Erhöhte bauliche Anforderungen an Pflegeheime und ihre Auswirkungen auf Bestands- und Neumietverträge

Von Dr. Nicola Wiesinger und Dr. Philip Huperz

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Einleitung

Die baulichen Anforderungen an (Pflege-)Heime wurden seit 1978 durch eine Bundesverordnung geregelt. Die sogenannte Heimmindestbauverordnung (HeimMindBauV) stellte neben den Anforderungen des Baugesetzbuchs und der Landesbauordnungen zusätzliche Anforderungen an den Bau und den Betrieb von Pflegeheimen. Im Zuge der Föderalismusreform I ist die Zuständigkeit für das Heimrecht auf die Länder übergegangen. Damit steht die Gesetzgebungskompetenz für die bisher auf Bundesebene geltenden pflegeheimspezifischen Regelungen seit 2006 den Ländern zu.

Die HeimMindBauV stellte absolute Mindeststandards auf und entsprach vielfach nicht mehr den Ansprüchen, die heute an eine moderne Form der Pflege gestellt werden. Daher wurden auf Länderebene zahlreiche Gesetze und Verordnungen erlassen, die erweiterte bauliche Anforderungen an Heime sowie an die Selbstbestimmung der Bewohner und ihre Pflege stellen. Für bestehende Heime wurden vielfach relativ lange Übergangsfristen für die Anpassung an die neuen Anforderungen gewährt. Viele dieser Übergangsfristen laufen jedoch demnächst aus oder sind bereits ausgelaufen (etwa Bayern 2016, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz 2018, Baden-Württemberg 2019). Der Ablauf der Übergangsfristen hat direkte Auswirkungen auf Pflegebetriebe. So teilte der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann kürzlich mit, Pflegeheimen solle ein Belegungsstopp verordnet werden, sofern die Einzelzimmerquoten zum Ablauf der Übergangsfrist (31.07.2018) nicht eingehalten würden. Dies wird zu einer weiteren Verschärfung des bereits bestehenden und perspektivisch steigenden Nachfrageüberhangs führen. So prognostiziert das Immobiliendienstleistungsunternehmen CBRE bis zum Jahr 2030 einen Ergänzungs- und Substitutionsbedarf von etwa 620.000 Plätzen.

Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden geänderte baurechtlichen Anforderungen an Pflegeheime und daraus resultierende Auswirkungen auf bestehende Mietverträge mit Betreibern von Pflegeheimen exemplarisch dargestellt werden.

Neuregelungen der Länder

Im Lauf der vergangenen Jahre haben alle Länder von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht.

Erhöhte bauliche Anforderungen

In jedem Bundesland bestehen mittlerweile eigene Gesetze, die die grundsätzlichen Anforderungen an Heime regeln. Außer in Bremen, Hessen, Niedersachsen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden die baulichen Anforderungen an Heime dabei in speziellen Gesetzen und Verordnungen geregelt, so dass die Heimmindestbauverordnung hier nicht mehr gilt. In den sechs genannten Bundesländern findet hingegen weiterhin die Heimmindestbauverordnung Anwendung. Die Landesgesetzgebung dieser Bundesländer hat jedoch die Möglichkeit, von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch zu machen und eigene Landesheimgesetze zu erlassen, um insbesondere baurechtliche Vorgaben für Heime vorzugeben.

Die in den Ländern neu geltenden Regelungen gehen meist erheblich über die Anforderungen hinaus, die die HeimMindBauV an Heime gestellt hat. So wird etwa in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die maximale Bettenanzahl pro Heim grundsätzlich auf 100 bzw. 80 Betten begrenzt. In Baden-Württemberg und Hamburg ist ein Einzelzimmeranteil von 100% vorgeschrieben. Nordrhein-Westfalen fordert diesbezüglich 80% für Bestandsheime und 100% für Neubauten, Schleswig-Holstein 75% und Berlin 60%. In Nordrhein-Westfalen gilt diese Anforderung auch bei bestehenden Heimen grundsätzlich ab dem 01.08.2018 und in Baden-Württemberg ab dem 01.09.2019.

Eine Konsequenz der gesetzlichen Vorgaben wird sein, dass die Anzahl der Pflegeplätze stark reduziert wird. Dies betrifft sowohl Bestandsheime, sofern und soweit keine Übergangsvorschriften die Fortführung von Heimen, die den neuen gesetzlichen Maßgaben nicht entsprechen, ermöglichen, als auch Neubauten. Gleichzeitig ist eine Kompensation – jedenfalls in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen – nicht durch eine schlichte Vergrößerung der Heime möglich.

Weiterhin werden auch im Hinblick auf die bauliche Ausstattung der Heime erhöhte Anforderungen gestellt. So müssen in Bayern stationäre Einrichtungen vollumfänglich den Anforderungen der DIN 18040-2 – Barrierefreies Bauen – genügen. In Hamburg gilt die DIN-Norm über eine Verweisung auf die Bauordnung, jedoch ohne die „Weitergehenden R-Anforderungen“. In Sachsen muss es möglich sein, die Einrichtungen entsprechend der DIN 18040-2 barrierefrei zu erreichen und zu nutzen. Sollte es der Bedarf der Bewohner erfordern, muss dies darüber hinaus auch für die von den Bewohnern genutzten Räume gelten.

Vor allem ältere Heime werden diesen Anforderungen nicht genügen. In den nächsten Jahren werden daher vermehrt Umbau- und Renovierungsanstrengungen unternommen werden müssen, um die (bestehenden) Heime an die neuen gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Im Verhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Heimbetreiber ist dabei vor allem zu klären, wer die Kosten für die zum Teil umfangreichen Arbeiten tragen soll.

Bestandsschutz

In einigen landesrechtlichen Vorschriften – wenn auch nicht in allen – sind Regelungen zum Bestandsschutz vorgesehen. So ist beispielsweise in Schleswig-Holstein bei stationären Einrichtungen, die bei Inkrafttreten der Ausführungsverordnung in Betrieb oder im Bau sind oder für die bereits eine Baugenehmigung beantragt worden war und die die neuen Anforderungen nicht erfüllen, die bundesrechtliche Heimmindestbauverordnung weiter anzuwenden, vgl. § 51 Abs. 1 Durchführungsverordnung zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz Schleswig-Holstein (SbStG-DVO SH). Wie auch bei sonstigen baurechtlichen Vorschriften endet der Bestandsschutz jedoch spätestens bei Renovierung oder Umbau des Heims.

Auswirkungen auf Mietverträge 

Die geänderten landesgesetzlichen Vorgaben können unmittelbare Auswirkungen auf Bestandsmietverträge haben und sollten bei dem Abschluss neuer Mietverträge berücksichtigt werden.

Durch die erhöhten baulichen Anforderungen können Umbaumaßnahmen erforderlich sein, um die landesheimrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Häufig in der Praxis anzutreffende Themen sind beispielsweise der Umbau von Doppelzimmern in Einzelzimmer oder die Anpassung sanitärer Einrichtungen. Auch kann eine Nutzungsänderung seitens des Mieters gewünscht sein, um das Pflegeheim nachhaltig wirtschaftlich betreiben zu können. Zu beobachten ist insoweit ein Trend hin zu betreutem Wohnen in Verbindung mit ambulanter Pflege und/oder Tagespflege, gerade vor dem Hintergrund der seit der PSG-II-Reform stärkeren Förderung der ambulanten im Vergleich zur stationären Pflege.

Bestandsverträge enthalten häufig keine klaren Regelungen zu diesen Regelungskomplexen. Es stellen sich daher bei Bestandsmietverträgen diverse Fragen, die nicht immer ausdrücklich geregelt sind, beispielsweise: (i) Welche Partei des Mietvertrags ist zur Vornahme der erforderlichen Umbaumaßnahmen berechtigt und verpflichtet? (ii) Führt die heimrechtlich zwingende Verringerung der Anzahl an Pflegeplätzen zu einer Verringerung der Miete? (iii) Darf der Mieter seine Nutzung umstellen?

Für die Beantwortung dieser Fragen ist die konkrete Ausgestaltung der vertraglichen Regelungen entscheidend. Ist im Mietvertrag als vereinbarter Nutzungszweck beispielsweise der „Betrieb eines Pflegeheimes“ oder der „Betrieb eines Heimes im Sinne des Heimgesetzes“ vereinbart, ist zu klären, ob die gewünschte künftige Nutzungsart nach den maßgeblichen landesheimbaurechtlichen Normen unter die vertraglich vereinbarte Definition des Nutzungszwecks fällt oder ob die beabsichtigte Nutzungsänderung der Zustimmung des Vermieters bedarf. Weiterhin kann in Frage stehen, ob eine bestimmte Soll-Beschaffenheit mietvertraglich vereinbart ist und in wessen Verantwortlichkeit es fällt, wenn die ursprüngliche Nutzung nicht mehr fortgesetzt werden kann. Sofern beispielsweise die Vermietung eines Pflegeheims mit einer im Mietvertrag genau benannten Anzahl an Pflegeplätzen vereinbart ist, ist im Einzelfall zu klären, ob die aufgrund landesheimbaurechtlich vorgegebener Obergrenzen erforderliche Verringerung der Pflegeplätze einen Sachmangel darstellt oder ob das Risiko insoweit beim Mieter liegt. Unmittelbar cashflowrelevant kann auch die Frage sein, ob eine Verringerung der Anzahl an Pflegeplätzen den Mieter zu einer Verringerung der Miete berechtigt.

Werden Mietverträge über Pflegeheime neu geschlossen, können die Vertragsparteien solche Unklarheiten durch eine sorgsame Vertragsgestaltung vermeiden. Insoweit sollten insbesondere die folgenden Fragen zwischen den Parteien besprochen und geklärt werden: (i) Soll die Miete abhängig sein von der Anzahl der Pflegebetten? (ii) Soll der Mieter dazu berechtigt sein, den Mietgegenstand für andere Wohnformen zu nutzen? (iii) Darf der Mieter umbauen, sofern dies heimrechtlich erforderlich wird? (iv) Wer trägt in diesem Fall die Kosten?

Ausblick

Der Pflegemarkt ist ein Wachstumsmarkt, insbesondere aufgrund der demographischen Entwicklung. Die Nachfrage nach Pflegeplätzen übersteigt zunehmend das Angebot. Das seit der Föderalismusreform zunehmend fragmentierte regulatorische Umfeld stellt die Marktbeteiligten vor Herausforderungen. Mit diesen Herausforderungen kann umgegangen werden.

nicola.wiesinger@gsk.de

philip.huperz@gsk.de

 

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