Im Blickpunkt: Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder

Von Dr. Henning Schaloske und Dr. Rebecca Hauff

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Am 13.09.2018 fand in den Veranstaltungsräumen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Roundtable des „Deutschen AnwaltSpiegels“ zum Thema „Der professionelle Aufsichtsrat der Zukunft / Mehr Verantwortung = höhere Risiken für Unternehmenskontrolleure“ statt. Der Roundtable befasste sich mit aktuellen Trends im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit, und die Themen reichten von den wachsenden rechtlichen Anforderungen an die Mandatswahrnehmung (insbesondere auch mit Blick auf unternehmerische Good Governance) über am Markt angebotene Versicherungslösungen für Aufsichtsratsmitglieder bis hin zu Möglichkeiten zur Optimierung der Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats infolge zunehmender Digitalisierung im Unternehmen. Wir haben uns darüber gefreut, an dieser spannenden und zahlreich besuchten Veranstaltung mit einem eigenen Beitrag zu den Haftungsrisiken von Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen zu können.

Compliance und Good Governance
Nicht nur für Vorstands-, sondern auch für Aufsichtsratsmitglieder erlangen die beiden Stichwörter „Compliance“ und „Good Governance“ immer mehr Bedeutung. Denn der Aufsichtsrat hat die Pflicht, die Geschäftsführung gemäß § 111 Abs. 1 AktG zu überwachen. Da es aber beispielsweise zu den Pflichten des Vorstands gehört, ein effizientes Compliancemanagementsystem im Unternehmen einzurichten und laufend zu überwachen, hat der Aufsichtsrat mittelbar über seine Überwachungspflichten das Vorhandensein eines solchen Systems sowie dessen Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Wie eine solche Prüfung im Einzelnen ausgestaltet sein muss, hängt insbesondere vom jeweiligen Unternehmen ab. In diesem Zusammenhang – aber auch, was das weitere Tätigkeitsspektrum von Aufsichtsratsmitgliedern betrifft – ist den Aufsichtsratsmitgliedern zu raten, eng mit den Vorstandsmitgliedern zusammenzuarbeiten, um damit den Informationsaustausch zwischen beiden Organen zu fördern und dem Vorstand beratend zur Seite stehen zu können. Insofern bieten sich durch die Digitalisierung auch Chancen hinsichtlich der Informationsaufbereitung, so dass beispielsweise das Risikomanagement mit tagesaktuellen Daten überprüft werden kann.
Um den Anforderungen einer „Good Governance“ gerecht zu werden, ist bereits bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats darauf zu achten, dass die jeweiligen Mitglieder unabhängig sind und ein unterschiedliches Kompetenzprofil aufweisen. Spezialkenntnisse von Aufsichtsratsmitgliedern können allerdings nach der „Ision“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09) zu erhöhten Sorgfaltsanforderungen und damit auch einem prinzipiell höheren Haftungsrisiko führen.

Präventive und repressive Überwachung der Aufsichtsratsmitglieder
Als Mittel der präventiven Überwachung des Vorstands gilt unter anderem die Ausübung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Im Rahmen von Zustimmungsvorbehalten bedürfen bestimmte Arten von Geschäften einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat, der selbst einen Mindestkatalog an solchen zustimmungsbedürftigen Geschäften schaffen muss. Zustimmungsbedürftige Geschäfte stellen für den Aufsichtsrat grundsätzlich ein signifikantes Haftungsrisiko dar, da sie mitunter komplexe rechtliche und wirtschaftliche Abwägungsvorgänge betreffen. Denn bei einer Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung handelt das Aufsichtsratsmitglied unternehmerisch. Dies bedeutet allerdings auch, dass ihm – wie Vorstands­mitgliedern – die Business Judgement Rule gemäß § 116,
93 Abs. 1 Satz 2 AktG zugutekommt. Um Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten demnach zu minimieren, sollten Aufsichtsratsmitglieder darauf achten, dass sie eine Entscheidung auf angemessener Informationsbasis treffen und dokumentieren können.
Die nachträgliche Überwachungspflicht konkretisiert sich hauptsächlich in der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen pflichtverletzende Vorstandsmitglieder nach der „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.04.1997 – II ZR 175/95). Demzufolge hat der Aufsichtsrat im Wege einer zweistufigen Prüfung festzustellen, ob ein zum Schadensersatz verpflichtender Sachverhalt vorliegt, ob diese Forderung – gegebenenfalls unter Beschreitung des Rechtswegs – beitreibbar ist und ob ausnahmsweise aus Gründen des Unternehmenswohls von einer Anspruchsgeltendmachung abgesehen werden kann. Für diese komplexe Analyse steht den Aufsichtsratsmitgliedern nach Ansicht der Rechtsprechung kein unternehmerisches Ermessen zu. Bei einer Verletzung dieser Pflicht machen sich Aufsichtsratsmitglieder selbst schadensersatzpflichtig gegenüber der Gesellschaft.

Haftungsszenarien und Versicherungsschutz
Viele Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder realisieren sich dadurch, dass ihnen in einem Rechtsstreit der Gesellschaft gegen die Vorstandsmitglieder von Letzteren der Streit verkündet wird. Es steht dann der Vorwurf im Raum, den Vorstand nicht ordnungsgemäß überwacht und damit selbst Pflichten verletzt zu haben. Oftmals werden einzelne Aufsichtsratsmitglieder – zumeist der Aufsichtsratsvorsitzende – aber auch bereits neben den Vorstandsmitgliedern durch die Gesellschaft in Anspruch genommen.
Aufsichtsratsmitglieder sind grundsätzlich als versicherte Personen in die D&O-Unternehmenspolice einbezogen. Insofern erhalten sie in solchen Fällen – vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall – Versicherungsschutz hinsichtlich ihrer Abwehrkosten. Aufsichtsratsmitglieder haben zudem im Gegensatz zu Vorstandsmitgliedern (§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG) keinen gesetzlichen Selbstbehalt zu tragen (soweit dies die Versicherungsbedingungen nicht im Einzelfall speziell vorsehen). Da es denkbar ist, dass die gemeinsame Versicherungssumme für alle Organmitglieder einer Versicherungsnehmerin zur Deckung sämtlicher Haftungsrisiken aller versicherten Personen nicht ausreicht – eine Aufzehrung der Versicherungssumme wird insbesondere für Aufsichtsratsmitglieder befürchtet, da diese meist erst nachrangig in Anspruch genommen werden –, werden zunehmend individuelle Deckungskonzepte entwickelt. Diese umfassen Individualpolicen für Aufsichtsratsmitglieder, spezielle Deckungskonzepte wie die Two-Tier-Trigger-Policy oder Twin-Tower-Modelle. In der Praxis sollte überprüft werden, ob eine eigene oder zusätzliche Deckungssumme für Aufsichtsratsmitglieder die erhofften Vorteile gegenüber einer Unternehmenspolice mit gegebenenfalls weiteren Limits bringt.

Fazit
Die wachsenden rechtlichen Anforderungen sowie die steigende Verantwortung von Aufsichtsratsmitgliedern hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Überwachungspflichten führen gleichermaßen zu einem Anstieg ihrer Haftungsrisiken. Aufsichtsratsmitglieder dürfen sich deshalb nicht auf den bloßen „Nebenamtscharakter“ der Aufsichtsratstätigkeit verlassen, sondern sollten sich aktiv im Unternehmen über ihre Informationsrechte und Beratungspflichten einbringen und müssen bei etwaigem Fehlverhalten des Vorstands auf diesen einwirken, um sich selbst vom Haftungsvorwurf zu befreien.

henning.schaloske@clydeco.com

rebecca.hauff@clydeco.com

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