BFH verzichtet auf konkrete Normenkontrolle: Keine höchstrichterliche Entscheidung durch BVerfG
Von Wilfried W. Krauß und Hugo Meichelbeck

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Das Verbot, die Gewerbesteuer und damit zusammenhängende Nebenleistungen bei der Ermittlung des Gewinns zu berücksichtigen, ist auch im Hinblick auf Personengesellschaften mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10.09.2015 klargestellt (Az. IV R 8/13, DStR 2015, 2539). Einkünfte einer Personengesellschaft dürfen dementsprechend steuerlich ungemindert deren Gesellschaftern zugerechnet werden. Auf eine konkrete Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verzichtete der BFH.

Streitpunkt war die außerbilanzielle Hinzurechnung im Steuerbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung der zuvor bei einer vollbeendeten OHG abgezogenen Gewerbesteuer als Betriebsausgabe. Damit entwickelte der BFH seine Rechtsprechung zur Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer für Kapitalgesellschaften (vgl. BFH vom 16.01.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 531; Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. 2 BvR 1559/14) im Hinblick auf Personengesellschaften fort.

Begründung

Zwar bestätigte der BFH entsprechend der Argumentation des Klägers, dass es sich bei Gewerbesteuern um Betriebsausgaben handelt. Es liegen betrieblich veranlasste Aufwendungen im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG vor, weil die Gewerbesteuer als ertragsorientierte Objektsteuer unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers an den Gewerbebetrieb als Steuerobjekt anknüpfe. Demnach sei zwar der Wortlaut des § 4 Abs. 5b EStG, wonach „die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen […] keine Betriebsausgaben“ sind, missverständlich formuliert. Die Vorschrift sei aber dahingehend zu verstehen, dass sie lediglich ein steuerliches Abzugsverbot für die Betriebsausgabe Gewerbesteuer darstellt.

Das Abzugsverbot begründet zwar eine Durchbrechung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des objektiven Nettoprinzips (§ 2 Abs. 2 EStG). Dies ist aber nach Ansicht des BFH durch die auch entlastenden Wirkungen der Unternehmenssteuerreform 2008 sachlich gerechtfertigt. Relevant sei, dass zugleich mit der Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer durch § 4 Abs. 5b EStG in § 35 Abs. 1 EStG der Anrechnungsfaktor der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer von 1,8 auf 3,8 erhöht wurde, wodurch bei einem bundesweit durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 400% wirtschaftlich eine nahezu vollständige Entlastung von der Gewerbesteuerschuld bewirkt werde. Darüber hinaus seien die vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 5b EStG bezweckte Verbesserung der Steuerbelastungstransparenz und Vereinfachung durch Entfall der wechselseitigen Beeinflussung der Bemessungsgrundlagen der Gewerbesteuer einerseits und der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer andererseits (vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 32, 47) nach Ansicht des BFH legitime gesetzgeberische Ziele. Mit dieser Regelung würde verhindert, dass es zu einem intransparenten Zusammenwirken der Steuern kommt. Eine genaue Zurechnung der Steuerbelastung auf die verschiedenen Gebietskörperschaften wäre ansonsten erschwert. Dabei sei zu vernachlässigen, dass Unternehmen mit Sitz in einer Gemeinde mit einem Hebesatz von mehr als 400% keine vollständige Entlastung von der Gewerbesteuer erhalten. Der Gesetzgeber könne das objektive Nettoprinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen, indem er sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bediene.

Fälle von Überbesteuerung bleiben bestehen

Das Argumentationsmuster des BFH ähnelt der be­stehenden Entscheidung zu Kapitalgesellschaften. Auch hier wurde die Einschränkung des objektiven Nettoprinzips mit den Steuerentlastungen des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 gerechtfertigt. Diese be­stehen in der Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25% auf 15% (§ 23 Abs. 1 KStG) und der Verringerung der Gewerbesteuermesszahl (§ 11 Abs. 2 GewStG) von maximal 5% auf 3,5%.

Nicht eindeutig zu behandeln sind dagegen aber diejenigen Fälle, in denen aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Hebesatzes von über 400% und möglichen Hinzurechnungen (etwa bei pachtintensiven Gewerbe­betrieben im Sinne von § 8 Nr. 1 lit. e GewStG) eine adäquate Entlastung durch § 35 EStG nicht gesichert ist und die Gesamtsteuerquote durch die anfallende Gewerbesteuer enorm erhöht ist. Die Folge ist, dass die steuerliche Entlastungswirkung des § 35 EStG in diesen krassen Überbesteuerungsfällen nicht in vergleichbarer Weise greift wie in typisch gelagerten Steuerfällen. Verfassungsrechtlichen Bedenken könnte in solchen Sonderkonstellationen aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten durch Billigkeitsmaßnahmen begegnet werden (in diesem Sinne ausdrücklich auch bereits BFH vom 16.01.2014 – Az. I R 21/12, BStBl. II 2014, 531). Die Finanzverwaltung könnte dann § 163 Satz 1 AO anwenden und Steuern aus Billigkeitsgründen niedriger festsetzen. Im Erhebungsverfahren könnte sie von der Möglichkeit der Stundung (§ 222 AO) oder des Erlasses (§ 227 AO) Gebrauch machen.

Fiskus sollte Billigkeitsmaßnahmen konkretisieren

Mit der vorliegenden Entscheidung wurde nun auch für Personengesellschaften höchstrichterlich entschieden, dass das Abzugsverbot gemäß § 4 Abs. 5b EStG keinen Verfassungsverstoß darstellt. Somit wurde die bisherige Verwaltungspraxis bestätigt und der Umgang mit § 4 Abs. 5b EStG in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass gegen das Urteil des BFH vom 16.01.2014 Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingelegt worden ist (Az. 2 BvR 1559/14). Ein Entscheidungstermin ist nach Information der zuständigen Geschäftsstelle des BVerfG derzeit nicht absehbar.

In praktischer Hinsicht bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung künftig diejenigen Fälle behandelt, in denen aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Gewerbesteuerhebesatzes und hoher gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen die steuerliche Entlastung der Unternehmenssteuerreform 2008 nicht wirkt. In deutlichen Überbesteuerungsmaßnahmen wäre es dann geboten, Billigkeitsmaßnahmen im Festsetzungsverfahren oder Erhebungsverfahren anzuwenden. Wünschenswert wäre, dass zur Reduzierung von Rechtsunsicherheiten diesbezüglich in veröffentlichten Verwaltungsanweisungen greifbare Kriterien fixiert werden.

wilfried.krauss@roedl.de

hugo.meichelbeck@roedl.de

 

 

 

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