Digitalisierung in Professional-Services-Firms – auf diese Grundprinzipien kommt es an
Von Dr. José A. Campos Nave, Jörg Schielein, LL.M., und Sebastian Schüßler
Die Digitalisierung ist fraglos ein Megatrend. Sie prägt unsere Gegenwart ebenso stark privat wie beruflich und wird sicherlich auch die Zukunft entscheidend mitbestimmen. Was in zahlreichen Branchen bereits seit Jahren zum Tagesgeschäft gehört, findet nunmehr verstärkt in der Welt der Wissensarbeiter statt – tiefgreifende Veränderungen und ein sich wandelndes Rollenbild. Mittlerweile kann ein erstes Zwischenfazit zum Stand der Dinge in der Umsetzungsphase gezogen werden. Auf dem Markt lassen sich Grundprinzipien erkennen, die für eine erfolgreiche digitale Transformation in einer Professional-Services-Firm ausschlaggebend sind. Wer sich hier in Teilen an Begriffe aus dem Changemanagement erinnert fühlt, geht nicht fehl: Digitalisierung ist unabhängig von jeglicher Technikdebatte vornehmlich als tiefgreifender und mehrdimensionaler Veränderungsprozess zu begreifen, der oftmals alle Unternehmensebenen, Marktleistungen und Ökosysteme durchdringt. Die erfreuliche Erkenntnis insoweit ist, dass Transformationen bestimmten Regeln folgen. Stringenz in Planung und Umsetzung sind auch im digitalen Zeitalter unverzichtbar. Hinzu kommen neue Lösungsansätze und agile Arbeitsweisen, die dieses neue Wirtschaften in Professional-Services-Firms prägen. Der folgende Beitrag soll hierzu einen Überblick geben.
Strategie – Orientierung schaffen
Kaum ein Thema lässt mehr Blickwinkel zu und weist mehr Spielarten auf als die digitale Transformation. Umso wichtiger ist die Orientierung an einer klaren und umfassenden Digitalisierungsstrategie. Kosmetische Einzelmaßnahmen oder ein Verzetteln in Ad-hoc-Projekten führen nicht zu einem nachhaltigen Erfolg. Wie aber kann eine solche Strategie einer Digital-Professional-Services-Firm aussehen? Im Ausgangspunkt muss die Digitalisierung – die sich nicht auf den Einsatz von digitalen Technologien beschränkt – als strategischer Schlüsselfaktor eingestuft und konsequent am Nutzen für den Mandanten ausgerichtet werden. Das aus der jeweiligen zielbestimmenden unternehmerischen Vision abgeleitete konkrete „Prozesshaus“ mag im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet sein. Die Basis wird jedenfalls eine solide IT-Infrastruktur sein, die unter anderem auf den Säulen Cloud, Mobility, IT-Sicherheit und Vernetzung ebenso wie auf dem Prinzip der Kommunikation und der Nutzung von Daten ruht. Für international tätige Unternehmen wird zudem eine global technisch integrierte Unternehmensorganisation oder eine konvergente Aufstellung erforderlich sein.
Daneben darf die Förderung einer entsprechenden digitalen Unternehmenskultur als gleichberechtigtes Strategieelement neben diesen eher technischen Aspekten nicht außer Acht gelassen werden. Allein durch Technologieeinsatz bei sonst unveränderten Unternehmenswerten wird der Wandel nicht erfolgreich gemeistert werden können. Diese Leitbilder spiegeln dabei letztlich die eigenen Transformationsmaßnahmen der Mandanten wider: Wenn deren Marktumfeld immer stärker von Themen wie Industrie 4.0, IoT, Machine-Learning, Blockchain oder digitalem Wertewandel geprägt wird, muss dies auch in die digitalen Unternehmensgrundsätze der Berater Eingang finden.
Führung und Organisation – Strategie lebendig gestalten
Im Gegensatz zu vergangenen Wandlungsprozessen, die teilweise allein von spezialisierten Abteilungen übernommen werden konnten, muss die Digitalisierung als strategisches Schlüsselthema auf allen Unternehmensebenen umgesetzt werden. Dies beginnt auf der Ebene der Topentscheider und setzt sich auf Basis einer gemeinsamen Strategie in einer passend aufgestellten Organisation fort, die diese Initiativen entscheidend mitgestaltet.
Ob nun auf Topmanagementebene neue Funktionen hinzukommen, wie etwa die eines CDOs oder CIOs, im Kern muss es darum gehen, dass Digitalisierungsaufgaben nicht von der Agenda der Geschäftsführung verschwinden und an spezialisierte „Silos“ delegiert werden. Die Unternehmensführung muss daher selbst ein wesentlicher Impulsgeber sein, die Veränderungsprozesse anzugehen, und ein klares Signal für die Dringlichkeit der Realisierung von Transformationsmaßnahmen vermitteln. Dies mag in sonst eher vom Partnerschaftsmodell geprägten Organisationsformen noch zum Teil ein Novum sein, aus der Sicht der Autoren funktioniert jedoch eine Digitalisierung im „Nebenjob“ zusätzlich zum Tagesgeschäft nur bedingt, zu groß sind die Herausforderungen an Change und Leadership.
Zudem ist zu beobachten, dass sich der Einsatz von Personal und Ressourcen verändert. Bei erfolgreichen Akteuren werden die internen IT-Einheiten als wichtige Innovationstreiber deutlich erweitert, stärker an strategischen Prozessen beteiligt und mit größeren Ressourcen ausgestattet. Auch hier zeigt sich eine Abkehr von der bisherigen eher kurzfristig angelegten Ausschüttungspraxis in partnerschaftlichen Modellen hin zu einer Erweiterung des Investitionshorizonts zugunsten einer langfristigen digitalen Strategie.
Innerhalb des internen IT-Personals hat sich eine Ergänzung der Organisationsstruktur um eine neue strategische IT-Einheit bewährt. Solchen „Digital Offices“ fällt die Aufgabe zu, zentral die Umsetzung des Transformationsprogramms zu begleiten. Hier kann ein nach den neuen Markterfordernissen zusammengesetztes Team die digitale Transformation vorantreiben und vor allem auch einen wechselseitigen Technologie- und Ideentransfer mit den einzelnen Fachbereichen leisten. Idealerweise wird ein derartiges Digital Office mit der Geschäftsführung, dem CIO sowie ausgewählten Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Digital-Leadership-Team bilden. Eine solche Koalition von Change-Agents innerhalb der Organisation kombiniert klassische zentrale Verantwortlichkeiten mit den Vorzügen einer agilen Struktur.
Wichtiger noch: Die Entstehung eines weiterführenden, eher informell strukturierten Netzwerks innerhalb der Organisation, das den Wandel vorantreibt und Synergien hebt, wird deutlich gefördert. Dies sorgt für neue Impulse, insbesondere Marktsichtung und das Erkennen von neuen (Technologie-)Trends werden so aus verschiedensten Blickwinkeln und auf vielen Ebenen realisiert, und Teilprojekte werden in einen ganzheitlichen Rahmen überführt. Speziell multidisziplinäre Beratungsunternehmen können über solche Synergien unter den einzelnen Geschäftsfeldern und Funktionen strategische Vorteile nutzen.
Damit einher geht auch eine Offenheit für neue Karrierewege, Tätigkeitsprofile, neue Rollen und Berufsbilder, die die klassischen Organisationsformen in Bezug auf die neuen Herausforderungen der Digitalisierung ergänzen. Beratungsleistungen werden nunmehr verstärkt im Verbund erbracht. Zudem profitieren sowohl Unternehmen als auch Mandanten von neuen strategisch arbeitenden Positionen, beispielsweise geschäftsfeldspezifischen Digitalisierungsmanagern, die in den jeweiligen Geschäftsfeldern gezielt Entwicklungen etwa im Bereich Legal-Tech oder der Steuerberatung vorantreiben.
Kultur – Veränderungsbereitschaft nutzen und fördern
„Culture eats Strategy for Breakfast“ – der bekannte Ausspruch von Peter Drucker bewahrheitet sich besonders bei der digitalen Transformation. Sie ist kein klar abgrenzbares „Projekt“, das allein von einer spezialisierten Gruppe in einem Unternehmen betrieben werden kann oder das an Abteilungsgrenzen halt macht.
Mensch und Technik
Gerade in Beratungsunternehmen kommt es auf Menschen an, die Technik mit ihren eigenen Beratungsleistungen innovativ vernetzen, etablierte Prozesse kritisch analysieren und Initiative ergreifen. Auf diese Weise können für Mandanten zeitgemäße Leistungen entwickelt und neue (digitale) Produkte realisiert werden. Dies bedeutet, dass die Veränderungsbereitschaft jedes Einzelnen, aber auch eine digitale Unternehmens- und Innovationskultur entscheidend für den Unternehmenserfolg werden. Den Mensch konsequent in den Mittelpunkt der Unternehmenskultur zu stellen setzt Energien frei und hilft jedem Einzelnen, die digitale Transformation auch als individuelle Chance zu verstehen. Hierbei spielt das Vorbild von Führungskräften eine zentrale Rolle im digitalen Wertewandel. Diese müssen vorleben, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter im Unternehmen mitgestaltend einen wichtigen Beitrag leisten kann. Geschäftsfeld- und hierarchieübergreifende Gremien und Innovationsteams zählen zu den bekannten Instrumenten, die einen wichtigen Wertbeitrag liefern. Darüber hinaus ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, dass der Innovationsmanagementprozess im Unternehmen entsprechend offen gestaltet ist und sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach daran beteiligen können.
Aus- und Weiterbildung, neue Arbeitsfelder
Auch in der Ausbildung der Mitarbeiter und der Führungskräfteentwicklung müssen die entsprechenden Weichen gestellt und die digitalen Kompetenzen erweitert werden. Kommunikation, Lust am Lernen von neuen Themen sowie Veränderungsbereitschaft sind konsequent zu fördern. Neben den fachbezogenen Aus- und Weiterbildungen werden Inhalte zu neuen Wirtschafts- und Technologietrends, etwa IoT oder Blockchain, immer wichtiger. Gleiches gilt für neue Methodenkompetenzen in Bezug auf moderne Kreativitätstechniken, wie etwa Design-Thinking oder im Bereich des agilen Arbeitens. Letztlich ist diese Neuausrichtung auch eine natürliche Folge der veränderten Anforderungsprofile der Mandanten, deren Geschäftsmodelle immer enger mit Technologie verwoben sind.
Innovation und Kooperation – digitale Chancen (gemeinsam) ergreifen
Eng verbunden mit dem Aspekt Kultur sind Innovation und Kooperation. Digitale Projekte selbst sind zumeist interdisziplinär angelegt und betreffen eine Vielzahl von Stakeholdern. Geschäftserfolg wird in diesen Aufgabenstellungen vor allem gemeinschaftlich erzielt, die reine „Siloarbeit“ rückt in den Hintergrund.
Innovation
Kommunikation, Interaktion und vor allem, gemeinsam zu lernen, sind wichtige neue stilbildende Faktoren. Hierbei kommt der schon in der Unternehmenskultur angelegten Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds eine zentrale Bedeutung zu. Es hat sich gezeigt, dass Teams, die in Bezug auf Hierarchie, Fachbereich oder Alter divers zusammengesetzt sind, Innovationsaufgaben meist effektiver wahrnehmen können. Hand in Hand hiermit geht die Schaffung von entsprechenden Freiräumen – es bedarf etwa Innovationsbudgets in Bezug auf Zeit und Ressourcen, innerhalb derer digitale Pionierprojekte pilotiert werden. So können innovative Trends, die sich nicht auf den Einsatz von Technologien beschränken müssen, strukturiert identifiziert, bewertet und in entsprechende Entwicklungen überführt werden, ohne dabei vom Tagesgeschäft verdrängt zu werden. Um von einem innovativen Ökosystem zu profitieren und sich nicht in fachlichen Echoräumen zu bewegen, muss auch von externen Impulsen Gebrauch gemacht werden. Austausch zu Best Practices und neuen Erkenntnissen der Organisationsentwicklung in branchenübergreifenden Verbänden werden hier ebenso in der Toolbox zu finden sein wie Innovationsprojekte mit Hochschulen. So wird sichergestellt, dass kontinuierlich Informationen über Veränderungen an den Märkten und neue (Technologie-)Trends in das Unternehmen getragen werden können.
Kooperation
Gleiches gilt für Kooperationen. Beispielsweise profitieren Unternehmen und Mandanten von der Zusammenarbeit mit Start-ups zum einen vom fachlichen Potential solch junger Unternehmen, zum anderen können klassisch strukturierte Organisationen viele wertvolle Erkenntnisse zur Innovationskultur gewinnen. Eine besondere Rolle spielt mittlerweile die Kooperation mit Mandanten etwa bei der Durchführung von „Minimum viable Product (MVP)“-Projekten oder gemeinsamen Workshops zu neuen Schlüsseltechnologien. Hier entsteht neben der klassischen Beratung bei der Mitwirkung an Innovation ein Mandatstypus eigener Art, bei dem eine gemeinschaftliche Entwicklung im Vordergrund steht. Gerade in diesen Projekten, bei denen gezielt neue Themen exploriert werden, profitieren Mandanten von interdisziplinärer Expertise und neuen Methodenkompetenzen.
Umsetzung – Mandant im Mittelpunkt: ganzheitliches Vorgehen
In der Phase der Umsetzung steht der konkrete Mandantennutzen im Zentrum der Digitalisierungsaktivitäten. Dies mag nach einer Binsenweisheit klingen, setzt aber auf Seiten der Professional-Services-Firms voraus, das bestehende Leistungsportfolio zu einem optimalen „Digital Fit” mit den Mandanten zu transformieren. Hierbei geht es keineswegs nur um den Einsatz von digitalen Werkzeugen. Ziel ist die ganzheitliche Unterstützung der Mandanten, was auch die Beratung zu Strategiefragen einschließt. Insbesondere die Kombination aus Beraterleistung, Technologieeinsatz und neuen Arbeitsmethoden führt zu erheblichen Verbesserungen in operativen Projekten und so zu einem optimalen Mandantenerlebnis.
Aus der Praxis: aktuelle Fokusthemen
Dienstleistungen, Methoden oder Technologien, bei denen Mandanten von einem innovativen Beratungsansatz besonders profitieren, seien im folgenden Abschnitt beispielhaft herausgegriffen.
Moderne Organisation und Infrastruktur als Absprungbasis
Eine konsequente Architektur der digitalen Unternehmensgrundsätze sowie der organisatorischen Aufstellung stellt sicher, dass für Mandanten eine einheitliche und in sich stimmige Beratungslandschaft etabliert werden kann. Gleiches gilt für eine internationale technische Konsolidierung und Integration der Infrastruktur und Standardisierung von Prozessen. Was wie ein rein internes Thema klingt, führt durch eine Konsolidierung von Anwendungen und Schnittstellen beziehungsweise Prozessoptimierung durch einen systematischen Ansatz für Mandanten zu spürbaren Effizienzgewinnen. Eine serviceorientierte Architektur bietet eine einheitliche und sichere Umgebung, auf die zeit- und ortsunabhängig zugegriffen werden kann. Speziell multidisziplinäre internationale Transaktionen, bei denen auch die Einhaltung besonderer Compliancevorgaben gefordert ist, profitieren von dieser technologischen Arbeitsgrundlage.
Neue Mandantenkommunikation und -kollaboration
Der sinnvolle Einsatz von Werkzeugen kann schon bei vermeintlich trivialen Themen wie dem Versand von E-Mails mit Anhängen beginnen, die in dieser Form nicht zwangsläufig hohen Sicherheitsstandards oder Anforderungen an den Datenschutz beim Austausch von sensiblen Daten entsprechen. Mittel der Wahl sind hier insbesondere Smartphone-fähige hochsichere verschlüsselte Datenaustauschplattformen. An solche Anwendungen schließen sich nahtlos digitale Kollaborationstools an, die ein mobiles und sicheres papierloses Zusammenarbeiten auf intuitiven Nutzeroberflächen ermöglichen. Der Wertbeitrag solcher Tools liegt auf der Hand: In einer sicheren Umgebung, gegebenenfalls abgerundet von Selfservicefunktionen, können Informationen über eine übersichtliche Schnittstelle ausgetauscht und bearbeitet werden. Visualisierungen und Fortschrittsanzeigen in Echtzeit erleichtern den Überblick, und Medienbrüche gehen stark zurück.
Optimierung von Geschäftsprozessen
An der Optimierung von Geschäftsprozessen orientieren sich Lösungen der automatisierten Text- und Vertragserstellung. Diese sorgen insbesondere beim Umgang mit Vertragstexten über ein zentrales Vertrags- und Dokumentenmanagement für einheitliche Vertragsgestaltung und somit für deutliche Effizienzgewinne. Gleiches gilt für die Automation der Texterstellung durch künstliche Intelligenz, basierend auf zugehörigen Datenbanken. Solche Systeme können dabei nicht nur intern eingesetzt werden, sondern ermöglichen auch Mandanten, mittels Selfservicefunktionen ihre eigenen Dokumente zu generieren.
Datennutzung und KI (BDAI)
Die nachhaltige Nutzung von Daten zum Nutzen der Mandanten gehört zweifellos zu den zentralen Innovationstreibern. Intelligente Analysemethoden und entsprechende Vernetzung der Systeme werden mehr und mehr zum Kernthema. Zum einen kann so der allgemeine Informationsanstieg in vielen Wirtschaftsbereichen bewältigt werden, zum anderen tragen diese Werkzeuge entscheidend dazu bei, bestehende Märkte zu innovieren oder neue zu erschließen. Beispiele sind etwa Datenanalysen im Bereich der Wirtschaftsprüfung oder die Digitalisierung von Fachwissen sowie die Integration solcher Lösungsansätze in die Geschäftsprozesse der Mandanten. Daneben gehört der Einsatz von KI im Transaktionsbereich zu den Hauptanwendungsfeldern. Aber auch abseits dieser bekannten Einsatzgebiete profitieren Mandanten bei weiterführenden Use-Cases von derartigen Werkzeugen. Hier macht sich eine entsprechende Expertise bezahlt, die es ermöglicht, KI auch außerhalb der etablierten Anwendungen in individuellen Projekten einsetzen zu können.
Spezifische Branchenlösungen
Ein besonders interessantes Entwicklungsfeld stellen Lösungen dar, die sich dem operativen Schwerpunkt nach an Branchen oder industrie- und assetspezifischen Problemstellungen orientieren. Ihre Besonderheit ist, dass hier im Ergebnis integrale Bestandteile von Wertschöpfungsketten auf Seiten der Mandanten geliefert werden können. Ob nun am Management regulatorischer Veränderungen angesetzt wird, etwa mit Blick auf spezielle Compliancefragen, oder im Immobilienbereich über digitale Wissensmanagementsysteme Expertenwissen digitalisiert und konkrete Handlungsempfehlungen automatisch abgeleitet werden, die Bedeutung solcher Werkzeuge nimmt sehr wahrscheinlich in Zukunft noch stärker zu. Dies deshalb, weil solche Tools über Schnittstellen künftig stärkere Anbindung an durch IoT vernetzte Gesamtsysteme etwa aus dem Bereich Building-Information-Management finden dürften.
Integration auf digitalen Plattformen/Portalen
Nach der vorangegangenen Darstellung von Einzelaspekten darf nicht außer Acht bleiben, dass viele dieser Module besonders effizient über digitale Plattformen integrierbar sind. Modular und konvergent aufgebaute Lösungen, die für spezifische Mandantenanforderungen individualisierbar sind, schaffen eine Plattform, über die verschiedenste Bedürfnisse von Mandanten integriert abgebildet werden können. So ermöglichen etwa standardisierte Mandantenplattformen ein Wissensmanagement über Teams und Standorte hinweg, oder die interne Automatisierung von Prozessen unterstützt einen digitalisierten und einheitlichen Beratungsansatz. Von reinen Informationsplattformen über Dokumentenaustausch- und Kollaborationslösungen bis hin zu „Mandatsplattformen“, die auch Nachverfolgung und Analyse ermöglichen – die Optionen sind breit gefächert. Plattformen aus den prüfungsorientierten Bereichen bieten vor allem innovative Lösungen für länderübergreifende Zusammenarbeit, Informationsaustausch und weiterführende Analysen. Aber auch Onlinemarktplätze für Marktteilnehmer und Stakeholder oder Portale für Kooperationspartner können einen digitalen Mehrwert bieten.
Klassische Beratung und neue Arbeitsmethoden
Last, but not least sei nochmals der Blick auf die klassische Beratung gerichtet. Selbstverständlich verliert exzellente fachliche Expertise durch die Digitalisierung nicht an Wert. Im Gegenteil dürfte sie, wenn mehr und mehr Routinearbeiten automatisiert werden, gerade bei komplexen internationalen und gestalterischen Aufgaben deutlich aufgewertet werden. Zudem eröffnen sich neue Arbeitsfelder, etwa die bereits angesprochene Kollaboration mit Mandanten in Innovationsprojekten, sozusagen ein Hybrid aus klassischer Beratung und IT.
Aber auch die Begleitung von Mandanten, die ihrerseits ambitionierte neue Geschäftsmodelle erproben, erfordert einen Berater, der bei diesem Transformationsprozess auf verschiedenen Ebenen unterstützen kann. Neben einer hohen fachlichen Expertise werden hier die entsprechende Marktkenntnis, ein profundes Verständnis von digitalen Prozessen und ein Zugang zu Innovationsnetzwerken immer wichtiger. Etwa bei der Beratung zu Themen wie Blockchain zahlt sich ein Verständnis digitaler Geschäftsmodelle besonders aus. So berührt der Einsatz dieser Technologie häufig eine Vielzahl von Rechtsgebieten, angefangen beim Gesellschaftsrecht, bis hin zu aufsichtsrechtlichen Fragen. Die Beratung kann sich dann etwa von einer aufsichtsrechtlichen Beratung zu bestehenden Kryptowährungen bis hin zum gemeinsamen Innovationsprojekt (zum Beispiel im Energiebereich), das eher von einem „konsortialen“ Beratungsansatz geprägt ist, erstrecken. Das sind alles Themen, die noch vor ein paar Jahren kaum eine Rolle gespielt haben.
Zusammenfassung
Die Digitalisierung in Professional-Services-Firms beschränkt sich weder auf den Einsatz von Technologie, noch kann sie an spezialisierte Einheiten delegiert werden. Zum Erfolg eines solchen Transformationsprozesses tragen vor allem unternehmerische wie kulturelle Grundprinzipien bei, die das gesamte Unternehmen betreffen. Besonders eine konsequente strategische und organisatorische Aufstellung sowie Veränderungsbereitschaft und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier entscheidend. Die Phase der Umsetzung profitiert von klugem (Change-)Management und einer Philosophie des Menschen im Mittelpunkt.
Sebastian.schuessler@roedl.com