BAG: Das d’Hondtsche Höchstzahlenverfahren ist zulässig

Von Tobias Grambow

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Im kommenden Jahr finden deutschlandweit die turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Die Mitglieder des Betriebsrats werden aufgrund von Wahlvorschlägen gewählt. Die Wahl findet als Verhältniswahl statt, wenn nicht im vereinfachten Verfahren gewählt oder/und nur ein Wahlvorschlag gemacht wird. Anderenfalls erfolgt eine Mehrheitswahl.

Wahlverfahren zur Betriebsratswahl

Im Fall der Verhältniswahl werden Wahlvorschläge als Vorschlagslisten bezeichnet. Dabei soll jede Vorschlagsliste mindestens doppelt so viele Bewerber enthalten, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Es handelt sich nicht um eine zwingende Vorschrift, so dass auch Vorschlagslisten mit weniger Bewerbern zulässig sind. In den Vorschlagslisten sind die einzelnen Bewerber in erkennbarer Reihenfolge, fortlaufend nummeriert und unter Angabe von Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Art der Beschäftigung im Betrieb aufzuführen. Zudem ist dem Vorschlag die schriftliche Zustimmung der Bewerber zur Aufnahme in die Liste beizufügen, § 6 Abs. 3 Wahlordnung (WO). Ein Kandidat darf immer nur auf einer Vorschlagsliste kandidieren. Ist er auf zwei Vorschlagslisten erwähnt, muss er erklären, auf welcher davon er kandidieren möchte. Dadurch kann es passieren, dass auf einer Wahlvorschlagsliste noch Verschiebungen auftreten.

Den Wahlvorstand trifft die Pflicht, die Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten, § 7 Abs. 2 Satz 2 WO. Spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe hat der Wahlvorstand die als gültig anerkannten Vorschlagslisten bis zum Abschluss der Stimmabgabe in gleicher Weise bekanntzumachen wie das Wahlausschreiben, § 10 Abs. 2 WO. Die Wahl erfolgt durch Abgabe von Stimmzetteln. Die Stimme kann nur für eine Vorschlagsliste abgegeben werden, § 11 Abs. 1 WO. Die Stimmabgabe muss geheim erfolgen.

Die öffentliche Auszählung der Stimmen erfolgt nach dem d’Hondtschen Höchstzahlenverfahren. Es werden die Stimmzahlen, die auf die einzelnen Vorschlagslisten entfallen, der Reihe nach durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt. Die zu vergebenden Mandate entsprechen den auf diese Weise ermittelten Höchstzahlen. Die Bewerber sind in der durch die Liste vorgegebenen Reihenfolge zu berücksichtigen.

Beispiel

Im Betrieb soll ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt werden. Es wurden zwei Vorschlagslisten eingereicht. Liste A erhält 42 Stimmen und Liste B 19 Stimmen.

Liste A                           Liste B                              geteilt durch

42 Stimmen (1)           19 Stimmen (3)                1

21 Stimmen (2)           9,5 Stimmen (6)               2

14 Stimmen (4)           6,33 Stimmen                  3

10,5 Stimmen (5)        4,75 Stimmen                  4

8,4 Stimmen (7)          3,8 Stimmen                    5

Auf die Liste A entfallen damit 5, auf Liste B 2 der 7 Sitze im Betriebsrat.

Entscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 22.11.2017 – 7 ABR 35/16, Pressemitteilung Nr. 53/17) hat nun – rechtzeitig vor den anstehenden Betriebsratswahlen – dieses d’Hondtsche Höchstzahlenverfahren als zulässig für die Ermittlung der Sitzverteilung bestätigt. Eine Verletzung des Grundgesetzes liege nicht vor. Das Zählverfahren verletze weder den Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch die Koalitionsfreiheit. Zwar könne sich bei der Anwendung anderer Verfahren, etwa nach Hare/Niemeyer oder Sainte-Laguë/Schepers, eine andere Sitzverteilung ergeben. Jedoch lasse sich, so das BAG, bei der Umrechnung von Wählerstimmen in Betriebsratssitze im Fall der Verhältniswahl eine vollständige Gleichheit des Erfolgswerts einer Wählerstimme letztlich mit keinem der gängigen Sitzzuteilungsverfahren erreichen. Dies folge bereits daraus, dass nur ganze Sitze vergeben werden könnten. Das d’Hondtsche Höchstzahlenverfahren fördere darüber hinaus die Mehrheitssicherung. Es diene damit einem unter Berücksichtigung der Funktion der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung anzuerkennenden Ziel, so das BAG. Der Gesetzgeber hat einen Gestaltungsspielraum, welchem Verfahren er den Vorzug einräumt. Das ist ein anerkannter Grundsatz im Verfassungsrecht, der auch vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig herangezogen wird (vgl. etwa jüngst: Urteil vom 11.07.2017 – 1 BvR 1588/ 15 u.a. „Tarifeinheitsgesetz“).

Exkurs

Bis zur Wahl des 10. Deutschen Bundestages erfolgte die Stimmauszählung dort ebenfalls nach dem d’Hondtschen Höchstzahlenverfahren. Es wurde abgelöst durch das Verfahren nach Hare/Niemeyer. Seit der Wahl zum 17. Bundestag wird das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers angewendet.

Einschätzung

Die Entscheidung des BAG kommt gerade noch rechtzeitig und ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen. Das d’Hondtsche Höchstzahlenverfahren hat sich in der Praxis der Betriebsratswahlen bewährt und führt zu gerechten Ergebnissen. Dass es bei anderen Zahlverfahren zu divergierenden Ergebnissen kommen kann, ist dabei hinzunehmen. Schließlich hätten dann wiederum andere Bewerber das Nachsehen. Es ist dem BAG darin zu folgen, dass das d’Hondtsche Höchstzahlenverfahren einen hinreichend gleichen Zugang zu Sitzen im Betriebsrat sichert.

grambow@buse.de

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