleme in neue Begrifflichkeiten.

Unter dem Strich steht damit ein legislativer Ansatz, der grundsätzlich geeignet ist, für mehr rechtliche Klarheit zu sorgen, und der zudem für wirtschaftliches, unternehmerisches Handeln im europäischen Raum einige Vorteile mit sich bringen kann. Ob und wie diese Vorteile durch die konkrete Umsetzung des Vorhabens tatsächlich entstehen, wird allerdings genau zu beobachten sein.

Kontakt: bott@strafrecht.de

 

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